# taz.de -- Erzrivalen Iran und Saudi-Arabien: Im Nahen Osten bewegt sich was | |
> Teheran und Riad nähern sich an. Die Entwicklung hat das Potenzial, | |
> etliche Konflikte zu entschärfen – und den Jemenkrieg sogar endgültig zu | |
> beenden. | |
Bild: Freitag in Peking: die Sicherheitsberater Irans und Saudi-Arabiens mit Ch… | |
KAIRO taz | Es ist ein bedeutender Deal: Der Iran und Saudi Arabien – neben | |
der Türkei die einflussreichsten Mächte in der Nahostregion – haben am | |
Freitag verkündet, [1][wieder diplomatische Beziehungen aufzunehmen]. Der | |
Schritt kann weitreichende Auswirkungen haben, denn die Rivalität zwischen | |
beiden Ländern ist die Grundlage zahlreicher Konflikte, vom Jemen über den | |
Irak und Libanon bis zu Syrien. | |
Der Iran und Saudi-Arabien wollen innerhalb von zwei Monaten ihre | |
Botschaften im jeweils anderen Land wieder eröffnen. Außerdem heißt es, | |
dass die Handelsbeziehungen wieder aufgenommen werden. Vielleicht am | |
wichtigsten hinsichtlich der Konflikte in der Region ist schließlich, dass | |
es auch eine Sicherheitskooperation geben soll. Wie diese allerdings im | |
Detail aussehen soll, ist nicht ausgeführt. | |
Unklar bleibt auch, welche Zugeständnisse beide Länder bei den | |
Verhandlungen unter chinesischer Vermittlung gemacht haben, um den Deal zu | |
ermöglichen. In vielerlei Hinsicht wirft die Ankündigung von Freitag also | |
mehr Fragen auf, als sie beantwortet. | |
Beide Staaten hatten 2016 ihre diplomatischen Beziehungen abgebrochen. | |
Erzrivalen um die Vorherrschaft in der Region sind sie aber schon viel | |
länger. Die Rivalität hat die Nahostregion vor allem in den letzten zwei | |
Jahrzehnten geprägt. Durch sie sind viele Konflikte neu entstanden, andere | |
nicht gelöst worden. | |
## Neue Weltordnung | |
Auf den ersten Blick ist die Annäherung ein Schritt, der vieles entschärfen | |
könnte. Wäre der Deal nicht unter Vermittlung von Peking, sondern in | |
Washington oder einer europäischen Hauptstadt zustande gekommen, wären die | |
westlichen Medien wahrscheinlich heiß gelaufen. | |
Ein derart wichtiges Abkommen, geschlossen im fernen Peking, ist auch ein | |
Zeichen, dass die internationale Weltordnung sich verändert – anders als | |
die Medien, die immer noch der alten Weltordnung verhaftet sind, in der | |
sich bisher nur die USA und Europa als vermeintlich ehrliche Makler | |
vermarktet haben. | |
Beide haben diese Rolle in der Nahostregion verloren. Aufgrund ihrer | |
schlechten Beziehungen zum Iran und der Tatsache, dass Saudi-Arabien einer | |
der wichtigsten Bündnispartner der USA in der Region ist, konnten die USA | |
und Europa im iranisch-saudischen Konflikt nicht als Vermittler auftreten. | |
Das hat China jetzt ausgenutzt. Peking hat in seinem Streben gepunktet, | |
seine Rolle in der Region zu vergrößern. China ist an Stabilität in der | |
Region interessiert, vor allem, um den eigenen Öl- und Gasnachschub zu | |
sichern. | |
Unglücklich über die Entwicklung dürfte man aber weder in den USA noch in | |
Europa sein. Denn halbwegs funktionierende Beziehungen zwischen Teheran und | |
Riad könnten sich als wichtiger Faktor für eine Stabilisierung der | |
Nahostregion erweisen. In dieser Hinsicht ist die Schnittmenge an | |
Interessen zwischen China, den USA und Europa groß. | |
Und auch die internationale Energiewirtschaft dürfte aufatmen. Noch im | |
September 2019 hatten [2][Angriffe auf saudische Ölanlagen] mit vermutlich | |
iranischen Drohnen die Ölökonomie in Schock versetzt. Saudi-Arabien musste | |
über Nacht seine Ölproduktion auf die Hälfte zurückfahren. Damit hatte der | |
globale Ölmarkt fünf Prozent der Versorgung mit dem schwarzen Gold | |
verloren. Derartige Angriffe dürften jetzt der Vergangenheit angehören. | |
## Exit-Strategie für den Jemen | |
Der erste Konflikt in der Region, der durch die Annährung entschärft und | |
vielleicht sogar gelöst werden könnte, ist der [3][Krieg im Jemen], der | |
seit acht Jahren andauert. Iran unterstützt die Huthi-Rebellen, | |
Saudi-Arabien ist aufseiten der jemenitischen Regierung direkt in den Krieg | |
involviert. | |
Es gab in den letzten Jahren immer wieder Friedens- und | |
Waffenstillstandsgespräche. Seit 2021 haben auch der Iran und Saudi-Arabien | |
direkt miteinander verhandelt, im Irak sowie in Oman – stets ohne greifbare | |
Ergebnisse. Es dürfte bei diesen Treffen aber Vorarbeit für den jetzigen | |
Deal in Peking geleistet worden sein. | |
Vielleicht kann dieser Konflikt, den die UNO als die größte von Menschen | |
gemachte humanitäre Katastrophe bezeichnet, endgültig beendet werden, wenn | |
sich die beiden Hauptsponsoren dieses Krieges ernsthaft zusammensetzen. | |
Möglicherweise haben beide Seiten verstanden, dass militärisch nichts mehr | |
zu holen ist und beide nach einer Exit-Strategie suchen. Wie es im Jemen | |
weitergeht, könnte bereits in einem der nicht veröffentlichten Teile des | |
Pekinger Abkommens festgehalten sein. | |
## Selbstbedienungsladen Irak | |
Das zweite Konfliktfeld ist der Irak. In Bagdad bestimmen seit Jahren | |
schiitische Parteien das politische Geschehen, die vom Iran unterstützt | |
werden. Aber der Unmut im Land über den iranischen Griff wird immer lauter, | |
selbst in schiitischen Kreisen und vor allem unter jüngeren Irakern und | |
Irakerinnen. Das Land ist zu einem Selbstbedienungsladen der schiitischen | |
Parteien und ihrer Milizen verkommen. Politische Machtkämpfe haben es | |
paralysiert. | |
Saudi-Arabien hat dagegen Einfluss auf den sunnitischen Teil des Landes. | |
Nun muss man sehen, wie sich die iranisch-saudische Annäherung hier | |
manifestiert und vielleicht auch für Entspannung sorgt. Für das Regime in | |
Teheran allerdings bleibt der Einfluss im Irak zentral. | |
Ähnliches gilt für den Libanon, in dem die [4][vom Iran unterstützte | |
Hisbollah] als Staat im Staate agiert, während Saudi-Arabien mit Hilfe der | |
Sunniten des Landes und der [5][Hariri-Polit-Dynastie] immer wieder | |
versucht hat, den iranischen Einfluss einzudämmen – bisher erfolglos. | |
Doch auch hier wird Teheran sich nicht einfach das Instrument Hisbollah aus | |
der Hand nehmen lassen. Aber vielleicht könnte sich die Schiiten-Partei | |
gegenüber anderen politischen Kräften kompromissbereiter geben, ohne seine | |
Vormachtstellung aufzugeben. | |
Schließlich bleibt noch Syrien. Vor allem seit dem Erdbeben im Februar | |
haben einige arabische Staaten versucht, die Gunst der Stunde zu nutzen und | |
ihre [6][Beziehungen zum Regime von Baschar al-Assad] zu normalisieren. | |
Einige Staaten, wie die Vereinigten Arabischen Emirate hatten bereits zuvor | |
ihre Botschaften in Damaskus wieder eröffnet. Die Mitgliedschaft Syriens in | |
der Arabischen Liga bleibt jedoch suspendiert. | |
Der Iran zählt neben Russland zu den wichtigsten Unterstützern Assads. Aus | |
diesem Grund hat sich Saudi-Arabien bislang jeder Normalisierung mit | |
Damaskus entgegengestellt. Auch hier könnte es also Bewegung geben. | |
12 Mar 2023 | |
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## AUTOREN | |
Karim El-Gawhary | |
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