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# taz.de -- Freiluftbühnen in Berlin: Titania im Abendrot
> Das elisabethanische Theater Shakespeares war eines der Begegnung. Die
> Shakespeare Company Berlin und das Globe Berlin wollen die Idee
> fortsetzen.
Bild: Im „Sommernachtstraum“ des Globe Theaters suchen Handwerker nach Proj…
An den hellen Juniabenden, dann, wenn viele Theater in Berlin schon fast
wieder in der Sommerpause sind, beginnt die Saison der Freiluftbühnen.
Insbesondere zwei dieser Open-Air-Theater in Berlin haben sich Shakespeare
verschrieben. Beide, die Shakespeare Company Berlin in Steglitz und das
Globe Berlin in Charlottenburg, wollen mit den Komödien des
elisabethanischen Zeitgenossen von Juni bis September unterhaltsames
Volkstheater für alle machen.
Seit 25 Jahren spielt die Shakespeare Company Berlin, seit letztem Jahr an
neuem Standort auf dem Trümmerberg am Insulaner in Steglitz. Neben
Schwimmbad und Planetarium, auf einer ungenutzten Wiese, steht der neu
errichtete Rundbau. Rund 400 Menschen passen in den offenen Zuschauerraum
mit Blick auf die simpel gestaltete Bühne, auf der dieses Jahr mit „Zwei
Herren aus Verona“ ein unbekannteres Shakespeare-Stück Premiere feierte.
Wie so oft bei Shakespeare werden jugendliche Liebeswirren zur Probe für
Treue, Ehre und Freundschaft. „Weil ich die Seine liebe, lieb ich ihn gar
nicht mehr“, bringt Proteus das Dilemma der „Zwei Herren aus Verona“ auf
den Punkt. Die Freunde Valentin und Proteus, gespielt von den zwei
Ensemble-Neuzugängen David Nádvornik und Johannes Quissanga, verlieben sich
beide in die Mailänder Herzogstochter Silvia. Und weil Silvia eigentlich
Turio versprochen ist, doch Valentin liebt, und Proteus vormals Julia seine
Liebe schwor, nehmen die Wirrungen in kurzen, dialogischen Szenen ihren
Lauf.
Hinter der Bühne rauschen die dichten Büsche, während der Himmel dunkler
und die Mücken fieser werden. Die vergisst man jedoch schnell, denn auf der
Bühne wird gefidelt und gesungen. 18 Rollen übernehmen die sechs, zu
Harlekin-Clowns stilisierten Schauspieler*innen über den Abend hinweg.
Das spielerische Niveau ist hoch, die Charaktere sind witzig und
ausdrucksstark. Bemerkenswert ist vor allem Schauspielerin Katharina
Kwaschick – sie singt, spielt Geige und Akkordeon und hat nebenbei noch
eine enorme Bühnenpräsenz.
Obwohl bei Shakespeare-Inszenierungen oft ein Hang zum Vulgären besteht,
ist die Produktion doch noch fein abgestimmt und übersteuert nie
unkontrolliert. In der eigenen Übersetzung entfernt es sich zwar vom
Original, doch der Wechsel zwischen Zugänglichkeit und Originaltreue
gelingt; mit Anlehnungen an die klassizistische Übersetzung von August
Wilhelm Schlegel und an umgangssprachliche Dialekte wie Sächsisch oder
Bayerisch.
Neun Inszenierungen insgesamt, unter anderem „Macbeth“, „Viel Lärm um
Nichts“ und „Sommernachtstraum“, zeigt das selbstverwaltete 18-köpfige
Ensemble mit eigener Betreibergesellschaft dieses Jahr. „Die
Selbstverwaltung führt den Volkstheatergedanken bei den Darstellenden
weiter, es soll ein Theater für alle sein“, so sieht es Schauspielerin
Kwaschik. Und so scannen dieselben Schauspieler*innen, die kurz später auf
der Bühne stehen auch vor Spielbeginn die Eintrittskarten – alles passiert
in Eigenregie.
Das elisabethanische Theater im 16. und 17. Jahrhundert war tatsächlich ein
Theater der gesellschaftlichen Begegnung. Oben in den Rängen saß der Adel,
unten standen die „einfachen Leute“. „Das war ein verbindender Vorgang, d…
war Kultur in alle Richtungen, das hatte einen gesellschaftlichen Impact“,
meint Christian Leonhard. Der einstige Gründer der Shakespeare Company
Berlin ist heute der künstlerischer Leiter des anderen großen
Shakespeare-Freilufttheaters in der Stadt, des Globe Berlin. Für ihn
bedeutet Volkstheater „kein Regietheater, sondern ein zum Publikum
hingewandtes, das Tiefgang und Unterhaltung unbedingt als Grundlage
verbindet“.
Diesen Spagat will Leonhard im Globe Berlin, einem Theater für Schauspiel,
Wortkunst, Weltmusik, an der Sömmeringstraße in Charlottenburg schaffen.
Sobald die Finanzierung steht und der Pachtvertrag unterschrieben ist,
sollen dort auch die hölzernen Bauteile des ehemaligen Schwäbisch Haller
Globe Theaters fest installiert werden. In die Saison 2023 startet das
Ensemble mit „Ein Sommernachtstraum“, jedoch weiterhin auf der
provisorischen Open-O-Bühne. Das helle und offene Gelände gleich nördlich
der Spree hat Flair – aufheulende Motoren oder hallende Rufe vom Sportplatz
nebenan gehören zum urbanen Freilufttheater dazu. Platz nehmen die
Zuschauenden im flachen Zentrum auf Monobloc-Stühlen, um sie herum
erstreckt sich die ringförmige Laufstegbühne, über die die
Darsteller*innen in den nächsten Stunden um sie herumjagen.
Wie im Fiebertraum entspinnen sich schließlich die ineinander verwobenen
Handlungsstränge des „Sommernachtstraums“, die Liebespaare laufen in den
Athener Wald, während die Elfenkönigin Titania und ihr Gatte Oberon sich
gegenseitig zum Teufel wünschen. Den unverschämten Elfen Puck, Gehilfe von
Titania, spielt ein glänzender Peter Beck. „Ein Sommernachtstraum“ kommt
zeitgenössischer daher, wenn die zu Schauspielern uminterpretierten
Handwerker auf der Suche nach Projektförderung sind oder Themen wie Gender
oder sexualisierte Gewalt aufkommen. Häufig amüsant zugespitzt, rutscht es
jedoch manchmal ins Derbe ab.
Die Produktion lebt auch von der spektakulären Gesamtszenerie, wenn der
Wind im Abendrot durch die Kirmesbäume fährt, während Titania dem Esel ihre
Liebe gesteht. Andererseits wird die große Bühne auch zur Herausforderung,
wenn die einzelnen Szenen manchmal zu zerstreut oder die Darstellenden
akustisch schwer zu verstehen sind.
Schließlich spielt bei Volkstheatern auch das Publikum eine entscheidende
Rolle. Und nur selten findet man solch humorvolles, sich selbst nicht zu
ernst nehmendes Publikum wie in den Reihen dieser beiden Freiluftbühnen.
Egal ob in der Shakespeare Company oder im Globe Theater, beide
Spielstätten zeichnen sich durch eine passionierte
Zuschauer*innenschaft aus, die bereit ist, sich begeistern zu lassen.
Für manch überkritische Theatergängerin könnte es eine Lektion in Sachen
Lockerlassen sein. Dann gäbe es auch noch viel mehr Theater in Berlin zu
genießen.
15 Jun 2023
## AUTOREN
Amelie Sittenauer
## TAGS
Theater
Shakespeare
Open Air
Bremer Shakespeare Company
Theater
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