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# taz.de -- Europarat in Straßburg: Iran-Beauftragter will Zeitenwende
> Der Europarat hat einen Berichterstatter für Iran ernannt. Der
> Grünenpolitiker Max Lucks will den Finger in die Wunde europäischer
> Iranpolitik legen.
Bild: Der Grünenpolitiker Max Lucks während einer Bundestagssitzung im April …
Berlin taz | Um die europäische und deutsche Politik gegenüber Iran ist es
still geworden. Seit Medienberichte über die fortbestehenden
Menschenrechtsverletzungen seltener geworden sind, hört man von offiziellen
Stellen kaum noch etwas zum Thema Iran. Eine Ausnahme ist die regelmäßige
Erweiterung der Sanktionsliste: Am Montag dieser Woche belegte die EU
weitere acht Personen und eine Organisation mit Sanktionen.
Angesichts der Vielzahl der Menschenrechtsverletzungen durch die iranische
Machtelite ist dies, wie auch schon zuvor, eine weitgehend symbolische
Handlung. Die [1][Bestätigung des Todesurteils gegen den deutschen
Staatsbürger Jamshid Sharmahd] am Mittwoch verdeutlichte im Kontrast dazu
die Dringlichkeit der Menschenrechtslage in Iran.
Neuigkeiten gibt es derweil von einer anderen Organisation: Dem Europarat
in Straßburg. Dieser ernannte am Mittwoch Max Lucks zum Berichterstatter
für Iran. Der Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen sagt von sich
selbst, er sei „der erste Berichterstatter seit 1979, der das bestehende
Regime infrage stellt.“
Tatsächlich gab es seit 1979 nur eine Resolution des Europarats zu Iran: im
Jahr 2009 im Zuge der [2][Proteste der sogenannten Grünen Bewegung]. Der
Europarat habe „zu lange weggeschaut“, sagt Lucks. Als ältestes
Menschenrechtsparlament müsse der Rat an der Seite der iranischen
Zivilbevölkerung stehen, die das gesamte System infrage stelle.
Das Problem: Handlungsmacht hat der Europarat nicht – schon gar nicht in
Iran, der kein Mitgliedsstaat ist. Die Organisation ist keine
EU-Institution und nicht zu verwechseln mit dem Europäischen Rat oder dem
Rat der Europäischen Union. In den Schlagzeilen war der Europarat in den
letzten Jahren unter anderem wegen einer Korruptionsaffäre um Aserbaidschan
und im Zusammenhang mit dem [3][Rausschmiss Russlands im März 2022].
„Es geht eher um eine Langzeitperspektive“, sagt Max Lucks. Als
Berichterstatter zu Iran möchte er eine „langjährige wissenschaftliche und
politische Begleitung der Menschenrechtslage im Land“ ermöglichen.
## Sicherheitsfragen statt Menschenrechte
Dem Europarat scheint es in dieser Frage in erster Linie um Aufmerksamkeit
zu gehen, die in der aktuellen Situation dringend geboten scheint: Denn
während [4][in Iran seit Monaten Schulkinder durch mutmaßliche
Giftgasattacken vergiftet] und Frauen mit gewaltsamen Methoden dazu
gebracht werden, sich an die islamische Kleiderordnung zu halten,
konzentriert sich die internationale Gemeinschaft im Verhältnis zu Iran wie
schon vor der Protestbewegung wieder hauptsächlich auf Sicherheitsfragen.
In der Abschlusserklärung der G7-Staaten vom 18. April, zu denen auch
Deutschland und mehrere EU-Staaten gehören, ist im Paragrafen zu Iran fast
ausschließlich von der nuklearen Gefahr und der militärischen Unterstützung
Russlands die Rede. Das Nuklearabkommen mit Iran von 2015 (JCPoA) biete für
den Umgang mit der nuklearen Frage eine „nützliche Referenz“, heißt es in
der Erklärung.
Verhandlungen mit dem Regime scheinen also – ungeachtet aller
Menschenrechtsverletzungen – wieder die präferierte Option zu sein. In
Bezug auf die Menschenrechtsverletzungen heißt es in der G7-Erklärung
schlicht, dass man sie verurteile. Außerdem rufen die G7 Iran auf,
„konkrete Handlungen zu unternehmen, um sich dieser Fragen anzunehmen“. Wie
ein Staat, der selbst Verursacher der Menschenrechtsverletzungen ist, sich
der Fragen der Menschenrechtsverletzungen annehmen soll, wird nicht
erklärt.
Die iranischen Machthaber scheint es jedenfalls nicht zu interessieren,
dass die G7 sie auffordern, Ausländer und Doppelstaatler*innen nicht
weiter „willkürlich ins Visier zu nehmen“, wie es in der Erklärung auch
heißt. Die Bestätigung des Todesurteils für den Deutschen Jamshid Sharmahd
folgte am Mittwoch nur eine Woche nach der G7-Erklärung und zwei Tage nach
der neuen Sanktionsrunde der EU.
Der frisch ernannte Iran-Berichterstatter Max Lucks hofft, dass sich
grundlegend etwas in der internationalen Politik gegenüber Iran ändert:
„Wir brauchen dringend eine Zeitenwende in der europäischen Iranpolitik.“
Wie er diese Zeitenwende in seinem neuen Amt antreiben will, wird sich
zeigen. In jedem Fall scheut er sich offenbar nicht, den Finger in die
Wunde deutscher und europäischer Iranpolitik zu legen.
27 Apr 2023
## LINKS
[1] /Todesurteil-in-Iran-bestaetigt/!5930794
[2] /Irans-Regime-droht-Opposition/!5153273
[3] /Krieg-in-der-Ukraine/!5842212
[4] /Anschlaege-auf-iranische-Schuelerinnen/!5918438
## AUTOREN
Gilda Sahebi
## TAGS
Proteste in Iran
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Menschenrechte
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