Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Dokumentarfilm über Anne-Sophie Mutter: Der Weltstar mal nahbar
> Bald feiert die Geigerin Anne-Sophie Mutter ihren 60. Geburtstag. Die
> Dokumentarfilmerin Sigrid Faltin gratuliert mit einem Filmporträt.
Bild: Im Film begegnet Mutter auch Musikerkollegen, hier dem Komponisten John W…
„Am privatesten sind Musiker auf der Bühne“, sagt Anne-Sophie Mutter
ziemlich zu Beginn des Films; alles andere sei trivial. Die Star-Geigerin
ist bekannt dafür, dass sie sich nicht gern über dieses triviale Andere
befragen lässt, weshalb die [1][Dokumentarfilmerin Sigrid Faltin] sich
einen Kunstgriff hat einfallen lassen, um die Porträtierte zum Plaudern zu
bringen: Diese selbst hat aussuchen dürfen, mit welchen Gesprächspartnern
sie im Film zusammentrifft. Das sind ausschließlich Männer, die meisten
Musiker.
[2][Daniel Barenboim] ist darunter, die Komponisten John Williams und Jörg
Widmann sowie der Pianist Lambert Orkis, Mutters Klavierpartner und „best
buddy“, wie sie sagt. Aber auch der Zauberkünstler Steve Cohen ist mit von
der Partie und nicht zuletzt ein [3][weltberühmter Ballzauberer: Roger
Federer]. Mutter outet sich als riesengroßer Federer-Fan; sie habe oft
versucht, erzählt sie, ihre Konzerttourneen analog zu den internationalen
Grand-Slam-Turnieren zu planen.
Ob Federer zuvor schon wusste, wer Anne-Sophie Mutter ist, bleibt unklar;
auf jeden Fall bekennt der Schweizer supersympathisch unbedarft, dass er am
gestrigen Abend in ihrem Konzert mit seinem Handy gefilmt habe, und dann
habe sich sein Nachbar doch glatt von ihm weggesetzt. Mutter ihrerseits
gibt im Gegenzug preis, wie sie den Roger einmal in Wimbledon habe spielen
sehen und so laut gekreischt habe, dass ihre Freunde zu Hause am Fernsehen
sie herausgehört hätten.
Ziemlich sportlich ist die Hochleistungsmusikerin auch selbst, wie man
sieht, als sie dem Filmteam voran zügig die Kitzbüheler Alpen durchwandert,
dabei konstant gute Laune versprühend. Körperliche Fitness sei immens
wichtig in ihrem Job, erklärt sie, und dass sie auf Anraten ihres Bruders
irgendwann ein gezieltes Sportprogramm angefangen habe. Es darf wohl
angenommen werden, dass sie es eisern durchhält.
Welch enorme Disziplin im Leben einer solchen Ausnahmekünstlerin nötig ist,
wird nie direkt thematisiert, scheint aber oft durch. Als Anne-Sophie
Mutters erster Mann, der Rechtsanwalt Detlef Wunderlich, starb, war sie
Anfang dreißig und plötzlich alleinerziehender Weltstar. Aufnahmen aus den
neunziger Jahren zeigen, wie sie kurz vor einem Auftritt mit der kleinen
Tochter telefoniert und sie vertröstet: In der Pause könnten sie länger
miteinander sprechen, aber nun müsse sie leider gehen und sich umziehen.
## Als Kind ohne Freundinnen
Wie ihre eigene Kindheit verlief, zeigt der Film in Archivaufnahmen, in
Gesprächen wird diese Zeit wenig thematisiert. Allerdings heißt die
Künstlerin explizit die Entscheidung ihrer Eltern gut, sie von der
Schulpflicht entbinden und zu Hause unterrichten zu lassen, damit sie sich
voll auf die Geige konzentrieren konnte. Freundinnen, so lassen
Fernseharchivschnipsel wissen, habe die junge Anne-Sophie nicht gehabt;
auch musiziert habe sie zu Hause ausschließlich mit ihren Brüdern.
Mit dem sinnreich geschnittenen Archivmaterial ergänzt Sigrid Faltin die
Gesprächsepisoden, sodass sich insgesamt eine Art kommentierte
Lebenserzählung ergibt. Dabei gibt Anne-Sophie Mutter sich so nahbar und
down-to-earth, dass es nicht leicht ist, dieses Bild mit dem der
unerreichbaren Geigenkünstlerin in Deckung zu bringen, deren perfektes
Lächeln von gefühlt unzähligen Plattencovern strahlt.
Dass eine Frau, die „mega“ sagt wie ein Teenager und Basecap trägt wie eine
amerikanische Touristin, die also scheinbar so normal sein kann wie du und
ich – dass dieser Mensch so megagut Geige spielt, das bleibt auch, oder
erst recht, nach diesem so unterhaltsamen wie informativen Film ein
irgendwie unbegreifliches Phänomen. Ganz ähnlich eben wie beim Roger und
dem Tennis.
28 Mar 2023
## LINKS
[1] /ARD-Doku-uebers-Sterben/!5116568
[2] /Ruecktritt-vom-Daniel-Barenboim/!5907149
[3] /Geschlechter-in-einem-Tennis-Verband/!5678700
## AUTOREN
Katharina Granzin
## TAGS
Dokumentarfilm
Klassische Musik
Geige
Prominente
Klavier
Musik
Dokumentarfilm
Komponist
Filmmusik
## ARTIKEL ZUM THEMA
Doku „Die Alchemie des Klaviers“: Magische Musikmaschine
Musikalisches Roadmovie: Im Dokufilm „Die Alchemie des Klaviers“ kommt
Pianist Francesco Piemontesi den Geheimnissen von Ausnahmetalenten auf die
Spur.
Sir Simon Rattle beim Musikfest Berlin: Mal tief, mal spöttisch
Auf dem Musikfest Berlin verabschiedete sich Simon Rattle als Chefdirigent
des London Symphony Orchestra. Gespielt wurde Mahlers Neunte Sinfonie.
Dokumentarfilm über Ennio Morricone: Stets die Würde bewahrt
Regisseur Giuseppe Tornatore setzt dem Komponisten Ennio Morricone mit
einer Doku ein Denkmal. Seine Hommage ist material- wie lehrreich.
Bruckners Romantische Symphonien: Ein Alpendröhnen
Anton Bruckner nahm in seiner Musik Trends des 20. Jahrhunderts vorweg.
Hören und sehen kann man das in einem kundigen Dokumentarfilm.
Dokumentation „Score“ über Filmmusik: Musik ist was anderes als Schokolade
Die Doku „Score“ ist eine narzisstische Werkschau einiger KünstlerInnen.
Gern würde man mehr über die Geschichte der Filmmusik wissen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.