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# taz.de -- Die Wahrheit: Busenleselupen
> Tagebuch einer Brustistin: Schwimmen im Badeparadies Berlin, der
> Hauptstadt der Wasser- und Leseratten, ist jetzt allen oben ohne erlaubt.
Bild: Alle scheinen ständig damit zu rechnen, dass irgendwas hochgeht
Gerade erst sind Frauentag und Equal Pay Day überstanden, da gibt es
Nachrichten von der Berliner Senatsverwaltung für Justiz und
Antidiskriminierung. Im Fall einer Frau, die wegen ihres unverhüllten
Busens eines Freibades verwiesen wurde und daraufhin die Ombudsstelle
anrief, wurde verkündet: Ab sofort gelte in hiesigen Bädern
Geschlechtergerechtigkeit. Schwimmen mit entblößtem Oberkörper sei nun auch
für weibliche Personen beziehungsweise Personen „mit weiblich gelesener
Brust“ möglich.
Besitzerinnen eines Berliner Busens dürfen diesen jetzt unsanktioniert
einer Freibad-Leserschaft präsentieren und sich dabei glücklich schätzen,
dass im Urteil von der weiblich „gelesenen“ und nicht, wie in einer anderen
beliebten Redewendung, von der „gefühlt“ weiblichen Brust die Rede ist. Die
potenziellen Verheerungen mit anschließender Prozessflut mag sich niemand
vorstellen.
In ferner Zukunft wird dann eine KI in knappem Funkverkehrsdialog die
zweifelsfreie Bestimmung der in Frage stehenden Brust übernehmen. Brust:
„Do you read me?“ – KI: „Copy. You’re female!“
Bis es so weit ist, muss wohl noch das zur Einhaltung der neuen
Badebestimmungen zuständige Personal im analogen Brustlesen geschult
werden. Seit der Justizverlautbarung geht es mir wie dem Helden im Film
„Sixth Sense“, nur sehe ich statt „dead people“ Bademeister, die sich m…
Leselupen über Brüste beugen, ein nicht unbedingt beruhigender Anblick.
Auch die Berliner Tourismusbranche arbeitet schon an der Kampagne für einen
internationalen Brustlesewettbewerb, dessen Teilnehmerzahlen nach
vorsichtigen Schätzungen die des Marathons übertreffen könnten. Hallooo,
Oktoberfest? Du wirst demnächst total abgehängt mit deinem überdeutlichen
Dirndl-Dekolleté, dem Langweilerformat der Brustliteratur! Hier nämlich, im
Badeparadies Berlin, Hauptstadt der Wasser- und Leseratten, herrscht echte
Vielfalt vom komplizierten Roman über einfache Thriller bis zur Short
Story!
Während ich neulich innerlich um Erlösung flehend durch die Fußgängerzone
hastete, drängte mir ein Mann hartnäckig eine Zeitung auf; glücklicherweise
las ich das als ein Zeichen und schmiss sie nicht weg, denn wie sich
herausstellte, handelte es sich um das Hausblatt des „Vereins zur Erhaltung
der deutschen Sprache“.
In der Hoffnung auf Orientierung erfuhr ich, dass neben zahlreichen anderen
um Sprache und Gesellschaft verdienten Personen auch Waldemar Hartmann dort
Mitglied ist, einigen möglicherweise noch von der Frankreich-WM mit „Guten
Abend, meine Damen und Herren – und bonne noir“ in Erinnerung. Mit dabei
ist außerdem Eduard Ernst-August Prinz von Anhalt (Oberhaupt der Askanier),
der sich zu seinem Sprachauftrag äußerte: „Als Adeliger hat man heute eine
gewisse historische Verpflichtung.“
Aha. Whatever, ich geh dann statt Brust mal ein Buch lesen. Bonne noir.
16 Mar 2023
## AUTOREN
Pia Frankenberg
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