# taz.de -- Konzertempfehlungen für Berlin: Träumen und Tasten | |
> Viele Konzerte in dieser Woche greifen hinein ins Unbewusste, in diverse | |
> Tasten oder testen die Grenzen von Streichern aus. | |
Bild: Solistensensemble Kaleidoskop | |
Musik hat traditionell einen guten Platz im Unbewussten. Wo etwa Literatur | |
über die Sprache erst einmal den Filter des Intellekts passieren muss und | |
auch Bilder etwas sind, dem man sich bewusst zuwendet – es ist auch | |
einfacher, die Augen vor ihnen zu verschließen, als die Ohren schalldicht | |
zu verstopfen – geht die Musik ungehindert überhall dorthin, wo es in Leib | |
und Seele wehtut, sich anrühren lässt oder wo Empfindungen angesprochen | |
werden, von denen man zuvor im Zweifel gar nicht wusste, dass man sie hat. | |
Und da der Königsweg zum Unbewussten seit Freud nun mal der Traum ist, hat | |
es einigen Sinn, dass das Solistensensemble Kaleidoskop und der Komponist | |
Georg Nussbaumer ihre aktuelle Zusammenarbeit „[1][Die Entsorgung des | |
Vergessens – 91 Traumprotokolle]“ nennen. | |
Zwischen Performance und Installation geht es am Freitag, Sonnabend und | |
Sonntag (5.-7. 5.) im Ballhaus Ost zu, das Publikum bewegt sich dazu durch | |
die Etagen des Hauses, das, dem nächtlichen Thema angemessen, bloß von | |
Taschenlampen erleuchtet sein wird. Ob wohl Schlafwandler ausdrücklich | |
erwünscht sind? (Pappelallee 15, 5. & 6. 5, 20 Uhr, 7. 5., 18 Uhr, 15/10 | |
Euro) | |
Mehr in dieser Richtung bietet das [2][Jugend(widerstands)museum] ebenfalls | |
am Freitag mit zwei Künstlerinnen, die sich auf gar nicht so unähnliche | |
Weise mit ihrer Musik daran machen, die Grenze vom Hellwachen zum | |
Tiefschlaf zu überwinden. Die Cellistin Martina Bertoni erzeugt mit ihrem | |
Instrument und elektronischem Gerät offene Schwebezustände, ihr jüngstes | |
Album heißt passend „Hypnagogia“. | |
Bérangère Maximin versteht sich auf akusmatische Dinge, sie macht mithin | |
Musik, bei der die Grenze zwischen Akustischem und Elektronischem so | |
verwischt wird, dass man nicht zuordnen kann, welchen Ursprung die Klänge | |
überhaupt haben. Wie Tagesreste, die im Traum mitunter seltsame Gestalt | |
annehmen (Rigaer Str. 9/10, 5. 5., 20 Uhr). | |
Wer kennt das Clavinet? Kommt aus Deutschland und wurde von der Marke | |
Hohner als „elektrisches Clavichord“ eingeführt, um dem fragilen barocken | |
Tasteninstrument eine moderne Gestalt zu verpassen. Berühmt gemacht haben | |
es aber Größen wie Stevie Wonder, dessen Hit „Superstition“ ohne Clavinet | |
nicht halb so viel Funk hätte. | |
Wenn [3][am Sonntagnachmittag im Sattelit] die Pianistinnen Magda Mayas und | |
Andrea Neumann zu einem Konzert mit Clavinet und Innenklavier laden, könnte | |
die Musik allerdings weniger auf Groove, dafür stärker auf neugieriger | |
Erweiterung des Sounds beruhen. Das umgebaute „Satellit-Klavier“ soll auch | |
zum Einsatz kommen. Es werden Kaffee und Kuchen gereicht (Weinstraße 11, 7. | |
5., 16 Uhr). | |
Eines der besten Quartette mit starkem Interesse an neuer und neuester | |
Musik ist das Jack Quartet. Die vier Streicher haben sich unter anderem den | |
Quartetten des Avantgarde-Altmeisters Helmut Lachenmann gewidmet. | |
Am Donnerstag spielen sie im Pierre Boulez Saal neben Lachenmann auch zwei | |
US-amerikanische Komponisten der Gegenwart, den früheren | |
Jazz-Krawallexperten John Zorn und Caleb Burhans. Die Grenzen zum Geräusch | |
werden dabei mit einiger Wahrscheinlichkeit überschritten (11. 5., 19.30 | |
Uhr, [4][Tickets für 15-45 Euro gibt es hier]). | |
5 May 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://www.ballhausost.de/die-entsorgung-des-vergessens/?pos=0 | |
[2] https://widerstandsmuseum.de/ | |
[3] https://www.satellit.info | |
[4] https://tickets.boulezsaal.de/selection/event/seat?perfId=101912294502&… | |
## AUTOREN | |
Tim Caspar Boehme | |
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