Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die Wahrheit: Der edgy Lack ist ab
> Farbige Fingernägel neben ein wenig Lidschatten und Rouge auf den
> Stoppelwangen gelten als Allheilmittel gegen toxische Männlichkeit.
Für mich ist und bleibt Mastodon die Gruppe, die mit „Blood Mountain“ eine
der besten Platten (ja, ja, ich sage noch „Platte“, haha) ihres Genres
(Metal) gemacht haben – und kein Kurznachrichtendienst für Leute, die
Twitter ihre kalte Schulter zeigen wollen. Für mich ist und bleibt auch NSU
ein Motorenwerk aus Neckarsulm, das in den fünfziger Jahren mit der Quickly
ein ganz bezauberndes Moped hergestellt hat (wenn auch mein Exemplar mit
Kolbenfresser einstweilen außer Gefecht ist) – und kein schwüles
Rechtsterroristentrio aus Beate, Uwe und Uwe und ihren Helfern beim
Verfassungsschutz.
Ich erwähne das nur, weil ich mein Beharrungsvermögen hinsichtlich
Hergebrachtem unterstreichen sowie, möglichst unauffällig, auf mein Alter
(52) zu sprechen kommen will. Ich gehöre nicht mehr zu den Boomern, eher
zur Generation Golf (aber die golflose Variante!), keinesfalls zur
Generation X, Y oder Z. Millennials gibt’s auch noch, wer immer das sein
mag, und neuerdings (so ab 2010) auf Soziologenwunsch eine ominöse
„Generation Alpha“, zu der ich Kraft meiner Lenden immerhin einen
bescheidenen Beitrag geleistet habe.
Bewusste Alphatierchen (weiblich, inzwischen 13 und 15) haben sich früher
einen Spaß daraus gemacht, mir die Nägel zu lackieren. Einen ganzen Sommer
lang bin ich schon mit rot lackierten Fußnägeln herumgelaufen, als „queer“
noch eine zaghafte Versuchsvokabel war von Leuten, die sich nicht trauten,
einfach schwul oder lesbisch zu sein. Inzwischen ist „queer“ das neue
„cool“.
Neulich sah ich auf Instagram, wie Dirk von Lowtzow (52) mit lackierten
Fingernägeln sein neues Buch vorstellte, und erwischte mich bei dem
Gedanken: „Och nö, nicht der auch noch!“ Damit meinte ich nicht das Buch,
sondern den Lack auf den Nägeln.
In der taz las ich vor einer Weile, dass der Lack bei besorgten Frauen im
öffentlichen Raum inzwischen als eine Art kosmetisches Beruhigungsmittel
wahrgenommen wird. Der lackierte Mann, noch mit ein wenig Lidschatten und
Rouge auf den Stoppelwangen, wird garantiert nicht über mich herfallen! Er
trägt das Siegel queerer Unbedenklichkeit. Zufällig ist die Sache mit dem
Nagellack so alt wie der Begriff von der „toxischen Männlichkeit“ – als
wäre beim Problempaket der Schlüssel zu seiner Lösung bereits im
Liefer-umfang inbegriffen gewesen.
Wichtig ist, dass die Nägel nicht sauber lackiert sind. Das wäre „posh“,
vermutlich auch „weird“, womöglich sogar „cringe“. Nein, der Lack muss…
abgeknibbelt wirken, wie bei einer nägelkauenden 14-Jährigen oder wie der
verwischte Lippenstift von Robert Smith von The Cure. Nicht „the real
deal“, eher ein „edgy“ Zitat.
The Cure sollen übrigens mit „Desintegration“ das beste Album ihres Genres
gemacht haben. Welches Genre das genau ist, weiß ich nicht. Dafür war ich
immer zu jung.
31 Mar 2023
## AUTOREN
Arno Frank
## TAGS
Kolumne Die Wahrheit
Kosmetik
Männlichkeit
Queer
Kolumne Die Wahrheit
Kolumne Die Wahrheit
Kolumne Die Wahrheit
Kolumne Die Wahrheit
Kolumne Die Wahrheit
## ARTIKEL ZUM THEMA
Die Wahrheit: Schmuckstück aus der Radiohölle
Unterwegs Radio hören kann zu verstärktem Ohrenglühen führen. Wer da so
alles Plattitüden zum Besten gibt: Rapper, Studenten, Politiker …
Die Wahrheit: Der Relevanzliterat von Leipzig
Ein Roman wie eine Neutronenbombe. Ein Autor wie ein Atompilz. Sein
Gesicht, seine Kleidung und sein Buch stehen im Mittelpunkt der Buchmesse.
Die Wahrheit: Im Laberlabor des Krieges
Die Worte melden sich zum Einsatz bereit: Der russische Angriff auf die
Ukraine hat auch die deutsche Sprache verändert.
Die Wahrheit: Der Herr Papa im Badezimmer
Woke bis zum Abwinken, aber die Bioseife ist einfach nur steinhart. So sind
die Töchter von heute.
Die Wahrheit: Der König der Kolumnisten
Da steht er! Auf dem Bahnsteig! Der wichtigste Kolumnist Deutschlands!
Harald Martenstein! Und liest Zeitung! Eine kleine Sensation!
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.