# taz.de -- Israels Regierung und der Ukraine-Krieg: Von moralischen Bedenken k… | |
> Empathie für das ukrainische Leid ist bei der israelischen Regierung | |
> nicht erkennbar. Sie fühlt sich Putin näher und bleibt bei | |
> Mehrdeutigkeiten. | |
Bild: Empathie für das ukrainische Leid ist weder bei Netanjahu noch bei seine… | |
Bei dem [1][deutschen Zögern, Angriffspanzern an die Ukraine zu liefern], | |
spielen einerseits klare pragmatische Interessen eine Rolle. Niemand möchte | |
Europa in einen Krieg ziehen, außerdem gibt es wirtschaftliche | |
Überlegungen. Umgekehrt liegen auch der Entscheidung für die | |
Panzerlieferung klare Interessen zugrunde. Da ist das Bündnis mit den USA, | |
die Verpflichtungen als Nato-Mitgliedstaat, die Stellung Deutschlands | |
innerhalb Europas und mehr. All dem zur Seite stehen moralische Bedenken. | |
Niccolò Machiavelli ging davon aus, dass Staaten und Herrscher keinen | |
moralische Kriterien unterliegen. Glücklicherweise hatte er nicht unbedingt | |
recht damit. Im Fall von Deutschland lässt sich sagen, dass sowohl der | |
Widerwille, Angriffswaffen zu liefern, als auch die Entscheidung, es doch | |
zu tun, mit Überlegungen einhergehen, die als historisch-moralisch | |
bezeichnet werden können: Einerseits die Sorge vor einer Situation, die zu | |
den beiden Weltkriegen führte – Deutschland als europäische Militärmacht in | |
direkter Konfrontation mit Russland –; anderseits die Weigerung, tatenlos | |
zuzusehen, wenn große Nationen kleinere vernichten wollen. | |
Das israelische Dilemma in dieser Frage – davon ausgehend, dass überhaupt | |
irgendjemand ein solches empfindet – ist ganz anderer Art. Vorsichtig | |
ausgedrückt gibt es vorläufig keinerlei Anzeichen dafür, dass die aktuelle | |
Regierung in einem wie auch immer gearteten Bereich moralische Erwägungen | |
anstellt. Alles, was bisher geschieht und was erklärtermaßen noch geschehen | |
soll, sei es im Bereich der Siedlungen, der Flüchtlinge, des Staatsrechts | |
oder der Gewaltenteilung, um nur einige zu nennen, [2][signalisiert | |
Habgier, Chauvinismus und jüdische Überlegenheit]. | |
Wenn überhaupt von Moral gesprochen werden kann, dann wäre das auf | |
religiöser Seite dieses Regimes [3][eine biblische Moral im Sinne von | |
„alles, was Gott sagt, ist richtig und gut“] und auf weltlicher Seite eine | |
Art reduzierter Utilitarismus, frei nach Jeremy Bentham: Alles, was gut für | |
unsere Leute ist, muss gut für alle sein. Und wenn nicht – dann sollen sie | |
David Grossman lesen und sich jammernd in die Ecke eines Tel Aviver Cafés | |
verziehen. | |
## Keine Empathie | |
Mit Blick auf die Ukraine hält sich Benjamin Netanjahu bislang vage an | |
Erklärungen, die offenbar darauf abzielen, die Liberalen im Westen zu | |
beruhigen. Empathie für das ukrainische Leid ist weder bei ihm noch bei | |
seinen Regierungspartnern erkennbar. Strategische Überlegungen hinsichtlich | |
militärischer Handlungsfreiheit auf syrischem Gebiet spielen eine Rolle. | |
Allerdings hat der Krieg gegen die Ukraine Russland [4][weitgehend als | |
Papiertiger entlarvt]. Und doch weigert man sich in Israel entsprechend | |
umzudenken und betrachtet Russland stattdessen als eine Macht, mit der | |
behutsam umzugehen ist. Unter diesen pragmatischen Überlegungen verbirgt | |
sich jedoch etwas tieferes Psychologisches: So lassen Äußerungen der | |
israelischen Rechten vermuten, dass sie sich Putin sehr viel näher fühlen | |
als Selenski. Sie bewundern die Stärke und Gnadenlosigkeit des Russen. | |
Netanjahu hat sich in der Vergangenheit deutlich an die Seite der | |
Reaktionäre dieser Welt gestellt und würde sich sicher gern wie Viktor | |
Orbán verhalten – auch mit Blick auf die Sympathie zu Russland. | |
Außenpolitisch ist er indes vorsichtiger und bleibt bei Mehrdeutigkeiten. | |
Für Selenski ist das bitter, denn Israel verfügt über Verteidigungssysteme, | |
die Tausenden seiner Landsleute das Leben hätten retten und erhebliche | |
Schäden an der Infrastruktur verhindern können. Die Ukraine wird bei | |
Netanjahu nichts erreichen, solange man an sein moralisches Empfinden | |
appelliert, sondern allenfalls durch internationalen Druck. | |
Aus dem Hebräischen von Susanne Knaul | |
17 Feb 2023 | |
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## AUTOREN | |
Hagai Dagan | |
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