# taz.de -- Rentenreform in Frankreich: Debatte per Verfassung verboten | |
> Die französische Opposition will über die Erhöhung des Rentenalters | |
> debattieren, aber Präsident Macron verhindert das. Wie demokratisch ist | |
> das Land? | |
Bild: Yael Braun-Pivet am 20. März in der Französischen Nationalversammlung | |
PARIS taz | Über die [1][Erhöhung des Rentenalters] in Frankreich dürfen | |
die Abgeordneten künftig definitiv nicht mehr debattieren und abstimmen. | |
Diese Macht behält sich die staatliche Exekutive vor. Frankreich ist keine | |
parlamentarische Demokratie – wer etwas anderes glaubte, wurde durch den | |
Streit um die Rentenreform von Staatspräsident Emmanuel Macron eines | |
Besseren belehrt. Denn in Frankreich bestimmt die Staatsführung, was geht | |
und was nicht sein darf. Der Präsident verkörpert die Staatsräson, auch | |
wenn das Volk opponiert. | |
Den letzten Beweis dafür liefert zuletzt die Vorsitzende der | |
Nationalversammlung, die Macronistin Yaël Braun-Pivet. Sie hat am Mittwoch | |
erklärt, es sei verfassungswidrig, nun im Rahmen eines Gesetzesantrags der | |
oppositionellen Fraktion LIOT auf die Frage des Rentenalters | |
zurückzukommen. Darüber dürfe weder debattiert noch abgestimmt werden. Sie | |
beruft sich auf den Artikel 40 der Verfassung, der besagt, dass ein Antrag | |
aus dem Parlament nicht mit einer zusätzlichen Finanzlast den | |
Staatshaushalt gefährden dürfe. Das sei der Fall, wenn das auf 64 Jahre | |
angehobene Rentenalter wieder auf 62 gesenkt würde. | |
Pikant daran ist, dass dieselbe Macronistin noch vor drei Wochen den | |
[2][LIOT-Antrag] für zulässig erklärt hatte. Offenbar hat sie seither | |
Anweisungen bekommen. Sie wende bloß die geltenden Regeln an, sagt | |
Braun-Pivet – ungerührt von den Protesten der Opposition und auch der | |
Gewerkschaften, deren letzte Hoffnung, im Rahmen der Institutionen auf | |
Macrons unsoziale Reform zurückzukommen, damit zunichte gemacht wird. | |
Im ganzen Verlauf des Rentenkonflikts hat die Staatsführung diese | |
Verfassung, die in jedem Fall die Exekutive gegenüber den Parlamentariern | |
als Volksvertretung stärkt, sehr elastisch und einseitig ausgelegt. Dabei | |
wäre es möglich und normal gewesen, dass die Abgeordneten und Senatoren | |
über eine so kontroverse Änderung mitentscheiden. | |
Das aber wollte Macron nicht, weil er eine Niederlage in der | |
Nationalversammlung befürchten musste, in der er [3][seit seiner Wiederwahl | |
vor einem Jahr keine Mehrheit] mehr hat. Alle Finten und Hintertürchen | |
waren darum recht, um bis zum Schluss eine parlamentarische Mitbestimmung | |
zu sabotieren. | |
Für die Abgeordneten ist der Entscheid von Braun-Pivet ein „Maulkorb“, für | |
die Gewerkschaften ein arrogante Absage an einen Dialog. Daran ändert nun | |
auch die Ankündigung eines Misstrauensantrags der Opposition nichts mehr. | |
7 Jun 2023 | |
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## AUTOREN | |
Rudolf Balmer | |
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