# taz.de -- Hohenzollernbrücke in Köln: Wo die Liebe hängt | |
> Die Hohenzollernbrücke ist nicht nur die langsamste Einfahrt nach Köln. | |
> Sie ist auch Hort zweifelhafter Denkmäler und tausender Liebesschlösser. | |
Bild: Führt genau auf den Kölner Dom zu: die Hohenzollernbrücke | |
KÖLN taz | Wenn ich eine Brücke wär … nein, dann flög ich nirgends hin. | |
Sondern machte den Rücken gerade für Zug und Fahrrad, für Freund und Feind, | |
um nicht zu straucheln unter der Last. So wie Kölns Hohenzollernbrücke, | |
über die [1][täglich 1.200 Züge fahren], jeder zirka 400 Tonnen schwer. | |
Was so eine Brücke wohl fühlt? Das Lied „Ich bin en Kölsche Bröck“ der | |
Kölner Band „Bläck Fööss“ gibt einen Hinweis: Da ist von Rückenschmerz… | |
die Rede und davon, dass ihr die Schiffe den Bauch kitzeln, damit sie „jet | |
zo laache“ hat, was zum Lachen. | |
Dabei finden es Zugreisende gar nicht lustig, dass sie ausgerechnet auf der | |
Hohenzollernbrücke, so dicht vor Bahnhof und Dom, stets bis zu fünf Minuten | |
auf die Einfahrt warten. Und selbst erfahrene Reisende befällt immer wieder | |
die Furcht, dass die Brücke in genau diesem Moment einstürzen könnte. | |
Andererseits ist es eine wunderbare Auszeit, um zum Beispiel die romanische | |
St. Kunibert-Kirche am Rheinufer zu betrachten, angeblich von frommen | |
Schiffern gestiftet. | |
Den Dom, auf den die Hohenzollernbrücke direkt zuläuft, sieht man bei der | |
Einfahrt natürlich nicht, weil viel zu nah. Überhaupt überraschend, dass | |
der Dom noch steht, bei all den Erschütterungen des nahen Bahnhofs – aber | |
beim nächsten U-Bahn-Projekt klappt das ganz bestimmt; beim Stadtarchiv, | |
das im März 2009 [2][wegen unsachgemäß durchgeführter Grubenarbeiten | |
zusammenstürzte], hat’s ja auch funktioniert. | |
Apropos Einsturz: Wussten Sie, dass die Hohenzollernbrücke im Zweiten | |
Weltkrieg die einzig unbeschädigte Rheinquerung war? Und dass die Wehrmacht | |
selbst die Brücke in den letzten Kriegstagen sprengte, um den | |
US-amerikanischen Truppen den Weg in die Innenstadt zu erschweren? War aber | |
so, und das Schwarzweiß-Foto der in den Rhein hängenden Brückenbögen ist | |
zur Ikone düsterer Kriegserinnerungen, auch einer zweifelhaften | |
Opferhaltung einer Bevölkerung geworden, die auch in Köln den NS-Staat | |
mehrheitlich gebilligt hatte. | |
Wieder aufgebaut wurde die einstige Straßen- und Eisenbahnbrücke zunächst | |
nur als Eisenbahnbrücke. Geschäftstüchtig wie man war, verkaufte man den | |
noch intakten Straßenbrückenbogen nach Duisburg – für die Kahl-Lehr-Brücke | |
über die Ruhr. Die sieht jetzt aus wie die Mini-Ausgabe der | |
Hohenzollernbrücke. | |
## Die Hohenzollern hoch zu Pferd | |
Die ist übrigens deshalb so unpraktisch auf den Dom ausgerichtet, weil ihre | |
Vorgängerin, die Dombrücke, es auch war, auf Wunsch von Kaiser Wilhelm II. | |
– die Brücke sollte auf den fast fertigen Dom „zeigen“. 1911 weihte er d… | |
größere, stabilere Hohenzollernbrücke ein, benannt nach der Dynastie, der | |
er entstammte. Und um seine Legitimation auch aus einer dynastischen | |
Tradition abzuleiten, ließ er neben seinem eigenen drei Reiterstandbilder | |
früherer Hohenzollernkönige und -kaiser an die Brückenköpfe stellen. | |
Und ob es nun geplant war oder nicht – die Statue von Wilhelm II. | |
unterscheidet sich. Sein Pferd hat als einziges einen verstümmelten, | |
kupierten Schwanz – eine hierzulande inzwischen verbotene Praxis, bei der | |
man einige Wirbel entfernt, damit das Pferd lebhafter und repräsentativer | |
wirkt. | |
## Besprüht mit blutroter Farbe | |
Das Reiterstandbild passt zu einem Kaiser, der auch sonst nicht zimperlich | |
war, etwa wenn es um die damaligen deutschen Kolonien ging: Der Völkermord | |
an den Herero und Nama in Südwestafrika und die Niederschlagung des | |
„Boxeraufstands“ in China fallen in seine Regierungszeit. AktivistInnen | |
haben deshalb 2020 sein Standbild [3][mit blutroter Farbe besprüht] und | |
damit eine Debatte über den Umgang mit dem problematischen Denkmal | |
angestoßen. | |
Geändert hat sich nichts – wie so oft in Köln: 2018 hat zum Beispiel die | |
Deutsche Bahn angeregt, die 750.000 Liebesschlösser auf der | |
Hohenzollernbrücke [4][zu entfernen]. Nicht wegen des Gewichts, sondern | |
weil sie Rostschäden verursachen, unter denen 2014 ein Gitter | |
zusammengebrochen war. Dann aber befanden Politiker, Volk und | |
Tourismusbranche, die Schlösser gehörten zum Stadtbild und seien | |
Haupt-Touristenmagnet (war das nicht früher mal der Dom?) | |
Also, die Schlösser blieben. By the way: Wie entwickeln sich eigentlich die | |
750.000 zugehörigen, als Liebesschwur in den Rhein geworfenen Schlüssel? | |
Kann man schwer prüfen, wenn man drüber geht und ganz nah an den rumpelnden | |
Zügen nach Köln-Deutz rüberwandert. Da vibriert die ganze Brücke: | |
aufregend, spannend, große weite Welt! Dann wenden und gemächlich zurück, | |
den Dom jetzt voll im Blick. Wenn man Glück hat, tuckert dazu ein | |
Binnenschiff unter der Brücke vorbei. | |
4 Jun 2023 | |
## LINKS | |
[1] http://rheinische-industriekultur.de/objekte/koeln/bruecke_hohenzollernbrue… | |
[2] https://www1.wdr.de/archiv/stadtarchiv-ubahn/archiveinsturz444.html | |
[3] https://www.kuladig.de/Objektansicht/O-102292-20140904-4 | |
[4] /Liebesschloesser-an-Koelner-Bruecke/!5523324 | |
## AUTOREN | |
Petra Schellen | |
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