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# taz.de -- Überlebenskampf der Frauenfußballklubs: Arm, aber schlau
> Die SGS Essen kämpft im DFB-Pokalviertelfinale gegen RB Leipzig. Dabei
> geht es auch gegen die Verdrängung reiner Frauenfußballvereine.
Bild: Die Spielerinnen der SGS Essen halten sich trotz übermächtiger Konkurre…
Irgendwann hat Markus Högner für sich erkannt, dass dieser Job am besten zu
ihm passt. Zu ihm als Typ. Aber auch zu ihm als Trainer. Talente aufspüren,
Talente formen – und Talente verlieren. So ungefähr geht der Kreislauf, dem
sich der Chefcoach der SGS Essen seit 2010 – mit einer dreijährigen
Unterbrechung – voller Überzeugung verschrieben hat. Auch dank des
55-Jährigen ist der beste Ausbildungsbetrieb der Frauen-Bundesliga einfach
nicht unterzukriegen. [1][Doch der Überlebenskampf wird zunehmend
schwieriger.]
Wenn der Erstligist Essen im DFB-Pokalviertelfinale beim
Zweitliga-Tabellenführer RB Leipzig (Dienstag 18 Uhr) antritt, steht diese
Konstellation exemplarisch [2][für die Verdrängungsprozesse]. Sehr
wahrscheinlich wird die Traditionsmarke Turbine Potsdam als Tabellenletzter
am Saisonende durch die Konzern-Fußballerinnen ersetzt. „Sie sind absoluter
Favorit auf den Aufstieg“, sagt Högner. „Dort werden sie sich langfristig
auch etablieren.“ RB Leipzig kegelte im Achtelfinale bereits Eintracht
Frankfurt aus dem Pokal.
Es wäre die nächste starke Marke aus dem Männerfußball, die sich im
Frauenfußball einnistet – und Essen damit der letzte Frauenfußballverein.
DFB-Vizepräsidentin Silke Mammitzsch hat kürzlich erst deutlich gemacht,
„dass es dauerhaft schwer wird für die Nichtlizenzvereine, mitzuhalten“.
Während Männer-Lizenzvereine locker die eine oder andere Million für die
Frauen abzweigen – im Schnitt waren es in der Saison 2020/2021 bereits 1,5
Millionen Euro –, geht die SGS „kein finanzielles Risiko“ ein, wie
Aufsichtsratschef Dirk Rehage betont. Ausgegeben wird nur das, was
eingenommen wird.
Geschäftsführer Florian Zeutschler sieht „eine Zweitklassengesellschaft“,
weil „andere Vereine das Fünf-, Sechs-, Siebenfache zahlen“. Im Nordwesten
der Ruhrmetropole müssen sich die Spielerinnen parallel um eine Ausbildung
kümmern oder arbeiten. Hier spielt nicht nur eines der billigsten, sondern
auch das jüngste Team der Liga. Mitunter stehen mit Torhüterin Sophia
Winkler, Natasha Kowalski, Beke Sterner, Ella Touon, Katharina Piljić und
Laureta Elmazi ein halbes Dutzend 19-Jährige in der Startelf.
## Ausbildungsstätte für Nationalspielerinnen
Högner will für seinen Klub trotzdem nicht schwarzmalen: „Wir können uns
behaupten, wenn wir schlau sind.“ Bessere Bedingungen wie ein neues
Funktionsgebäude oder ein moderner Hybridrasen gehören dazu, denn: „Nur
junge Spielerinnen auszubilden und sie dann abgeben zu müssen, reicht auf
Dauer nicht.“ Zumal in direkter Nachbarschaft Borussia Dortmund zum
Konkurrenten wird, wenn deren Durchmarsch bis nach oben vielleicht schon in
fünf Jahren von Erfolg gekrönt ist. Högner beobachtet den BVB-Aufstieg
dennoch „recht entspannt“, zumal ab 2027 die Liga auch auf 14 oder 16
Vereine aufgestockt werden könnte.
Zahlreiche Vize-Europameisterinnen – [3][von Marina Hegering], Sara
Doorsoun, Lena Oberdorf, Linda Dallmann, Nicole Anyomi bis hin zu Lea
Schüller – sind hier ausgebildet worden, auch die niederländischen
Nationalspielerinnen Jackie Groenen und Dominique Janssen haben in Essen
ihre Lehre absolviert. Eine Auswahl mit Ex-Spielerinnen würde wohl bei der
WM in Australien und Neuseeland (20. Juli bis 20. August) locker ins
Viertelfinale kommen.
2020 kam sein Ensemble bis ins Pokalfinale, ließ sich damals vor leeren
Rängen in Köln erst im Elfmeterschießen vom Seriengewinner Wolfsburg
besiegen. Das diesjährige Finale soll im Rahmen einer „Woche des
Frauenfußballs“ erstmals mehr als 30.000 Zuschauer ins Stadion locken. Doch
damit will sich Högner gar nicht beschäftigen. Leipzig sei zwar „ein gutes
Los“, sagt er, aber auch „eine harte Nuss“.
28 Feb 2023
## LINKS
[1] /Frauen-Bundesliga-im-Fussball/!5606257
[2] /Machtkonzentration-im-Frauenfussball/!5693268
[3] /WM-Nationalspielerin-Marina-Hegering/!5607327
## AUTOREN
Frank Hellmann
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