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# taz.de -- Warnstreik in Deutschland: Über allen Gleisen ist Ruh
> Wegen des Streiks sind die Bahnhöfe gespenstisch leer. Nur ein paar
> Reisende suchen verzweifelt nach einer Reisemöglichkeit. Selbst auf
> Autobahnen ist weniger los.
Bild: Keiner da: der Berliner Bahnhof Friedrichstraße am Montagmorgen
## Kaum Verkehr auf den Autobahnen in NRW
Dortmund taz | Trotz [1][flächendeckender Streiks bei der Bahn], den
lokalen Verkehrsbetrieben und an den Flughäfen ist in Nordrhein-Westfalen
am Montagmorgen das befürchtete Verkehrschaos auf den Autobahnen
ausgeblieben: Entgegen vielen Erwartungen waren die Fernstraßen im
bevölkerungsreichsten Bundesland mit seinen rund 18 Millionen
Einwohner:innen weitaus leerer als an einem durchschnittlichen Start in
die Woche.
So [2][meldete der WDR] zur Rush-Hour im morgendlichen Berufsverkehr in
seinem Verkehrslagebericht um 7:00 Uhr gerade einmal 65 Kilometer Stau
landesweit. Um 8:00 Uhr waren es sogar nur noch 38 Kilometer – dabei sind
im sonst oft dicht vor dem Verkehrsinfarkt stehenden NRW an einem
durchschnittlichen Montagmorgen durchaus 150 bis 200 Kilometer Stau
möglich.
Doch offenbar setzten viele Pendler:innen, die seit Tagen auf allen Kanälen
vor dem drohenden Verkehrschaos gewarnt worden waren, wie in Coronazeiten
aufs Homeoffice, hatten Urlaub genommen – oder stiegen innerstädtisch auf
alternative Verkehrsmittel wie das Fahrrad oder E-Scooter um.
Gespenstig leer blieben auch die Bahnhöfe. „Zug fällt aus“ stand auf der
großen-Info-Tafel des Dortmunder Hauptbahnhofs um 06:30 Uhr hinter allen
Verbindungen. Dass auf der wichtigen Strecke von Berlin über das Ruhrgebiet
ins Rheinland nicht nur im Fernverkehr, sondern auch bei Regional- und
S-Bahnen gar nichts mehr ging, sagte auch eine Lautsprecherstimme immer
wieder an. Menschenleer war auch der Bahnhofsvorplatz in Köln. In den
großen Hallen der Hauptstation der Domstadt waren ebenfalls nur wenige
Leute unterwegs.
Denn auch bei den innerstädtischen Bussen, U-Bahnen und Straßenbahnen ging
in NRW am Montagvormittag nichts mehr. So stellten die lokalen
Verkehrsbetriebe etwa in Köln, Bonn, Dortmund, Bochum und Gelsenkirchen den
Betrieb komplett ein.
Bei der Ruhrbahn in Essen und Mülheim galt am Montag ein Streikfahrplan,
nach dem nur die Nachtexpresslinien im Stundentakt fuhren. Auch in
Bielefeld waren keine einzige Stadtbahn und nur wenige Busse unterwegs. Von
Münsters Stadtwerken hieß es, dass mindestens die Hälfte der Busse ausfalle
– der Rest der Linien wurde von privaten Fremdfirmen bedient.
Auch an den Flughäfen ging am Montag wenig bis nichts. In Dortmund bewegte
sich keine Maschine, rund 50 Flüge fielen aus oder wurden umgeleitet.
Lahmgelegt war auch der Airport Köln/Bonn: „Hier ist alles dicht. Das ist
jetzt ein ökologischer Flughafen“, sagte Verdi-Gewerkschaftssekretär Frank
Michael Munkler.
Ebenfalls gecancelt wurden viele Flugbewegungen am größten NRW-Airport
Düsseldorf: Statt 330 Starts und Landungen werde es wohl nur 69
Flugbewegungen geben, erklärte ein Flughafensprecher. Voll war es dagegen
am nicht bestreikten Flughafen Münster/Osnabrück: Der sonst oft verwaiste
Airport übernahm jeweils 20 Starts und Landungen anderer Standorte.
## Nichts los am Berliner Hauptbahnhof
Berlin taz | Es ist ungewöhnlich still an diesem Montagmorgen am Berliner
Hauptbahnhof. Nur wenige Menschen sind unterwegs, die Bahnsteige für den
Fernverkehr und für die S-Bahnen schlicht leer. Dass gestreikt wird, steht
auf den digitalen Anzeigen, in Dauerschleife gibt es Durchsagen. Die
meisten Pendler:innen und Reisenden haben sich offenbar gut auf den
Ausfall vorbereitet und sind auf Alternativen ausgewichen.
Mitarbeiter:innen der Bahn sind weit und breit nicht zu sehen, die
meisten Informationsschilder nur auf Deutsch. Und genau dies stellt einige
ausländische Tourist:innen vor echte Herausforderungen. Ein Norweger,
der auf dem Weg zu seiner Familie nach Kopenhagen ist, hat erst von
Journalist:innen erfahren, dass gestreikt wird und alle Züge ausfallen.
Etliche Kamerateams sind auf der Suche nach Betroffenen, nach guten
Bildern. Mehr als vereinsamte Bahnsteige gibt es aber nicht zu filmen. Auch
zwei Backpacker auf dem Weg nach Prag wurden von der Lage überrascht.
Während der Norweger noch einen Tag in Berlin dranhängen will, ist es für
die beiden jungen Leute nicht ganz so einfach. Sie wollen weiter auf ihrer
Tour durch Europa.
Trotzdem: [3][Solidarisch sind alle mit den Streikenden]. Wie auch viele
Berliner:innen. Wenig überraschend ist die U-Bahn U5, die direkt am
Hauptbahnhof endet, völlig überfüllt. „Streik muss sein“, sagt einer, der
jetzt zur Tram hetzt, um den Anschluss noch zu erwischen.
## Ein paar Streikende am Hamburger Hauptbahnhof
Hamburg taz | Der Hamburger Hauptbahnhof zeigte sich am Montagmorgen nahezu
menschenleer. Einige wenige Wartende hatten vergessen oder nicht
mitbekommen, dass gestreikt wird. Auf den Anzeigetafeln wurden zunächst
noch Regionalzüge in die umliegenden Städte sowie auch wenige
Fernverkehrszüge angezeigt, die fahren sollten. Gegen halb neun änderte
sich dies jedoch. Die Tafeln blieben von da an leer. „Ich gehe davon aus,
dass hier heute kein Zug fährt“, sagte ein DB-Mitarbeiter auf einem Gleis.
Als zahlreiche Streikende der EVG in orangen und roten Warnwesten und mit
Fahnen und Bannern gegen kurz nach 8 Uhr vom südlichen Bahnhofsgang aus in
Richtung Innenstadt, dann zum nördlichen Bahnhofsteil durch die Wandelhalle
und über leere Gleise durch den ganzen Bahnhof zurückliefen, bekamen davon
nur wenige etwas mit, da am Bahnhof trotz Pendlerzeit kaum Menschen
unterwegs waren. Die Streikenden aus verschiedenen Arbeitsbereichen der
Bahn ließen die Hallen mit Trillerpfeifen und Hörnern und der wiederholten
Forderung nach mindestens 650 Euro mehr monatlichem Lohn erschallen.
Das DB-Reisecenter öffnete am Morgen noch bei überschaubarem Andrang.
Allerdings um 8 statt um 6 Uhr.
## Eine einsame Bahn in Karlsruhe
Karlsruhe taz | Die S1 zieht einsam im 20 Minutentakt ihre Kreise. Es ist
die einzige Bahnlinie, die zuverlässig vor dem Karlsruher Hauptbahnhof
hält. Warum die S1? Sie ist eine von drei Linien in Karlsruhe, die von der
Albtal-Verkehrsgesellschaft (AVG) betrieben wird und auf deren eigenen
Gleisen fährt. Bei der AVG gab es schon im November einen Tarifabschluss,
dort herrscht Friedenspflicht. Die Fahrgäste aus dem nahegelegenen Bad
Herrenalb wissen es zu schätzen. Die Wagons sind gut gefüllt.
In der Bahnhofshalle herrscht dagegen gähnende Leere, nur wenige Fahrgäste
sind gestrandet, eine Frau berichtet am Handy von ihrer Irrfahrt bis jetzt:
Von hier komm ich jetzt nicht mehr weiter, berichtet sie ihrer
Gesprächspartnerin am anderen Ende der Leitung.
„Erschreckend leer war's hier heute Morgen“, findet selbst
Gewerkschaftssekretär Fabian Pangsy am Streikposten. In Karslruhe sind vom
DB-Streik der EVG vor allem die vielen Pendler in die Landeshauptstadt
Stuttgart getroffen. Anders als beim Streik 2018, als man von manchen
Fahrgästen bespuckt worden sei, gab es diesmal wenig Unmut, findet Pangsy.
Er glaubt, es liegt an der Länge des Streiks. Auf 24 Stunden Auszeit
könnten sich die Reisenden besser einstellen als auf acht Stunden wie
damals.
In Stuttgart nutzt die Letzte Generation den Ausstand für eine Aktion gegen
den PKW-Verkehr. Sieben Aktivistinnen und Aktivisten stürzten sich mit
einem Holzgestell in der Größe eines Autos in den Verkehr auf den
Stuttgarter Durchgangsstraßen. Die Folgen für den Verkehr blieben nach
Angaben der Polizei aber überschaubar.
Der Flughafen der Landeshauptstadt wurde weitgehend lahm gelegt. Nach
Angaben des SWR entfallen 170 Flüge.
27 Mar 2023
## LINKS
[1] /Streik-in-Deutschland/!5922010
[2] https://www1.wdr.de/verkehr/nrw/verkehrslage/
[3] /Tarifstreit-im-oeffentlichen-Diskurs/!5923765
## AUTOREN
Emmy Thume
Tanja Tricarico
Andreas Wyputta
Benno Stieber
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