# taz.de -- Die Wahrheit: Kreuzfahrtkacke | |
> Neues aus Neuseeland: Gigantische Passagierschiffe sind die Pest der | |
> Meere. Ihre Insassen machen auch in Aotearoa nichts als Ärger. | |
Bild: Ein Kreuzfahrtschiff liegt im Hafen von Heraklion | |
Dass der Südhalbkugelsommer zu Ende ist, merkt man nicht nur am Wetter. Vor | |
zwei Wochen verließ das letzte Kreuzfahrtschiff der Saison den Hafen von | |
Lyttelton, auf den ich seit zwanzig Jahren aus meinem Fenster gucke. Laut | |
tutete die Ovation of the Seas zum Abschied. Doch das finale Ausschiffen | |
erfüllte mich nicht mit herbstlicher Wehmut. Denn die schwimmenden Kolosse, | |
die uns diesen Sommer 200.000 Besucher bescherten, sind zur Shitshow | |
geworden. | |
Seitdem ich zurückdenken kann, gehörten Kreuzfahrtschiffe zu meiner neuen | |
Heimat. Touristen waren als Haupteinnahmequelle stets willkommen. Das | |
änderte sich, als die Pandemie ausbrach und Bettenburgen zu verseuchten | |
Coronacontainern wurden. Als Neuseelands Grenzen geschlossen waren, blieben | |
auch die Schiffspassagiere außen vor. Dann kamen sie zurück. Und mit ihnen | |
nichts als Ärger und Wut. | |
260 Millionen Dollar Umsatz sollen die Kreuzfahrtschiffe der Region | |
bringen. Der Besitzerin von Lytteltons kleiner, aber feiner | |
Geschenkboutique Henry Trading brachten sie jedoch ein fettes Minus. Sie | |
wurde in der Vorweihnachtszeit regelmäßig von Luxuspassagieren auf Landgang | |
beklaut. Seidenschals, Schmuck und Wollsocken aus Merinowolle verschwanden. | |
Auf die Diebeszüge folgten weitere Dramen. | |
Ende Januar hatte Aotearoa nicht nur mit schweren Unwettern zu kämpfen, | |
sondern auch mit einer Eierkrise: Die waren plötzlich Mangelware, da dank | |
eines neuen Tierschutzgesetzes Legebatterien umgestellt wurden. Um | |
Hamsterkäufen vorzubeugen, hingen wochenlang in allen Supermärkten Zettel | |
vor den halbleeren Regalen, dass jeder Kunde nur einen Karton kaufen | |
durfte. | |
## Der Aufschrei wurde lauter | |
Die Besatzung der Azamara Quest mit 650 Passagieren reagierte listig. 23 | |
Crew-Mitglieder versuchten, beim Stopp im südlich gelegenen Hafen von Port | |
Chalmers die Eierbestände abzuräumen, aber flogen auf. Der Unmut setzte | |
sich in Christchurch fort. Dort wurden Lytteltons Bürger, die weit vom | |
Stadtzentrum entfernt wohnen, am Busbahnhof der Innenstadt nicht mehr | |
mitgenommen, weil alle Busse mit Kreuzfahrtlern überfüllt waren. | |
Der Aufschrei wurde lauter. Ein Graffiti tauchte überm Hafen auf: „Cruise | |
ships do no good.“ Schließlich kam es zur Anhörung im Stadtrat. Eine | |
Umweltaktivistin legte dar, wie sehr die Ozeanriesen mit ihrem CO2-Ausstoß | |
das Klima und mit ihrem Fäkalausfluss das Hafenwasser versauen. Außerdem | |
sei das Küstendorf diesem Ansturm nicht gewachsen. Man fühle sich | |
„überrollt“. | |
Einige Geschäftsleute hielten dagegen. In Lytteltons Facebook-Gruppe | |
bekämpfen sich die Fraktionen erbittert. Den letzten bösen Akt der | |
„floater“, also der umgangssprachlich im Klowasser schwimmenden Kackwürste, | |
durfte ich selbst erleben. Beim SailGP, dem größten Segelturnier, das wir | |
je vor Ort erleben durften, versperrte uns ein gigantisches weißes Schiff | |
den Blick aufs Wasser. Good bye! | |
27 Apr 2023 | |
## AUTOREN | |
Anke Richter | |
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