# taz.de -- Kunstaktion mit Nachwirkungen: Auto-Engel über den Dächern | |
> Es ist ein „poetisches Ärgernis“: Seit über 30 Jahren thront HA Schults | |
> „Flügelauto“ auf dem Kölner Zeughaus-Turm. | |
Bild: Immer dieser Traum vom Fliegen | |
KÖLN taz | Soll man jetzt anfangen zu schwärmen? Wollen würde man’s ja, | |
aber ob sich das geziemt … Jedenfalls ist es unvergleichlich, das „Goldene | |
Flügelauto“ über den Dächern Kölns. Wobei man seinen Standort nicht | |
wirklich abschreiten kann: Zu windig und winzig ist der Zeughaus-Turm, wo | |
das Auto seit 32 Jahren parkt. Aber von unten kann man es gut sehen, | |
verzaubert und beunruhigt zugleich, denn die Hinterräder ragen über die | |
Kante, und ob das nicht doch mal abstürzt … | |
Aber nein, er ist durch ein Gerüst gesichert, der vergoldete Ford Fiesta | |
mit den großen Flügeln, den Aktionskünstler HA Schult, mit 1,2 Tonnen | |
Eisenbahnschienen sowie zwei 800-Kilo-Polyesterharz-Flügeln beschwert, auf | |
den Turm stellte. 1989 hat er das Kunstwerk für die Aktion „Fetisch Auto“ | |
geschaffen, als einen von elf Fiestas, die als Marmor-, Eis- und | |
Osterei-Auto in der Stadt zu sehen waren. Eins schwebte auch an einem | |
Hubschrauber als „Wolke“ über der Stadt. | |
Die Reaktionen reichten von Zorn bis Gelächter. Auch die Frage, ob dies | |
eine autokritische oder -freundliche Aktion war, stand im Raum. Immerhin | |
hatten [1][die Ford-Werke] die Aktion finanziert, anlässlich ihres | |
60-jährigen Köln-Jubiläums. Und war es ein Zufall, dass die Aktion | |
pünktlich zur Auslieferung des neuen Ford Fiesta startete? Zu denken gab | |
auch, dass die Ford-Werke den „Goldenen Vogel“ – so der Originaltitel – | |
hernach dem Förderverein des Kölnischen Stadtmuseums schenkten. | |
Und überhaupt: Was sollte der jetzt machen mit dem Auto, das bis dato auf | |
dem Stapelhaus-Dach am Rhein gestanden hatte und jetzt da wegmusste? | |
## Wie beim Aufräumen daheim | |
Der Zeughaus-Turm war sicher nicht erste Wahl, aber das lief wohl wie beim | |
Aufräumen daheim: Wenn partout kein Platz mehr ist, stellt man die Sachen | |
irgendwo drauf und hofft, dass es hält. Außerdem ist der „Kölner an sich“ | |
(und die gebürtige Kölnerin darf das sagen) risiko- und | |
provisoriumsfreudig. Und ein schwebendes Auto wäre ein Marketing-Gag. | |
Außerdem residierte das beschenkte Stadtmuseum damals – [2][seit 2017 ist | |
es wegen eines Wasserschadens gesperrt] – im Zeughaus. Das Auto wäre also | |
ein Hingucker, der dem Volk den Weg zur Bildung wiese. | |
Also hievte man den Ford unter Verwendung von allerlei Kränen auf den Turm | |
des 1606 fertiggestellten Zeughauses, das im 17. Jahrhundert als | |
städtisches Waffenlager diente. Die rot-weißen Wappen an der Fassade | |
erinnern überdies daran, dass Köln einst Hansestadt war und schon im | |
Mittelalter als Wirtschaftsstandort hoch berühmt. | |
Da war das Gold-Auto das Tüpfelchen auf dem i, und siehe, es wurde immer | |
beliebter, avancierte gar zum Wahrzeichen. Wobei man sagen muss, dass die | |
Postkarten mit „Flügelauto vorm Dom“ nur halb stimmen. Denn um genau diesen | |
Blick zu haben, muss man sehr lange durch verwinkelte Gassen gehen oder | |
fliegen. Aber wie dem auch sei – das Flügelauto ist inzwischen weltweit | |
bekannt, und 50 Prozent der Kölner sind stolz darauf, wie | |
überirdisch-gülden es nachts leuchtet, wenn entsprechend angestrahlt. | |
Und es wäre nie aufgefallen, dass das Auto nur halb legal auf dem | |
denkmalgeschützten Gebäude stand, wenn nicht der damalige Kölner | |
Regierungspräsident Franz-Josef Antwerpes die Sache überprüft hätte. Er | |
mochte das Auto nicht und musste es nun täglich aus dem Bürofenster sehen. | |
Nun hätte er das Rollo herunterlassen oder woanders hinschauen können. Aber | |
das tat er nicht. Er verkündete vielmehr, das Auto stehe ohne Genehmigung | |
des Denkmalschutzamts da. Die Behörde konterte, eine temporäre Platzierung | |
erfordere keine Erlaubnis. Antwerpes verbot daraufhin die „bauliche | |
Veränderung“ des Zeughauses durch das Auto. Worauf der | |
nordrhein-westfälische Stadtentwicklungsminister verfügte, dass das Auto | |
bis Ende 1998 abzubauen sei. | |
## Weltweite Werbung | |
Derweil warb das Fremdenverkehrsamt weltweit mit dem Auto, man feierte den | |
111. Tag seit der „Landung“ des Vogels und tat alles, um ihn ins lokale | |
Narrativ zu integrieren. Die Presse berichtete mit wachsendem Vergnügen. | |
Und natürlich war das 1999 noch da, worauf Antwerpes der Stadt ein | |
Ultimatum stellte. Abermals fiel ihm das NRW-Ministerium in den Arm und | |
erlaubte den Verbleib – bis Ende 2000. Antwerpes zweifelte die | |
Gesetzmäßigkeit des Erlasses an, vergeblich. Ende 1999 trat er in den | |
Ruhestand. | |
Zweimal wurde das Auto seither zur Sanierung abgenommen und zügig wieder | |
aufgestellt, bevor es sich irgendwer anders überlegte. So steht es bis | |
heute, hält auch der Konkurrenz durch das 2001 installierte zweite | |
Dach-Kunstwerk der Kölner City stand – dem „Dropped Cone“, einem | |
umgekippten Riesen-Eishörnchen. Der Pop-Art-Künstler Claes Oldenburg hat es | |
auf die Neumarkt-Galerie gesetzt, eine zentrale Einkaufsmeile. Die Spitze, | |
sagt er, solle an die Kölner Kirchtürme erinnern. In Wahrheit ähnelt das | |
Hörnchen natürlich einem Karnevalshütchen. Aber das bleibt bitte unter uns. | |
7 Apr 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Sparen-wegen-Umstellung-auf-E-Mobilitaet/!5912709 | |
[2] https://www.koelnisches-stadtmuseum.de/besuchen/besuch-planen/ | |
## AUTOREN | |
Petra Schellen | |
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