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# taz.de -- Verhandlungen von Kosovo und Serbien: Den Weg in die EU ebnen
> Der Serbe Vučić und der Kosovare Kurti treffen sich am Samstag erneut. Es
> geht um ein Abkommen zur Normalisierung der Beziehungen.
Bild: Kosovos Premier Albin Kurti im Februar in Brüssel
Sarajevo taz | Wenn am 18. März in der nordmazedonischen Stadt Ohrid die
Regierungschefs des Kosovo und Serbiens wieder zusammentreffen, erhoffen
sich die Vermittler der EU und USA endlich einen Durchbruch bei den
Verhandlungen zwischen beiden Ländern. Das Abkommen zur Normalisierung der
Beziehungen soll beiden Seiten den Weg in die EU öffnen. Der Westen erhofft
sich zudem, den vor allem in Serbien nicht unbeträchtlichen Einfluss
Russlands auf dem Balkan zu begrenzen. Vor der Unterzeichnung soll es aber
auch eine Einigung über Umsetzungsregeln geben.
Als der serbische Präsident, Aleksandar Vučić, und der Regierungschef des
Kosovo, Albin Kurti, [1][am 27. Februar die von der EU und den USA
vermittelten Gespräche in Brüssel abbrachen], bedeutete dies nach Ansicht
der Brüsseler Diplomaten keineswegs das Scheitern der Verhandlungen. Laut
dem EU-Außenbeauftragten Josep Borrell gab es weitreichende Fortschritte.
So hätten sich Vučić und Kurti darauf verständigt, den 11 Punkte
umfassenden Plan im Prinzip zu akzeptieren.
Schon kurz nach der Rückkehr nach Belgrad Ende Februar erklärte Vučić
jedoch, er könne den Vertrag nicht unterschreiben. Dagegen betonte der
kosovarische Ministerpräsident, er hätte das Abkommen, so wie es ist, schon
in Brüssel unterzeichnet. Das ursprünglich von Frankreich und Deutschland
vorgeschlagene und jetzt von allen 27 Mitgliedstaaten unterstützte Dokument
ist in beiden Ländern umstritten, vor allem aber in Serbien. Denn für
Serbien ist die diplomatische Anerkennung der einstmaligen „autonomen
Region Kosovo“, die sich 2008 mit der Unabhängigkeitserklärung endgültig
von Serbien lossagte, ein No-Go, die Mitgliedschaft des Kosovo in
internationalen Organisationen, vor allem der UNO, ein rotes Tuch. Sollte
Vučić das erlauben, würde er wohl gestürzt werden, vermuten politische
Beobachter und diplomatische Quellen.
## Der deutsch-deutsche Grundlagenvertrag als Vorlage
Frankreich, Deutschland und die USA, jetzt auch Italien, wollen mit ihrer
Initiative jedoch die Blockaden beider Seiten brechen. Sie sehen den
deutsch-deutschen Grundlagenvertrag als Blaupause an. Dieser erlaubte es
1971 der DDR und der BRD, Gespräche zu führen und Vereinbarungen zu
treffen, ohne sich gegenseitig diplomatisch anzuerkennen.
In dem Abkommen heißt es, Serbien und der Kosovo werden normale,
gutnachbarschaftliche Beziehungen zueinander entwickeln, die auf gleichen
Rechten basieren. Serbien, das noch vor wenigen Wochen [2][Panzer seiner
Armee an der Grenze zum Kosovo] aufstellen ließ, verpflichtet sich
immerhin, „keine Gewalt anzuwenden, um einen Streit beizulegen“. Im ersten
Artikel des Textes steht, dass beide Parteien ihre jeweiligen Dokumente und
nationalen Symbole, einschließlich Pässe, Diplome, Nummernschilder und
Zollstempel, gegenseitig anerkennen. Serbien hat in den letzten Jahren
strikt abgelehnt, offizielle Dokumente des Kosovos zu akzeptieren.
Serbien soll nach dem Willen der EU die Mitgliedschaft des Kosovos in
internationalen Organisationen einschließlich der Vereinten Nationen
zugestehen. Der Kosovo soll andererseits der Gründung eines seit zehn
Jahren umstrittenen „Verbundes der serbischen Gemeinden“ im Kosovo
zustimmen, der nach dem Willen Belgrads weitgehende Befugnisse erhalten
soll, die über eine Selbstverwaltung der Gemeinden hinausgehen.
Beiden Seiten werden Zugeständnisse bei Positionen abverlangt, die bisher
mit allen Mitteln verteidigt wurden. In den nächsten Tagen werden wohl
viele Diskussionen in beiden Hauptstädten stattfinden.
## Symbolische Politiker in beiden Ländern
Aleksandar Vučić hat sich schon während der Jugoslawienkriege vor 30 Jahren
als ein glühender Propagandist des serbischen Nationalismus unter dem
damaligen serbischen Präsidenten Slobodan Milošević hervorgetan. Für ihn
ist der Kosovo nach wie vor eine serbische Provinz, die nach Serbien
zurückmuss. Er hat mit Unterstützung Russlands und Chinas die Integration
des Landes in die UN und andere internationale Organisationen verhindert,
will jetzt aber auch Serbien in die EU führen.
Albin Kurti dagegen war Mitte der 90er Jahre ein gewaltfreier
Studentenaktivist im Widerstand gegen die serbische Herrschaft, wurde 1999
von der serbischen Polizei verhaftet und kam erst nach der Befreiung des
Kosovos und einer Amnestie 2001 wieder frei. Seit der Unabhängigkeit des
Kosovos 2008 hat Kurti gegen alle Widerstände die progressive, eher linke
Partei Vetëvendosje! (Sebstbestimmung) aufgebaut und die letzten Wahlen
überzeugend gewonnen. Kurti tritt für die vollständige Selbstbestimmung
seines Landes ein und ist für die Gleichberechtigung aller Bürger, egal
welcher Nation.
Kurti soll jetzt über seinen Schatten springen. Laut Quellen aus Prishtina,
der Hauptstadt des Kosovos, haben die USA und auch die EU sehr starken
Druck auf das Kosovo ausgeübt. Seit Jahren fordern serbische Politiker von
der internationalen Gemeinschaft, der serbischen Minderheit im Kosovo, die
rund 6 Prozent der Bevölkerung umfasst, einen eigenen Gemeindeverbund mit
rund 20 Prozent der Landfläche zu erlauben, der unabhängig vom Parlament in
Prishtina politisch agieren soll. Damit hätte der autoritär regierende
Vučić einen direkten Zugriff auf die verstreut liegenden Siedlungsgebiete
der Serben und könnte die Entwicklung des Kosovo nachhaltig stören, wie es
die serbische Teilrepublik in Bosnien und Herzegowina tut.
Genau das wollen Kurti und die Seinen bisher verhindern. Sie verweisen auf
die Verfassung des Kosovo, in der den serbischen Gemeinden ohnehin
weitgehende Selbstverwaltungsrechte zugestanden worden sind – vergleichbar
mit jenen der Schweden in Finnland und denen der Südtiroler in Italien.
Kurti erklärt denn auch, der Status der Minderheiten im Kosovo sei durch
alle Abkommen des Europarates und der EU gedeckt. [3][Andere Minderheiten
wie Bosniaken und Roma sähen sich gegenüber den Serben im Hintertreffen].
Die serbischen Forderungen würden die Gesellschaft im Kosovo weiter
ethnisch trennen, anstatt sie zu demokratisieren, kritisiert Kurti.
17 Mar 2023
## LINKS
[1] /Vertrag-zwischen-Serbien-und-Kosovo/!5915861
[2] /Konflikt-zwischen-Serbien-und-Kosovo/!5913455
[3] /15-Jahre-unabhaengiges-Kosovo/!5912344
## AUTOREN
Erich Rathfelder
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