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# taz.de -- Streit über LNG-Terminals: Sackgasse Flüssiggas
> Überkapazitäten, hohe Kosten, mehr Abhängigkeit von fossiler Energie –
> das LNG-Gesetz sendet ein fatales Signal. Es ginge auch anders.
Bild: Klimaaktivist*innen demonstrieren auf Rügen gegen den geplanten Bau eine…
Vor knapp einem Jahr hat die Ampel-Regierung ein Gesetz verabschiedet,
welches den Bau und die Zulassung von rund 12 Terminals zum Import von
Flüssiggas – auch unter dem Kürzel LNG („Liquified Natural Gas“) bekann…
an den deutschen Küsten beschleunigen soll. Hintergrund war, dass die
Gaslieferungen aus Russland gekappt wurden. Schon damals warnten
Expert*innen vor Überkapazitäten, einer Verschwendung öffentlicher
Gelder und der verstärkten Abhängigkeit von Gas. Trotzdem werden munter
weiter Pläne für noch mehr fossile Infrastruktur geschmiedet: Im Hafen von
Mukran auf Rügen soll nun ein weiterer LNG-Standort entstehen – in einer
Geschwindigkeit, die als „Deutschland-Tempo“ gefeiert wird.
Aber ein „Deutschland-Tempo“, das den Umweltschutz und die Einbindung der
Öffentlichkeit auf ein Minimum beschränkt und Klimaverpflichtungen
vollkommen außer Acht lässt, ist kein Grund zum Feiern. Sinn der
Verfahrensschritte – [1][die nach dem LNG-Beschleunigungsgesetz nun
ausgespart werden sollen] – ist, auch die Anliegen von Anwohner*innen
und Umweltschutz frühzeitig zu berücksichtigen. Das ist, auch wenn es Zeit
kostet, eine politische Errungenschaft und macht Entscheidungen rechtlich
weniger angreifbar.
[2][Die andauernden Proteste gegen die Errichtung des Terminals vor Rügen]
weisen deutlich auf die immensen Auswirkungen auf Umwelt, Menschen und
Klima hin. Eine Aufnahme dieser Vorhaben in das LNG-Gesetz – wie es der
derzeitige Entwurf vorsieht – würde es rechtlich erleichtern, Einwände und
Proteste zu übergehen. Umwelt- und klimapolitisch wäre es also stattdessen
dringend geboten, die Liste der Vorhaben im Einklang mit den Klimazielen zu
kürzen und die Auslastung sowie die Laufzeit der Terminals zu deckeln.
Der letzte Winter ist Vergangenheit. Der deutsche Energiebedarf konnte
gedeckt werden, nicht zuletzt durch Importe aus Nachbarländern. Zahlreiche
Studien zeigen, dass über die geplanten Terminals wohl deutlich mehr Gas
importiert werden kann, als wir in Deutschland auch in Zukunft brauchen.
Auch Robert Habeck räumt ein, dass mit einer Überkapazität gerechnet wird.
Aus seinem Ministerium heißt es – ohne dass dies mit Daten belegt wird –,
man brauche das Gas, um die Nachbarländer zu versorgen.
Die Bundesregierung argumentiert, dass für Eventualitäten wie den Ausfall
norwegischer Importe infolge eines Angriffs Vorsorge nötig sei. Mit solchen
hypothetischen Schreckensszenarien ließe sich theoretisch jedes fossile
Projekt ohne Beschränkung begründen. Und selbst wenn ein solch extrem
unwahrscheinlicher Fall einträte, könnte dies laut des Gasspeicherverbands
immer noch durch europäische Partner ausgeglichen werden. Nicht
hypothetisch, sondern leider heute schon bittere Realität sind hingegen die
katastrophalen Auswirkungen der Klimakrise, die sich durch Projekte wie
diese verschärfen.
Zum Glück gibt es Alternativen: Klimaschutz und Versorgungssicherheit
widersprechen sich nicht per se. Der Ausbau erneuerbarer Energien oder der
effizientere Gebrauch von Energie dienen beiden Anliegen. Auch das
LNG-Gesetz könnte beides in Einklang miteinander bringen. Für die Terminals
könnte etwa gesetzlich festgeschrieben werden, dass sie in ihrer Laufzeit
und Auslastung so beschränkt werden, wie es zur Einhaltung der Klimaziele
notwendig ist.
Im absoluten Notfall ließe sich eine derartige Beschränkung modifizieren
oder aufheben. Zusätzlich muss klarer gesetzlich geregelt werden, dass die
zuständigen Behörden solche Vorhaben nur dann zulassen dürfen, wenn ihre
Vereinbarkeit mit dem Klimaschutzgesetz geprüft wurde.
Fossile Projekte dürfen jedenfalls nicht weiterhin an den Verpflichtungen
aus dem Klimaschutzgesetz vorbeigeplant werden – und schon gar nicht im
„Deutschland-Tempo“. Das Grundgesetz verlangt von der Politik einen klaren
Weg zur Klimaneutralität. Das sollte sie auf der Basis eines modernen
Verständnisses von Sicherheit tun, welches auch die Klimakatastrophe als
Risikofaktor für die Menschheit angemessen berücksichtigt.
## Keine Brücke für die Zukunft
Beschleunigung ist kein Selbstzweck. Mit der Infrastruktur, die jetzt
geschaffen wird, bindet sich die Politik für die Zukunft. Ist sie fossil,
ebnet das entweder den Weg zur verschärften Klimakrise, oder es wird bald
klar werden, dass öffentliche Gelder für Projekte verschwendet wurden, die
niemandem nutzen. Mit dem Gasverbrauch, den das Klimaministerium für die
Terminals zugrunde legt, reißt Deutschland seine Klimaziele. Außerdem
bestehen Zweifel, ob die LNG-Infrastruktur überhaupt jemals auf
klimafreundliche Weise genutzt werden kann.
Die fossilen Flüssiggas-Terminals sind also keine Brücke in eine
klimafreundliche Zukunft, sondern größtenteils eine Sackgasse. Sich daraus
wieder herauszumanövrieren könnte teuer werden: Es ist absehbar, dass die
Bundesregierung angesichts der Klimakrise aus der Nutzung von Gas
aussteigen muss – und die Gasindustrie dann unter Berufung auf das
LNG-Gesetz und den Vertrauensschutz die Hand aufhalten wird.
Besonders fatal ist das internationale Signal, welches Deutschland mit dem
immensen Umfang an Gasimportkapazitäten sendet: Schon jetzt werden im
Ausland, um die Terminals zu beliefern, Projekte wie Fracking und die damit
verbundene Exportinfrastruktur ausgeweitet. Dabei dürfte nach dem Pariser
Übereinkommen keine neue Gasinfrastruktur mehr gebaut werden.
Statt sehenden Auges weiter in Richtung Klimakrise zu rasen, sollte die
Bundesregierung – wie es ja auch das Bundesverfassungsgericht gefordert hat
– bei der Gestaltung des Übergangs zur Klimaneutralität gerade im
Energiesektor endlich Fahrt aufnehmen und alles daransetzen, die Nutzung
von fossilen Energieträgern wie Kohle und Gas im Einklang mit den
Klimaschutzverpflichtungen schnell zu beenden.
2 Jun 2023
## LINKS
[1] /Streitgespraech-ueber-LNG-Terminals/!5882830
[2] /Widerstand-gegen-LNG-auf-Ruegen/!5934838
## AUTOREN
Francesca Mascha Klein
## TAGS
LNG
Fracking
klimataz
Energiekrise
Schifffahrt
Rügen
Schwerpunkt Klimawandel
Energieversorgung
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