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# taz.de -- Nachtzug nach Kroatien: 18 Stunden ohne Knödel
> Unschlagbar günstig reist es sich im tschechischen RegioJet von Prag bis
> ins kroatische Rijeka. Eine gute Portion Nostalgie inklusive.
Bild: Ankunft 10.20 Uhr in Rijeka – mit guten Erinnerungen an die Reise
Rijeka taz | Es gibt zwei Wege, um von Berlin mit dem Nachtzug in die
kroatische Industrie- und Hafenstadt Rijeka zu gelangen. Einer führt über
München und wurde in dieser Reihe [1][bereits am 29. November getestet].
Der andere führt über Prag – und damit reist man ausnahmsweise mal nicht
mit dem Megaplayer des mitteleuropäischen Nachtzugmarktes, [2][dem
österreichischen ÖBB Nightjet], gen Süden; sondern [3][mit dem RegioJet],
einem privaten Bahnunternehmen mit Sitz in Brünn. Das dauert zwar länger,
ist dafür aber viel preiswerter. Bei unserer Reise im September kostet die
Fahrt im Privatabteil für mich und meine Freundin nur 132 Euro – zusammen.
Los geht es zur nachtzuguntypischen Abfahrtszeit 16:38 Uhr am Prager
Hauptbahnhof, erst vorbei an böhmischen Dörfern, dann an mährischen, mit
mehreren Zwischenstopps. Gegen Abend entdecken wir unter unserer Sitzbank
einen langen, schmalen Tisch, den man unterm Fenster einhängen kann wie ein
Bügelbrett.
In einigen Nachbarabteilen werden darauf üppigste Picknicksituationen
ausgebreitet, von Salaten bis Frikadellen ist alles dabei. Wir essen, was
wir bei der Ticketbuchung vorbestellt hatten: Zwei kleine Packungen Sushi
und zwei Salate; der eine Caesar's, der andere mit Rote Bete und
Ziegenkäse. Alles wirklich lecker und mit insgesamt 12 Euro sehr billig,
nur in recht viel Plastik verpackt.
## Perfekt unperfekt
Den [4][unter] [5][Journalisten] [6][extrem] [7][beliebten]
[8][tschechischen] Speisewagen mit Knödelküche bietet der Regiojet hingegen
leider nicht. Auf der Zugspeisekarte stehen Dinge wie Bulgur mit Hühnchen –
alle Gerichte sind warm, fleischlastig und kosten gerade mal um die 2,50
Euro. Dazu gibt es Halbliterbiere für 1 Euro, Weinfläschchen für 2 Euro,
Kuchenstücke für 40 Cent. Serviert wird am Platz.
So günstig wie alles ist, können wir uns über den teilweise eingeschränkten
Komfort nicht beschweren. Von den beiden Toiletten im Wagen ging leider nur
eine. Die Steckdose in unserem Abteil ist defekt (und anscheinend auch in
anderen, denn Handys werden im Gang zum Laden hingelegt). Und lange Zeit
bläst eine kalte Lüftung auf Hochbetrieb in unserem Abteil – bis unser
Zugbegleiter, der zwar mit etwas schlechter Laune, aber hochkonzentriert
ganz allein den Betrieb für den kompletten Wagen regelt, das Problem
behebt.
Generell sind die Wagen nicht mehr die jüngsten und entsprechend rustikal –
im Gang lassen sich sogar die Fenster öffnen, was unsere tschechischen
Mitreisenden nachts gern zum Rauchen nutzen. Alles atmet ein nostalgisches
Flair aus einer Zeit, als man noch mit dem „D-Zug“ fuhr.
## Atemberaubende Adria-Aussichten
Gegen 21.30 Uhr erreicht unser Nachtzug dann Bratislava, verlässt die
Slowakei nach kurzer Zeit aber sofort wieder gen Ungarn. Wir haben
inzwischen unser Sitz- zum Liegeabteil umgebaut, trotzen dem nur
mittelzuverlässigen Zug-WLAN noch die „Tagesschau“ ab, und danach schlafen
wir. Und das nicht mal schlecht, bis uns um 4 Uhr früh die Grenzpolizei
weckt. Zur Passkontrolle. Dank [9][Kroatiens Beitritt zum Schengenraum]
wird es das nun hoffentlich nicht mehr geben.
Als wir das zweite Mal aufwachen, war es draußen bereits hell und unser Zug
zuckelt durchs kroatische Hinterland. Es geht vorbei an
Kleinstadtbahnhöfen, vor denen die jeweiligen Stationsvorsteher warten wie
in einem anderen Jahrhundert. Als Frühstück gibt es aber leider nur ein
trauriges trockenes Teilchen, laut Speisekarte soll es auch kostenlosen
Illy-Espresso im Zug geben, aber a) erst ab 8.30 Uhr und b) nicht mehr
hinter Ogulin, was etwas seltsam ist, weil wir schon um 8.12 Uhr in Ogulin
halten.
Die letzte Stunde ist dann spektakulär, wir fahren (unerwarteterweise) von
Südosten auf Rijeka zu, in einem langen Bogen die Adria entlang und hoch
genug für grandiose Aussichten. Nach fast 18 Stunden Fahrtzeit erreichen
wir schließlich um 10.20 Uhr unser Ziel. Es war eine schöne Fahrt!
5 Mar 2023
## LINKS
[1] /Unterwegs-mit-dem-Nachtzug/!5887713
[2] /!s=%25C3%25B6bb+nightjet/
[3] https://regiojet.de/
[4] /Kolumne-Ich-meld-mich/!5028695
[5] https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/im-knodelexpress-gen-prag-4030681.…
[6] https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/im-zug-von-berlin-nach-prag-fuehlt-m…
[7] https://www.berliner-zeitung.de/wochenende/mit-der-bahn-von-berlin-nach-pra…
[8] /Zugreisen-in-Osteuropa/!5874008
[9] /Kroatien-tritt-Schengen-Raum-bei/!5897148
## AUTOREN
Michael Brake
## TAGS
Serie Nachtzugkritik
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Kroatien
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Serie Nachtzugkritik
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