| # taz.de -- Hilfe für Erdbebenopfer: „Wir wünschen uns mehr“ | |
| > Die Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus sammelt Geldspenden für | |
| > Erdbebenopfer. Der Vorsitzende Dervis Hizarci sagt, dass sei am | |
| > Effektivsten. | |
| Bild: Bittet um Spenden für die Erdbeben-Opfer: Dervis Hizarci, Vorsitzender d… | |
| taz: Herr Hizarci, als Vorsitzender der Kreuzberger Initiative gegen | |
| Antisemitismus (KIgA e.V.) organisieren Sie Hilfe für die [1][Erdbebenopfer | |
| in der Türkei und Syrien.] Was fehlt am meisten? | |
| Dervis Hizarci: Je nachdem wie zugänglich das Gebiet ist, sind die | |
| Herausforderungen sehr unterschiedlich. Es fehlt an medizinischem Material, | |
| an Blutkonserven und Krankentransporten. In den ersten Tagen haben auch | |
| Werkzeuge und schweres Gerät gefehlt, Maschinen wie Bulldozer oder Kräne. | |
| Und dann natürlich Dinge zum Warmhalten, wie Decken und Heizstrahler. Im | |
| Moment ist es dort kälter als in Berlin und hier ist es aktuell ja auch | |
| ziemlich kalt. | |
| [2][KIgA sammelt ausschließlich Geldspenden], was ist der Grund? | |
| Das ist effektiver. Die Transporte mit Decken und Kleidung sind zwei Tage | |
| allein bis zur türkischen Grenze unterwegs. Nach einer unkalkulierbaren | |
| Wartezeit an der Grenze braucht man noch mindestens zwei Tage bis zum | |
| Krisengebiet im Osten der Türkei. Und dann gibt es im Krisengebiet weitere | |
| logistische Herausforderungen: Wer nimmt die Sachmittel an und verteilt | |
| sie? | |
| An wen schickt KIgA die Geldspenden und was passiert damit? | |
| Unsere Partner sind anerkannte Hilfsorganisationen wie Mavikalem und Hayata | |
| Destek oder Support live. Sie waren zum Teil bereits vor dem Erdbeben im | |
| Katastrophengebiet tätig. Sie haben vor Ort Strukturen. | |
| Und wenn vor Ort alles zerstört ist, wo kauft man die benötigten Dinge ein? | |
| Die Türkei war ja bis zum Erdbeben ein funktionierendes kapitalistisches | |
| Land. Und es sind natürlich nicht alle Einkaufszentren zerstört. Die Nähe | |
| ist aus logistischen Gründen wichtig. Ich halte das für effektiver als | |
| Altkleiderspenden, die zudem noch sortiert werden müssen. Es kommt vor, | |
| dass Leute ihren Kleiderschrank entrümpeln. Ich habe gehört, dass sogar | |
| hoch hackige Schuhe abgegeben worden sind. Das hilft niemandem in so einer | |
| Situation. | |
| Es gibt deutliche Appelle, nur gut erhaltende nützliche Kleidungsstücke zu | |
| spenden. Andere Organisationen in Berlin sammeln durchaus weiter | |
| Sachmittel. | |
| Ja, auch in der Schule meines Sohnes ist eine Sammelaktion organisiert | |
| worden. Ein guter Draht zum türkischen Konsulat kann den Transport | |
| erleichtern, aber den haben nicht alle. Die aktuelle Krise in der Türkei | |
| und auch in Syrien macht es besonders schwierig, Hilfe zu organisieren. Die | |
| einen spenden beim Moschee-Dachverband X, andere lieber der ethnischen | |
| Gruppe Y, andere wiederum bevorzugen eine regierungsnahe oder | |
| regierungskritische Organisation. Die Zerrissenheit und Zersplitterung der | |
| Communitys ist groß. | |
| Auch wenn es um Spenden geht? Wie erklären Sie sich das? | |
| Mangelndes Vertrauen und das Wissen um Korruption spielen sicher eine große | |
| Rolle. Aber wenn ich das sage, darf das auf keinen Fall so rüber kommen, | |
| dass man nichts mehr spenden soll. Die Erdbebenopfer brauchen dringend | |
| Hilfe! Sie dürfen nicht weiter Leidtragende sein von Regierungs- und | |
| Regimefehlern, von Korruption und Untreue. Da müssen wir einen Spagat in | |
| der Kommunikation hinbekommen. | |
| Was genau macht KIgA? | |
| [3][Die Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus] ist vor 20 Jahren | |
| entstanden als Reaktion auf den Al-Quaida-Anschlag auf die Synagoge in | |
| Istanbul. Wir haben uns damals solidarisch mit Jüdinnen und Juden in der | |
| Türkei erklärt. Wir machen seitdem in Berlin Workshops gegen | |
| Antisemitismus, Hass und Intoleranz und kooperieren auch immer wieder mit | |
| Organisationen in der Türkei. Mit Minderheitenorganisationen, die auch | |
| oppositionelle Positionen inne haben. | |
| Wie groß ist die Spendenbereitschaft nach dem Erdbeben? | |
| Wir von KIgA machen das in dieser Form das erste Mal. Innerhalb von zwei | |
| Tagen haben wir über Better Place 11.500 Euro gesammelt. Das ist nichts! | |
| Wir wünschen uns mehr. Mein Gefühl ist, Deutschland ist ein bisschen müde | |
| vom Helfen und Spenden seit der Geflüchteten-Krise 2015 und dem | |
| Ukraine-Krieg. | |
| Enttäuscht Sie das? | |
| Das macht mich eher traurig. Wir haben in Deutschland die größte Türkei | |
| stämmige Community außerhalb der Türkei. Wir leben hier seit über 60 | |
| Jahren, ich würde mir mehr direkte Unterstützung und auch symbolische, | |
| politische Gesten wünschen. | |
| Sind Sie auch persönlich betroffen von dem Erdbeben? | |
| Ja, wir haben dort drüben mehrere Todesfälle in der Familie zu beklagen. | |
| Aber bei aller Trauer und allem Schmerz geschehen auch sehr schöne Dinge. | |
| Griechenland war das erste Land, das Soforthilfe geschickt hat. Auch | |
| Armenien und Israel, die wie Griechenland aus türkischer Sicht | |
| „Feindesländer“ sind. Das sind sehr positive Zeichen. Meine Hoffnung ist, | |
| dass die türkische Regierung nun mit den verschwörerischen und destruktiven | |
| Botschaften in Richtung dieser Länder aufhört. Ich hatte Tränen in den | |
| Augen, als griechische Helfer Kinder aus dem Trümmern geholt haben. | |
| Griechische Helfer, die selber weinten und sich umarmten. In diese Richtung | |
| müssen wir unbedingt weitergehen. | |
| 9 Feb 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] /-Erdbeben-in-Syrien-und-der-Tuerkei-/!5914797 | |
| [2] https://www.betterplace.org/de/projects/119338-erdbeben-nothilfe-jetzt-helf… | |
| [3] /Ueber-deutsche-Geschichte-und-Sufismus/!5603413 | |
| ## AUTOREN | |
| Plutonia Plarre | |
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