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# taz.de -- Übernahme von Credit Suisse: Der Deal der Großbanken
> Von der Pleite der Credit Suisse und der Übernahme durch die UBS
> profitieren vor allem Wirtschaftsanwälte und Kanzleien. Darüber redet
> kaum jemand.
Bild: Vor einer Crédit-Suisse-Fliale in Zürich am 24. März
In der Schweiz kursiert unter ehrgeizigen Abiturienten, aber auch bei
gestandenen Sozialwissenschaftlern, wie mir ein befreundeter, im Schweizer
Sozial- und Gesundheitswesen tätiger unabhängiger Firmengründer und Berater
mitteilte, der nur auf den ersten Blick erstaunlich gleiche Traum von der
nicht verfehlten, erst im nächsten Leben zu korrigierenden Berufswahl. Die
Schweizer Abiturienten träumen fast nur noch von der Bedeutung der
finanziell aussichtsreichsten Studien- und Berufswahl, möglichst fürs ganze
bevorstehende Berufsleben.
Auf den zweiten Blick erstaunt diese Koinzidenz der Träume von alten und
angehenden Akademikern über die Berufswahl nicht. Denn den Hintergrund und
Anlass für diese Gleichschaltung der Träume bildet die politische Debatte
in der Schweiz: d[1][ie Pleite der Großbank Credit Suisse und die
ferngesteuerte Übernahme der Credit Suisse durch die Konkurrentin UBS].
Deutlich führte das Drama vor Augen: Wenn es um den internationalen
Finanzmarkt geht, hat es mit dem Stolz auf Eigenständigkeit, Neutralität
und traditionelles Brauchtum, das sich seit geraumer Zeit immer schroffer
gegen andere und Fremde richtet, ein ganz schnelles Ende.
Die Träume älterer und angehender Akademiker von der lukrativsten
Berufswahl in der Schweiz werden befeuert von der Aussicht auf lebenslang
wohlstandssichernde Honorare für Wirtschaftsanwälte und ihre Kanzleien aus
anstehenden Gerichtsprozessen, in denen es um milliardenschwere Streitwerte
geht.
## Fremdkapital, das in Eigenkapital umgewandelt wird
Es handelt sich um die Entschädigung der Käufer von sogenannten
AT1-Anleihen mit einem Nennwert von gigantischen 16,1 Milliarden Schweizer
Franken bei der Pleitebank Credit Suisse.
AT1-Anleihen, auch „Coco-Bonds“ genannt, sind hochriskante
„Errungenschaften“ der Finanzindustrie nach der letzten Bankenkrise von
2008/2009. Es ist Fremdkapital, das jedoch ohne Zustimmung der Inhaber in
Eigenkapital umgewandelt werden kann – so zumindest die
marktwirtschaftsfromme und kapitalmarktkompatible Lesart der Juristen der
Schweizer Behörden, die jedoch umstritten ist.
Die Käufer dieser AT1-Anleihen wurden ohne seriöse juristische Prüfung
ihrer Regress- und Entschädigungsansprüche enteignet. Und das könnte eine
Lawine von Klagen auslösen.
## Die Steuerzahler müssen haften
Die ohne Zweifel bevorstehenden Entschädigungs- und Haftungsprozesse
enthalten politische Brisanz. Und das nicht nur für die Schweizer
Finanzministerin Karin Keller-Sutter, die sich wie eine patriotisch
besorgte Politikerin für „ihre“ Banken und deren Geschäftsmodell ins Zeug
legt, sondern in letzter Instanz auch ganz erhebliche finanzielle Risiken
für den Steuern zahlenden Teil der Schweizer Bevölkerung schafft.
Die Steuerzahler haften nach dem Stand der Dinge auf jeden Fall mit
mindestens 9 Milliarden Franken für den Deal. Die Nationalbank ist bereit,
100 Milliarden Franken zu drucken, um die famose Lösung abzusichern und der
Übernahme der Credit Suisse durch die USB genügend Cash zur Verfügung zu
stellen.
Vor allem aber birgt der Deal der Großbanken enorme Prozessrisiken und
damit reichlich Futter, also [2][üppige Honorare für Generationen von
erfahrenen Wirtschaftsanwälten und -kanzleien mit einer
Langzeitbeschäftigungsgarantie].
## Niemand redet vom Imageschaden
Auch Interessenten der als wertlos eingestuften AT1-Anleihen wie die
Investmentbank Goldman Sachs stehen bereits in den Startlöchern und kaufen
die Papiere schon mal auf – für den Fall der Fälle. Die Bilanzsumme der
zusammengelegten beiden Großbanken umfasst mit etwa 1,6 Billionen Franken
mehr als das Doppelte des gesamten Bruttoinlandsprodukts der Schweizer
Wirtschaft.
Fast keiner, und schon gar nicht öffentlich wahrnehmbar, redet [3][vom
Imageschaden der Pleite der Großbank für die Schweizer Wirtschaft und für
die Demokratie].
In den Medien kümmern sich allenfalls Nischenprodukte wie die linke Zürcher
Wochenzeitung, die kleine sozialwissenschaftliche Zeitschrift Widerspruch
oder Blogs kritischer Wissenschaftler um die gravierenden Imageverluste des
Landes, ausgelöst durch gewohnheitsmäßig an der unscharfen Grenze zur
Kriminalität operierenden Banker vom Zürcher Paradeplatz, dem Stammsitz der
beiden Schweizer Großbanken.
## Als sei nichts passiert
In offen national-chauvinistisch und trotzig-apologetischer Perspektive
profilieren sich dagegen Organe der Rechts-Abbieger-Presse wie die einst
durchaus lesbare Wochenzeitung Die Weltwoche unter dem heutigen Eigentümer
Roger Köppel – ein selbstherrlich über willige Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter regierender Chefredakteur, rechter SVP-Politiker und Fan des
SVP-Urgesteins Christoph Blocher.
Markt hin, Markt her: Die Stimmung in der Wirtschaft hat nach kurzer Zeit
der Besinnung schon wieder gewechselt, als sei die Krise vorbei und
Business as usual wieder angesagt.
Aber eine Verdichtung der Regulierung für Banken, insbesondere eine
Erhöhung der Eigenkapitalquote von momentan ganzen 5 Prozent im Verhältnis
zur Gesamtsumme der Bilanz um mindestens das Dreifache als Mindestvorsorge
für Krisenlagen erscheint kritischen Beobachtern als unumgänglich – soweit
sie nicht zum Bankenmanagement oder dessen Umfeld gehören, wo man weiterhin
ebenso unverfroren wie unbelehrbar für hohe Bonuszahlungen an Spitzenbanker
eintritt, als ob nichts passiert wäre.
Der Präsident der Schweizer Nationalbank verteidigte die mit markt- und
privatwirtschaftlichen Gründen durchgeboxte Rettung der Credit Suisse als
alternativlos. Denn die Abwicklung einer Pleitebank in der Krise mit
staatlicher Hilfe sei ganz unmöglich.
Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Die Eigenheit der auf unbegrenztes
Wachstum im Investmentbanking fixierten Banken enthebt diese von der
Aufgabe, sich um die der Rendite abträgliche Erhöhung der Eigenkapitalquote
zu kümmern.
4 Apr 2023
## LINKS
[1] /Schweizer-Bankenkrise/!5920059
[2] /Ende-der-Bank-Credit-Suisse/!5920092
[3] /Finanzexperte-Schick-zur-Bankenkrise/!5920208
## AUTOREN
Rudolf Walther
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