# taz.de -- Israel und Gaza: Waffenruhe der besonderen Art | |
> In Israel und im Gazastreifen ist nach fünf Tagen Krieg mit Dutzenden | |
> Toten auf palästinensischer Seite wieder Ruhe eingekehrt. Doch für wie | |
> lange? | |
Bild: Ein zerstörtes Haus in Deir al-Balah, Gazasteifen | |
BERLIN taz | Es ist ein Waffenstillstand der besonders vagen Art: Israel | |
und die militante palästinensische Organisation Islamischer Dschihad aus | |
dem Gazastreifen haben sich geeinigt, dass beide Seiten „aufhören, auf | |
Zivilist*innen zu zielen, Häuser zu zerstören und auf Menschen zu | |
zielen“. Am Sonntag hielten sich beide Seiten zunächst an die Vereinbarung. | |
Aber wie lange werden die Waffen schweigen? | |
Die Vagheit des von Ägypten vermittelten Waffenstillstands ist Konzept: | |
Besonders umstritten war in den Verhandlungen die israelische Taktik der | |
gezielten Tötung von Mitgliedern des Islamischen Dschihad. [1][Mit | |
Angriffen auf Kommandeure der Organisation war die Gewalt am Dienstag | |
aufgeflammt.] Sie forderte von Israel, die Angriffe einzustellen. | |
Die nun gewählte Formulierung erlaubt es Israel zu betonen, dass es der | |
Forderung nicht zugestimmt habe, während der Islamische Dschihad das | |
Gegenteil behaupten kann. Der Waffengang endet also nicht mit Einigkeit, | |
die nächste Eskalation dürfte vor der Tür stehen. | |
Die bisherige Bilanz: Fünf Tage und Nächte lang flogen rund 1.200 Geschosse | |
aus dem Gazastreifen auf israelisches Territorium, vor allem auf die an | |
Gaza angrenzenden Gebiete, aber auch auf Tel Aviv und Jerusalem. | |
Israel bombardierte Ziele des Islamischen Dschihad im Gazastreifen. Auf | |
israelischer Seite wurden zwei Personen durch Raketen getötet, eine | |
Israelin und ein palästinensischer Arbeiter aus Gaza. Das israelische | |
Militär tötete 18 teils hochrangige Mitglieder des Islamischen Dschihad, | |
außerdem mindestens zehn Zivilist*innen, darunter Kinder. Das | |
Gesundheitsministerium in Gaza spricht von 33 getöteten | |
Palästinenser*innen. Laut israelischem Militär wurden einige | |
Palästinenser*innen in Gaza von fehlgeleiteten Raketen des | |
Islamischen Dschihad getötet. | |
## Hamas hielt sich heraus | |
Die militärisch stärkere militante Organisation im Gazastreifen, die | |
Hamas, beteiligte sich in dieser Runde nicht an Kampfhandlungen. Anders als | |
der Islamische Dschihad hat die Hamas als Regierungsmacht in Gaza einiges | |
zu verlieren. Derzeit haben 16.000 Palästinenser*innen in dem Gebiet | |
die Genehmigung, in Israel zu arbeiten. Eskalationen mit der Hamas führen | |
für gewöhnlich dazu, dass Israel die Genehmigungen einschränkt – für den | |
wirtschaftlich schwer angeschlagenen Küstenstreifen ein kaum zu | |
überschätzender Faktor. | |
Die Taktik der Hamas besteht seit ihrem [2][Krieg mit Israel vor zwei | |
Jahren] darin, Gaza relativ ruhig zu halten, aber den Druck vom | |
Westjordanland aus auf Israel zu erhöhen, etwa indem sie dort zu Anschlägen | |
aufruft. Mehrere Anlässe in der kommenden Woche bieten der Hamas eine | |
Gelegenheit, ihr Image als Beschützerin Jerusalems zu pflegen. Am Montag | |
jährt sich die als Nakba bezeichnete Flucht und Vertreibung | |
hunderttausender Palästinenser*innen im Zuge der Gründung Israels zum | |
75. Mal. Am Donnerstag feiert Israel am Jerusalem-Tag die Eroberung des | |
Ostteils der Stadt 1967. Traditionell ziehen an dem Tag | |
rechtsnationalistische Jüdinnen und Juden mit Israelflaggen durch die | |
Altstadt – oft auch durch das muslimische Viertel – und provozieren | |
mitunter mit Slogans wie „Tod den Arabern“. | |
## Netanjahu unter Druck aus eigenen Reihen | |
Vor dem jüngsten Schlagabtausch zwischen Israel und dem Islamischen | |
Dschihad hatte die Hamas gewarnt, sie werde nicht zulassen, dass Israel | |
Jerusalem „judaisiert“. Vor zwei Jahren hatte der Flaggenmarsch am | |
Jerusalem-Tag einen elftägigen Krieg zwischen Israel und der Hamas | |
ausgelöst. | |
Der jüngste Gewaltausbruch fällt in eine Zeit einer extrem rechten | |
Regierung in Israel. Viele Regierungskritiker*innen glauben, dass | |
Premier Benjamin Netanjahu mit der Eskalation von innenpolitischen | |
Problemen ablenken wollte. Tatsächlich hat es am Samstag zum ersten Mal | |
seit 19 Wochen keinen Massenprotest gegen die [3][Justizreform] gegeben, | |
sondern nur vereinzelte Demonstrationen. | |
Auch Druck aus der Regierungskoalition könnte demnach zu Netanjahus | |
Entscheidung beigetragen haben, Kommandeure des Islamischen Dschihad töten | |
zu lassen und somit die Eskalation auszulösen. Itamar Ben-Gvir, | |
rechtsextremer Minister für Nationale Sicherheit, hatte zuletzt die | |
Reaktion auf vorherige Raketenangriffe als zu lasch kritisiert und deshalb | |
die Sitzungen des Parlaments boykottiert. Nach den Tötungen beendete er | |
seinen Boykott. | |
14 May 2023 | |
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## AUTOREN | |
Judith Poppe | |
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