# taz.de -- Krise bei US-Sender: Licht aus bei CNN | |
> CNN-CEO Chris Licht ist entlassen worden. Das hat mit seiner | |
> Persönlichkeit zu tun, ist aber auch Symptom der Krise der | |
> US-Politberichterstattung. | |
Bild: Chris Licht bei der Gala zum 100. Geburtstag des „Time Magazine“ im J… | |
So schnell geht’s selten: Nach nur einem Jahr im Amt verliert Chris Licht | |
seinen Posten als CEO von CNN. Der 51-Jährige hatte die Stelle im Mai 2022 | |
angetreten, nachdem Warner den Sender gekauft hatte. Licht galt dann auch | |
als Vollstrecker des Willens des Warner-Vorsitzenden. Sein Ziel war für | |
einen Medienmanager typisch: höhere Quoten. | |
Seine Strategie jedoch erschien alles andere als gewöhnlich: Licht wollte | |
das Programm einem breiteren Publikum öffnen – einem konservativeren. | |
Während der Trump-Ära war CNN in den Ruf einer Bastion der liberalen Gegner | |
des rechtspopulistischen Präsidenten gekommen und hatte sich damit den | |
Vorwurf der Parteinahme eingehandelt, was den Sender für viele Konservative | |
unattraktiv machte. | |
Licht wollte CNN mit einer spektakulären Aktion aus dieser politischen Ecke | |
holen: Im Mai veranstaltete der Sender eine „Town Hall“, [1][ausgerechnet | |
mit Donald Trump.] Vor einem Livepublikum, das zu einem großen Teil aus | |
Anhängern des einstigen US-Präsidenten bestand, konnte Trump | |
unwidersprochen eine Reihe an falschen Aussagen verbreiten und der | |
Moderatorin Beleidigungen an den Kopf werfen. | |
Trump behauptete unter anderem, die Wahl 2020 sei manipuliert worden, und | |
leugnete, [2][die Schriftstellerin E. Jean Carroll] je getroffen zu haben, | |
die ihn der Vergewaltigung bezichtigt. Und das, obwohl er kurz zuvor von | |
einem Geschworenengericht wegen sexueller Übergriffe gegen Carroll zu einer | |
Geldstrafe verurteilt worden war. | |
Das „Town Hall“-Event wurde weithin als journalistisches Desaster bewertet. | |
Licht sah die Show jedoch als vollen Erfolg. Sie habe den US-Amerikanern | |
gezeigt, was bei der kommenden Wahl auf dem Spiel stünde. Dass Trump live | |
ungefiltert Lügen verbreiten konnte, schien er nicht zu hinterfragen. Ein | |
Quotenerfolg war das Event nicht. Mit einem Publikum von 3,3 Million | |
blieben die Massen aus. | |
## Stimmung miserabel | |
Auch in Sachen Eigen-PR schadete sich Licht selbst: Knapp drei Wochen nach | |
der Trump-Veranstaltung erschien auf der Website von The Atlantic ein | |
ausführliches und handwerklich hoch gelobtes Porträt über Licht. Der | |
Reporter begleitete Licht auf dessen eigene Einladung hin über mehrere | |
Monate, auch in der Freizeit, und sprach mit über 100 Mitarbeiter*innen. | |
Es wurde eine Geschichte über Lichts Unzulänglichkeiten unter dem Titel | |
„Kernschmelze bei CNN“. Die Stimmung unter Licht sei miserabel und alle | |
seine taktischen Entscheidungen seien nach hinten losgegangen. | |
Lichts Ziel, mehr Zuschauer*innen zu CNN zu holen, war ehrgeizig. Die | |
US-Fernsehlandschaft leidet seit Jahren unter einbrechenden Quoten. | |
Statistiken von S&P Global Market Intelligence zeigen, dass weniger als 40 | |
Prozent der US-amerikanischen Haushalte über einen (nicht gerade günstigen) | |
Kabel- oder Satellitenanschluss verfügen. 2016 waren es noch über 70 | |
Prozent. | |
Bereits vor 2016 sanken die Zuschauer*innenzahlen, aber die Wahl Trumps | |
und die damit einhergehende politische Aufregung der US-Öffentlichkeit | |
verlieh vielen angesehenen Medien einen Boost – den sogenannten Trump-Bump. | |
Alle Newsrooms berichteten über Trumps Tweets und Grenzüberschreitungen und | |
zogen damit viel Publikum an, das sich das Spektakel nicht entgehen lassen | |
wollte. | |
## Interesse verloren, sobald Trump von Fläche verschwand | |
Doch nachdem der kontroverse Präsident abgewählt war, verloren viele wieder | |
das Interesse an ständigen News-Updates. Nach [3][Bidens Amtsantritt] | |
sanken die Zahlen dramatisch. Jüngst beschleunigte sich der Abwärtstrend | |
sogar. Im Jahr 2022 verringerten sich die durchschnittlichen | |
Einschaltquoten von CNN im Vergleich zum Vorjahr um ein Drittel. Lichts | |
Versuch, via Trump die damalige Energie anzuzapfen, scheiterte. | |
Auch die veränderte Mediennutzung macht den traditionellen | |
Cable-News-Sendern zu schaffen. Der Trend geht weg vom Fernsehen hin zu | |
Online-Plattformen. Trumps Konkurrent aus Florida, Ron DeSantis, kündigte | |
seine Präsidentschaftskandidatur mithilfe von Elon Musk im Livestream auf | |
Twitter an. Mit dem Umzug zu Twitter ist er nicht allein. Auch der | |
ehemalige Fox-Host Tucker Carlson hat dort seine eigene Show, nachdem er | |
bei Fox entlassen wurde. Lichts Nachfolger wird bei CNN also große | |
strukturelle Probleme zu lösen haben. | |
12 Jun 2023 | |
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[1] /TV-Auftritt-von-Donald-Trump-bei-CNN/!5933922 | |
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## AUTOREN | |
Valérie Catil | |
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