# taz.de -- Hamburger Rapper Ansu: Er versteht was von Spannung | |
> Ansu liebt 50 Cent und findet es „selbstverständlich“, sich gegen | |
> sexuelle Übergriffe zu engagieren. Ein Treffen unter grauem Himmel. | |
Bild: Rapper Ansu in seinem Stammkiosk | |
Hamburg taz | Freitagvormittag im Lohmühlenpark in Hamburg-St. Georg. Der | |
[1][Himmel ist von grauen Wolken bedeckt, vereinzelte Schauer], auch | |
Sturmböen. Es sind kaum Menschen draußen unterwegs, außer ein paar | |
Schüler:innen, die auf dem angrenzenden Schulhof toben. Im Park, den | |
eine Mauer aus braunen Steinen eingrenzt, steht ein junger Mann, ca. 1,85 | |
Meter groß. | |
Er trägt eine beige Wildlederjacke mit Schafsfell im Nacken, ein kariertes | |
Basecap in derselben Farbe, dazu eine schwarze Anzughose und Lackschuhe im | |
90er-Jahre-Look. Vintage, lässig, aber stilsicher. Das schlechte Wetter | |
beirrt ihn nicht: „Ich mag das, man braucht nur die richtige Kleidung“. | |
Dinge, die Hamburger nun mal sagen. Der junge Mann ist Rapper und nennt | |
sich Ansu, Jahrgang 1997 und aufgewachsen hier in St. Georg. Er steht kurz | |
vor der Veröffentlichung seines ersten Albums „Soul über Ego“: ein | |
Konzept-Album mit einer „Soul“- und einer „Ego“-Seite. | |
Für beide Begriffe hat der 25-Jährige seine ganz eigenen Definitionen: „Ego | |
ist für mich die Seite in einem, die rausgeht, um anderen zu gefallen“, | |
erzählt Ansu. „Da frage ich mich, wie ich immer cool und stabil wirke. Mein | |
Soul-Ich, ist mein echtes Ich, mit Seiten, die andere Leute vielleicht auch | |
komisch finden.“ Diese Ambivalenz zieht sich auch durch die Musik: Ruhiger | |
und nachdenklicher ist die auf der „Soul“-Seite, clubtaugliche und tanzbare | |
Tracks auf „Ego“. | |
## Janusköpfiger Stadtteil | |
Wer das verstehen will, muss sich auch anschauen, wo Ansu herkommt. St. | |
Georg liegt zwischen der Alster und dem Hauptbahnhof. Auf der einen Seite | |
ist das Viertel ein Brennglas für die sozialen Probleme der Stadt, mit | |
offener Drogenszene und Straßenprostitution rund um den Hansaplatz. | |
Auch [2][steht St. Georg seit rund 20 Jahren unter großem | |
Gentrifizierungsdruck]: Viele der gründerzeitlichen Altbauwohnungen sind | |
von Miet- in Eigentumswohnungen umgewandelt worden. Im Supermarkt um die | |
Ecke gibt es nun auch japanisches Wagyu-Steak zu kaufen – 100 Euro das | |
Kilo. | |
Ansu kennt beide St. Georgs, den sozialen Brennpunkt und das neureiche | |
Viertel. Er ist bei seiner deutschen Mutter im Kiez rund um die Lange Reihe | |
aufgewachsen, die schicke Einkaufsstraße parallel zum Alsterufer. Sein | |
Vater, der aus Gambia kommt, lebte in der Nähe des Steindamms, der eher | |
schmuddeligen anderen Haupt- und Einkaufsstraße im Stadtteil. | |
Auch Ansus Beziehung zu seinen beiden Elternteilen könnte nicht | |
unterschiedlicher sein – ein wiederkehrendes Thema auf dem Album: „Meine Ma | |
hat mein Soul immer gepusht“, heißt es im Stück „Ego“ – „von mei’… | |
gab’s kein 'Sorry’ wegen Ego“. | |
[3][Dass Ansu den Lohmühlen-Park als Treffpunkt vorschlägt,] ist schon fast | |
sinnbildlich für seine Vita: Der schmale Grünstreifen verbindet die beiden | |
Teile, die beiden Gesichter des Viertels. Ansu fühlt sich wohl hier, auch | |
bei diesem trüben Wetter. „Dieser Park ist mein Lieblingsort in St. Georg, | |
hier kann man alles machen. Basketball spielen, chillen oder einen Kaffee | |
trinken“, sagt er mit auffällig tiefer Stimme – sein Markenzeichen. Sie | |
verleiht ihm Eindringlichkeit und Gehör, ohne laut werden zu müssen. | |
Als er im Jugendalter mit dem Rappen anfing, war ihm die Wirkung seiner | |
Stimme noch nicht bewusst: „Am Anfang habe ich sogar versucht, mit höherer | |
Stimme zu rappen, bis Cato zu mir meinte, dass ich doch voll die tiefe | |
Stimme habe.“ Cato, das ist Ansus Jugendfreund und Produzent. Die meisten | |
Beats auf „Soul über Ego“ tragen seine Handschrift. Aber nicht zuletzt war | |
er der entscheidende Tippgeber für Ansus Karrierestart: „In meiner Gegend“ | |
war 2020 Ansus erster Song – und ein Volltreffer. | |
Er rappt darin über die Gegensätze in seinem Stadtteil: „In einem Loft | |
werden Zigarren angemacht/Währenddessen wird am Hansaplatz angeschafft“. | |
Der Vortrag ist dabei so langsam, dass gar nicht klar ist: Spricht Ansu | |
noch oder rappt er schon? In Kombination mit dem Sonoren seiner Stimme | |
verleiht das Ansus Aussagen noch mehr Gewicht. Das [4][Video zu dem Song] | |
wurde 1,5 Millionen Mal angeschaut. | |
Mittlerweile haben wieder Regenschauer eingesetzt. Ansu schlägt vor, sich | |
in ein Café auf der Langen Reihe zu setzen, in welches weiß er aber nicht | |
so genau. Er selbst wohnt in der Nähe, in einer Seitenstraße, spricht aber | |
davon, wegziehen zu wollen: „Irgendwie ist mir das hier alles zu posh | |
geworden“, sagt Ansu nachdenklich. „Man kriegt von den Leuten hier den | |
Vibe, als wäre man ein Fremder.“ | |
## Anzug unter der Jacke | |
An diesem Freitagvormittag bleibt er die meiste Zeit in seinem „Soul“-Ich: | |
Er lässt sich Zeit, wenn er antwortet. Er gibt sich bescheiden. Aber das | |
„Ego“ blitzt immer mal wieder auf: Begeistert spricht er über seinen | |
Lieblingskollegen, den US-Rapper 50 Cent. Und bekommt große Augen, wenn er | |
von James-Brown-Auftritten erzählt, auch wenn er sich die nur im Internet | |
ansehen kann. | |
„Der Typ war einfach ein Tier auf der Bühne, mit seiner Energie und wie er | |
seine ganze Band live eingezählt hat.“ Bei seinem eigenen Konzert, Anfang | |
Februar in Hamburg, standen Ansu und seine Entourage in Anzügen auf der | |
Bühne – ein wenig James Brown, der „Godfather of Soul“, und seine Band. | |
Im Café angekommen, zieht Ansu seine weite, dicke Jacke aus – darunter | |
trägt er wieder einen Anzug. Das Performative ist ihm wichtig, der | |
Auftritt, wie er wahrgenommen wird – das also, was er „Ego“ nennt. Es sei | |
ja „nichts Schlechtes und gehört zu Menschen dazu. Aber es sollte nicht die | |
Oberhand nehmen und immer hinter 'Soul’ stehen“. | |
Vielleicht deswegen ist „Soul“ die A- und „Ego“ die B-Seite des Albums.… | |
Songs auf dieser zweiten Seite fußen überwiegend auf düsteren Beats mit | |
dichten 808-Drums und schleppenden Rhythmen. Im zeitgenössischen Trap-Sound | |
gibt Ansu da den Draufgänger. | |
## Drang, was zu verändern | |
„Yeah, sag’ zum Türsteher ungerne 'Hallo’“, heißt es [5][im Track | |
„Sandmann“], denn all seine – es folgt ein heute als höchst problematisch | |
angesehenes N-Wort – seien da früher nicht reingekommen. „Komm’ aus’m … | |
mit Mittelfinger, wünsch’ ’n schön’n Abend, warum bist du gereizt?“ | |
Ansu will nach dem Café noch schnell bei seinem Stammkiosk vorbeischauen. | |
Auf dem Weg spricht er über die Kampagne [6][„irgendwasmussichveraendern“], | |
die er mit Freunden ins Leben gerufen hat: Ein Vorstoß, sexuelle Übergriffe | |
bei Hip-Hop-Events zu verhindern, sichere Räume einzurichten. „Ich verstehe | |
nicht, wieso ich so oft darauf angesprochen werde. Es sollte | |
selbstverständlich sein, dass man was dagegen tut.“ | |
Sein Drang, etwas zu verändern, ist groß. „Soul über Ego“ ist ein | |
ambitioniertes Projekt, das vor allem thematisch viel will: Da geht es um | |
Liebe, Familie, Trauer, Frust, Verlustangst, Geld, und das bei einer | |
auffallend kurzen Spielzeit von nur rund 30 Minuten. Man kann nur hoffen, | |
dass er sich bei seinem Debütalbum nicht übernimmt. | |
Wieder raus aus dem Kiosk, der Regen ist stärker geworden. Ansu hat es | |
jetzt eilig: „Ich muss noch zu einem Termin“, sagt er. Und steigt in den | |
nächsten Bus – raus aus St. Georg. | |
„Soul über Ego“ erscheint am 3. März. Infos: | |
[7][www.instagram.com/ansu.097] | |
26 Feb 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Wassermanagement-in-der-Stadt/!5905389 | |
[2] /Gentrifizierung-in-Hamburg/!5863651 | |
[3] /Streit-um-Hamburger-Lohmuehlenpark/!5763490 | |
[4] https://www.youtube.com/watch?v=D65UfxXA6SY | |
[5] https://www.youtube.com/watch?v=7zR0py3NdGw | |
[6] https://linktr.ee/safespaceclub | |
[7] http://www.instagram.com/ansu.097 | |
## AUTOREN | |
Victor Efevberha | |
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