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# taz.de -- Die Wahrheit: Ich bin ein Bier
> Tagebuch einer Enthüllerin: Namen prägen von Kindeszeiten an. Wer einen
> seltenen hat, muss mit dem Spott manchmal leben.
Die erste Chance, das Leben von Kindern zu verheeren, bietet sich bereits
bei der Namensgebung. Wenigstens kann ich meinen Erzeugern zugute halten,
dass sie mir mit einem unmöglich abzukürzenden Three Letter Word das
Schicksal ersparten, mein Leben lang auf Moni, Geli oder Ulli hören zu
müssen.
Heutzutage heißen die Sprösslinge Theodor und Emilie, und die Welt darf
sich beim Warten in der Supermarktschlange das ganze von Mama oder Papa
ausbuchstabierte Elend anhören, einem knappen „Emmi“ oder „Theo“ würd…
der gewünschte Hauch der Bourgeoisie fehlen. Meine Eltern waren also im
Prinzip auf dem richtigen Weg, rechneten allerdings nicht mit der
Entschlossenheit ihrer Mitmenschen. Die erste Begegnung mit einem lustigen
Namensverhunzer hatte ich auf der Dorfkirmes. „Ey, wo iss’n bei dir der
Hahn?“, plärrte mich ein pickeliger Jüngling an und löste die begreifliche
Verwirrung auch gleich auf: „Ich dachte, du heißt Bier!“ Ich: „Hä?“
Pickelgesicht: „Na, Bier! Fass …? Hahn?!!“
Damit ging es los. Bis dahin war ich als bekennende Atheistin höchstens mal
als „Fromme“ (lat. pius, vulgo: pia) beleidigt worden, doch Jahrzehnte
später sollte Pickelgesicht einen späten Triumph feiern. Am Bauzaun, der
den neuen Biergarten in meiner Nachbarschaft ankündigte, prangte groß mein
Name zwischen „Beer“, „Pivo“, „Cerveca“ und „Birra“; die Google…
enthüllte, dass ich „Bier“ auf Polynesisch heiße.
Auch bei deutschen Unternehmen bin ich beliebt. Vor Jahren dichtete die
Telekom: „Pia sagt sehr schöne Sätze für nur 6 Cent in alle Netze.“ Dama…
nahm ich aus Mangel an Namensschwestern solche Ansprache persönlich, ich
überlegte panisch, was ich diesen Netzen anvertraut haben könnte, und im
Geheimen rechne ich immer noch mit Enthüllungen vom Potenzial einer
Harry-und-Meghan-Story.
Eine Weile lang hörte ich auf „Pakistan International Airlines“, so
jedenfalls taufte mich einst liebevoll ein langjähriger Lebensgefährte. Ein
Freund aus dem fernen Sauerland berichtete mir vom Fahrkartenautomaten auf
dem Mendener Hauptbahnhof, der als „Persönlicher Informationsassistent“ der
Bahn auf den Namen PIA hört. Ich betrachtete gerade sein Beweisfoto, als
auf dem Platz vor meinem Haus die Hölle losbrach. Jemand brüllte in ein
Megafon: „Wer ist PiA? Und wofür demonstriert sie eigentlich?“ Ja, wofür?
Die Antwort fand ich im Netz. „Sie ist kein kleines nettes Mädchen, sondern
Psychotherapeut*in in Ausbildung.“
Auch ich bin weder klein noch nett und als Therapeutin eine Fehlbesetzung;
ich betreibe als PiA auch keine „Physik im Advent“ und arbeite nicht bei
der „PIA Group“, obwohl ich bestimmt „auf Customer Centricity setzen“ u…
„mit integrierten Spezialisten-Teams Experiences über alle Touchpoints
hinweg entwickeln“ könnte. Aber hier mein Vorschlag zur Güte: „Pia –
Perfect in all aspects“.
22 Dec 2022
## AUTOREN
Pia Frankenberg
## TAGS
Kolumne Die Wahrheit
Vornamen
Kinder
Bier
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