| # taz.de -- Leipziger Sängerin Karo Lynn: Runter von der Couch | |
| > Zweifel gegen Düsternis: Die Leipziger Musikerin Karo Lynn präsentiert | |
| > die Popsongs ihres neuen Albums „A Line in My Skin“ bei einer Tour. | |
| Bild: Kann auch kühl: Karo Lynn | |
| Dass die Klimakrise im Alltag immer präsenter wird, ist inzwischen klar. | |
| Dass sie in Liebesliedern thematisiert wird, passiert eher selten. Doch die | |
| Leipziger Musikerin Karo Lynn singt in ihrem Song „Elephant“ mit berührend | |
| tiefer Stimme über eine kompliziert anmutende Beziehung, die sich dem Ende | |
| zuneigt, um dann zu fragen: „How come you don’t see it? / It’s not a lie, | |
| it’s all getting worse / In truth we’re ruining the earth / You know an | |
| elephant died for your new table?“ | |
| Karo Lynn komponiert dennoch keine klassischen Protestsongs, die aufrütteln | |
| sollen. Ihr Ding sind melancholische und düstere Songs über | |
| Zwischenmenschliches. „Ich tue mich schwer damit, globale Themen in einen | |
| Song zu packen, weil ich es persönlich schwierig finde, eine klare Meinung | |
| zu haben, es ist komplizierter als nur schwarz-weiß“, erklärt sie. | |
| „Trotzdem ist Klimaerwärmung und wie wir als Menschen die Welt verändern, | |
| ein Thema, das mir persönlich sehr am Herzen liegt.“ | |
| Sie habe es noch nicht geschafft, nur über dieses eine Thema einen Song zu | |
| schreiben, besser gelingt es ihr, die Klimaerwärmung subtil einfließen zu | |
| lassen. Es genüge, wenn man die Problematik nach und nach begreife. Karo | |
| Lynns neues Album [1][„A Line in My Skin“] mehrmals zu hören, empfiehlt | |
| sich sowieso, stecken die poetischen düsteren Popsongs doch voller Nuancen. | |
| Anderthalb Jahre hat die Leipziger Künstlerin zusammen mit ihrem | |
| Produzenten Cornelius Miller daran gearbeitet. „Jetzt entspricht die Musik | |
| mir so deutlich, wie nichts von dem, was ich zuvor gemacht habe“, erklärt | |
| sie zufrieden. Dass sie überhaupt zur Musik gekommen ist, verdankt die | |
| 26-Jährige dem Musikunterricht in der Schule, bei dem eine Aufgabe war, | |
| einen eigenen Song zu komponieren. Das hat ihr enorm Spaß bereitet und auch | |
| ihrem Umfeld so gut gefallen, dass sie drangeblieben ist. | |
| ## Stillstand im Lockdown | |
| Zwei Alben hat sie vor „A Line in My Skin“ bereits veröffentlicht, ihr | |
| Debüt „Frames“ mit 19 Jahren in Eigenregie, das nachfolgende, merklich | |
| erwachsenere „Outgrow“ im Winter 2020 – zwei Wochen, bevor der erste | |
| [2][Corona-Lockdown] nicht nur die Kultur, sondern einen großen Teil des | |
| gesellschaftlichen Lebens lahmlegte. All die Arbeit war wegen des Lockdowns | |
| mehr oder weniger für die Katz. | |
| „Jegliche Werbung, die wir gemacht hatten, war plötzlich uninteressant. Die | |
| Leute hat etwas ganz anderes beschäftigt“, erinnert sich Karo Lynn. Danach | |
| wieder aufzustehen, fiel ihr zunächst schwer. Auch weil es kaum Austausch | |
| gab mit Fans und Kolleg:Innen, keine Konzerte, nichts. „Da hab ich Zeit | |
| gebraucht, um mich wieder reinzufinden“, gibt sie zu. | |
| Gelungen ist ihr das mit Disziplin. Einen Monat lang hat sie sich | |
| gezwungen, Songs zu schreiben. Wie eine To-do-Liste, die abgearbeitet | |
| werden musste, mit einer eigens gesetzten Deadline, die nicht gebrochen | |
| werden durfte. „Früher hab ich die kreativen Ideen einfach fließen lassen.�… | |
| Herausgekommen sind elf wunderschöne Popsongs, denen man weder Zwang noch | |
| Disziplin anhört, sondern Zweifel, das Kreisen der Gedanken, die Schwermut, | |
| die bei Karo Lynn zum Glück immer warmherzig klingt. | |
| Auch Einflüsse wie Daughter, Ben Howard und The National dringen durch. Oft | |
| geht es um Liebe und Menschen, die irgendwie versuchen, miteinander | |
| klarzukommen. [3][Und um das Leben in der Großstadt.] „Darum, wie mich das | |
| manchmal erdrückt, vor allem in kalten Monaten, wenn es grau und dunkel ist | |
| draußen, in einer Stadt zu leben, in der ich halt schon immer lebe.“ | |
| Die Stadt, in der sie schon immer lebt, ist Leipzig. Hier hat sie Physik | |
| und Mathematik studiert, hier ist sie Lehrerin geworden. Zum Leben findet | |
| sie die Stadt toll, zum Musikmachen eigentlich auch, obwohl ihr die | |
| Musikszene überschaubar erscheint. Denn am Ende spiele sich doch das meiste | |
| in Berlin ab. Immer wieder stellt sich die Frage, ob sie nicht auch dort | |
| hinziehen müsste. Bis jetzt bleibt sie stark. | |
| Zurzeit allerdings ist sie auf Tour. Ihrer ersten eigenen. Mit einer | |
| Live-Band, zu der neben ihr selbst noch drei Musiker:Innen zählen, | |
| spielt sie die Songs mit Synthesizern und elektronischen Sounds. Denn es | |
| soll anders klingen als zu Hause auf der Couch. Dort haben ihre Fans | |
| schließlich lange genug gesessen. | |
| 24 Mar 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://youtu.be/js9KU3zbX2E | |
| [2] /Studie-zu-kultureller-Teilhabe-in-Berlin/!5812784 | |
| [3] /Leben-in-Staedten/!5856467 | |
| ## AUTOREN | |
| Juliane Streich | |
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