# taz.de -- Die Wahrheit: Der König der Kolumnisten | |
> Da steht er! Auf dem Bahnsteig! Der wichtigste Kolumnist Deutschlands! | |
> Harald Martenstein! Und liest Zeitung! Eine kleine Sensation! | |
Neulich hatte ich eine Kolumnistensichtung. Was, weil ich selbst hin und | |
wieder kolumniere, nichts Besonderes ist in der Kolumnistenszene. Trifft | |
man einen anderen Kolumnisten oder eine Kolumnistin, kommt es oft zu den | |
üblichen Kolumnistengesprächen über Kolumnistenprobleme. Dann geht es um | |
vermasselte Pointen oder die Suche nach Themen, bisweilen auch um die | |
schlechte Bezahlung oder andere, in der Regel abwesende Kolumnisten, denen | |
man die Butter auf dem Brot nicht gönnt oder die Villa im Tessin. Ein | |
solcher Abwesender ist Harald Martenstein. | |
Martenstein und seine „flotte Schreibe“, wie wir Kolumnisten übrigens | |
absolut nie sagen, kenne ich nur aus dem Magazin der Zeit. Angeblich | |
schrieb er mal für den Tagesspiegel und schreibt aktuell für Springer. Mag | |
sein, ich habe das nie überprüft. Seinen Stil würde ich als leicht onkelige | |
Beömmelung bezeichnen, gern über die verschiedenen Zumutungen der | |
moralischen Spätmoderne. | |
Linken gefällt das nicht, weil es sie an ihre eigenen verschütteten | |
Ressentiments erinnert. Wie ich aus sicherer Quelle weiß, fantasiert | |
speziell die progressive Linke nach dem fünften Bier am liebsten darüber, | |
dass jemand „mal dem Martenstein eins aufs Maul hauen sollte“, weil er dies | |
über die Genderforschung und das über Veganismus geschrieben hat. Die Linke | |
haut dem Martenstein dann aber doch nicht aufs Maul, weil er ein harmloser | |
Zausel und sie selbst bekanntlich eine Meute von Maulheld*innen ist. | |
Diesen Martenstein habe ich neulich in freier Wildbahn gesichtet, beim | |
Warten auf einen ICE im Frankfurter Hauptbahnhof. Ich sah ihn schon von | |
Weitem, als ich noch gar nicht wusste, dass das der Martenstein ist. Da | |
stand auf dem überfüllten Bahnsteig, im Abschnitt A für die erste Klasse, | |
felsengleich ein langhaariger Mann in der Menge, beide Arme wie zur Segnung | |
ausgebreitet und genau so, mit abrahamitisch ausladender Geste, das | |
Feuilleton einer großen Tageszeitung studierend. Auf Anhieb konnte ich | |
nicht erkennen, ob es die SZ oder die FAZ war. Wollte ihm aber auch nicht | |
zu nahe treten, ein mögliches Kolumnistengespräch ebenso vermeiden wie ein | |
irritiertes: „Wer sind Sie?“ | |
Also beobachtete ich aus sicherer Entfernung, wie der Kolumnistenfürst mit | |
beneidenswerter Versunkenheit seine Lektüre im Gewimmel fortsetzte, Seite | |
um Seite, hier eine gelungene Formulierung beschmunzelnd, dort eine Meinung | |
kopfschüttelnd missbilligend, und für seine Performance als „öffentlicher | |
Zeitungsleser“ billigend in Kauf nahm, anderen Reisenden in ihrer Eile im | |
Weg zu sein. Ganz widerständiger Charakter, gestrig, ein Künstler halt. | |
Leider verkehrte der ICE mal wieder plötzlich in „umgekehrter | |
Wagenreihung“, sodass der Kolumnist Harald Martenstein genötigt war, hastig | |
seine Zeitung zusammenzufalten und sich auf den letzten Drücker von | |
Abschnitt A zu Abschnitt F zu verfügen. Umgekehrte Wagenreihung! Tolles | |
Kolumnenthema, eigentlich. | |
30 Dec 2022 | |
## AUTOREN | |
Arno Frank | |
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