# taz.de -- Menschenrechte in China: Drakonische Strafen | |
> In einem Schnellprozess ohne Zeugen und unter Ausschluss der | |
> Öffentlichkeit werden zwei führende Bürgerrechtler zu langjähriger Haft | |
> verurteilt | |
Bild: Xu Zhiyong bei einer früheren Festnahme 2014 vor Gericht | |
Peking taz | Sie forderten ein freieres China und müssen dafür nun büßen: | |
Am Montag verurteilte ein Gericht in der ostchinesischen Provinz zwei der | |
führenden Bürgerrechtler des Landes zu drakonischen Haftstrafen. Ding Jiaxi | |
bekam 12 Jahre Gefängnis, Xu Zhiyong sogar 14 Jahre. | |
Ihr Prozess war unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten eine Farce. Er fand | |
nicht nur unter vollkommenem Ausschluss der Öffentlichkeit statt, sondern | |
auch an nur einem einzigen Tag. Laut Ding Jiaxis Ehefrau, die im Exil lebt, | |
habe das Gericht zudem keinerlei Zeugen zugelassen. | |
Beide Aktivisten hatten im Jahr 2019 an einem Geheimtreffen in der | |
südlichen Küstenstadt Xiamen teilgenommen. Dabei debattierte der übrig | |
gebliebene Kern der chinesischen Zivilgesellschaft unter anderem über eine | |
demokratische Zukunft der Volksrepublik China. In den kommenden Monaten | |
wurden sämtliche Teilnehmer verhaftet. Ihnen wird „Untergrabung der | |
Staatsgewalt“ vorgeworfen. | |
Xu und Ding sind Mitbegründer der „Neuen Bürgerrechtsbewegung“, die sich | |
seit 2010 für mehr staatliche Transparenz einsetzte und auch politische | |
Reformen forderte. Sie vertraten schon zuvor Unterprivilegierte und machten | |
auf Missstände aufmerksam, die der Zensurapparat systematisch unter den | |
Teppich kehrt – [1][von den Selbstverbrennungen tibetischer Mönche bis hin | |
zu misshandelten Insassen in Arbeitslagern]. Beide mussten bereits mehrfach | |
Gefängnisstrafen absitzen, während derer sie auch Folter erlitten. | |
## Gewisser Freiraum | |
In einer Stellungnahme des 55-jährigen Ding Jiaxi, die unter anderem auf | |
der in China gesperrten Plattform Twitter geteilt wurde, heißt es: „Das | |
chinesische Volk lebt immer noch in einem Zustand der politischen | |
Unterdrückung, der wirtschaftlichen Kontrolle und der ideologischen | |
Versklavung.“ Trotz der „Schwierigkeiten, Rückschläge und Folter – nich… | |
von alledem wird meine unerschütterliche Philosophie ändern“. | |
Seit der Jahrtausendwende hatte sich in China eine lebhafte | |
Zivilgesellschaft entwickelt: Umweltschützer, Korruptionsjäger, | |
Frauenrechtsgruppen. Die Regierung gewährte dafür zunächst einen gewissen | |
Freiraum. Unter [2][Xi Jinping] jedoch dominiert inzwischen eine | |
flächendeckende Repression. Das einzige sozialpolitische Engagement, das | |
noch geduldet wird, ist das unter dem Schirm der Partei. Aktivisten | |
außerhalb des Systems werden wie Kriminelle behandelt. | |
Xu Zhiyong, der nun 14 Jahre absitzen muss, galt mit seinem Jurastudium in | |
Peking als einer der schillerndsten Bürgerrechtler des Landes. Der | |
Menschenrechtsanwalt Teng Biao, der mittlerweile in den USA im Exil lebt, | |
sagte einst über seinen ehemaligen Kommilitonen: „Er hat gehofft, | |
Vermittler zwischen der Regierung und dem Volk zu sein. Jemand, der so weit | |
wie möglich friedliche und legale Mittel zur Konfliktlösung einsetzt.“ | |
Nun wird Xus Stimme verstummen. Eine letzte Stellungnahme diktierte der | |
50-Jährige während seiner Untersuchungshaft 2021 seinem Anwalt mündlich: | |
„Ich habe einen Traum – den Traum von einem China, das schön, frei, gerecht | |
und glücklich ist. Es ist ein demokratisches China, das allen Menschen in | |
diesem Land gehört, nicht einer bestimmten Ethnie oder politischen Partei. | |
Es ist ein Land des Volkes, dessen Regierung durch Wahlen und nicht durch | |
Gewalt gewählt wird.“ | |
11 Apr 2023 | |
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## AUTOREN | |
Fabian Kretschmer | |
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