| # taz.de -- Angst vor „Grünem Handelskrieg“: Kein Grund für einen Handels… | |
| > Joe Bidens geplante Subventionen für den grünen Umbau verunsichern | |
| > europäische Firmen. Dabei darf die EU durchaus selbstbewusst verhandeln. | |
| Bild: Produktion von Solarpanelen in Perrysburg, Ohio | |
| Beim Begriff IRA sollten wir in diesen Tagen nicht an Terror und | |
| Gegenterror im Nordirlandkonflikt denken, sondern an eine Chance für die | |
| Lösung der Klimakrise. Der Inflation Reduction Act (IRA) der | |
| US-Regierung ist ein großes Versprechen. Die Angst vor einem „grünen | |
| Handelskrieg“ zwischen der EU und den USA ist übertrieben und irreführend. | |
| Der IRA sieht Subventionen und Steuernachlässe in Höhe von etwa 400 | |
| Milliarden Dollar für den grünen Umbau der US-Wirtschaft vor: zugunsten | |
| erneuerbarer Energien, Stromleitungen, sauberer Transportsysteme, des | |
| Aufbaus grüner Wasserstofftechnik, aber auch der CO2-Speicherung und | |
| Atomkraft. Das ist – endlich – der große Wurf, den die Welt seit Jahren von | |
| den USA erwartet: deren teilweise marode Volkswirtschaft mit einer | |
| gigantischen Kapitalspritze Richtung Dekarbonisierung und ökologischer | |
| Modernisierung zu treiben. | |
| Das Gesetzespaket ist darüber hinaus der Versuch, die USA wieder zu | |
| industrialisieren: Fabriken, Wertschöpfung und Jobs bei Batteriefertigung, | |
| E-Mobilen, Elektrolyseuren oder Wärmepumpen sollen am besten wieder im | |
| [1][„Rust Belt“] stattfinden, wo Stahl und Kohle erst für Wohlstand, spät… | |
| für Elend und Niedergang sorgten. Damit will US-Präsident Joe Biden auch | |
| seine Wiederwahl sichern, um in diesen abgehängten Regionen den | |
| rückwärtsgewandten Republikanern neue Perspektiven entgegenzusetzen. | |
| Das führt auch zu Protektionismus: Gefördert wird vor allem „made in USA“. | |
| Das wiederum schließt Exportregionen wie die EU und vor allem Deutschland | |
| aus. Die Exporteure würden leiden und eigentlich bessere und billigere | |
| Produkte keinen Markt in den USA mehr finden. Darüber haben [2][Robert | |
| Habeck und Bruno Le Maire], der deutsche und der französische | |
| Wirtschaftsminister, diese Woche in Washington mit der US-Regierung | |
| beraten. | |
| ## Nicht die EU, sondern China ist der Gegner | |
| Dabei wurde deutlich: Amerikaner und Europäer sind vorsichtig, um keinen | |
| Handelskrieg vom Zaun zu brechen. Es gibt im IRA bereits Ausnahmen für | |
| europäische Leasingautos sowie Zusagen für mehr Transparenz und verstärkten | |
| Kontakt. Gemeinsam will man die Abhängigkeit von kritischen Rohstoffen | |
| verringern. Denn der IRA ist weniger gegen Europa gerichtet als gegen | |
| China. Hier sehen die USA den großen strategischen und ökonomischen Gegner. | |
| Die EU und die USA dagegen wollen durch gleiche Standards mehr Handel von | |
| grünen Produkten erreichen. Die Unruhe in der deutschen Exportwirtschaft | |
| ist verständlich. Schaut man näher hin, relativiert sich das aber: Bisher | |
| machen grüne Produkte nur einen kleinen Teil des deutschen Exports in die | |
| USA aus. Deutsche Unternehmen in den USA fürchten vor allem den | |
| [3][Fachkräftemangel]. Doch Europa hat bereits angekündigt, seine | |
| [4][Regeln für Beihilfen und Subventionen zu entschlacken] – was zu | |
| begrüßen ist. | |
| Vor allem darf Europa das große Bild nicht aus den Augen verlieren: Es geht | |
| beim IRA um den ersten ernsthaften Versuch, die Volkswirtschaften der | |
| traditionellen Industriestaaten auf einen nachhaltigen Kurs zu bringen. | |
| Bisher haben alle Rettungspakete nach der Finanzkrise oder dem | |
| Covid-Einbruch versagt, die Billionen von Steuergeldern in eine „grüne | |
| Erholung“ zu stecken. Das muss anders werden, wenn man es mit den | |
| Klimaschutzzielen in den Ländern mit der größten historischen Verantwortung | |
| ernst meint. | |
| Selbst mit IRA und Green Deal wird es sehr [5][schwer, die 1,5- oder | |
| 2-Grad-Grenze zu halten]. Nur gemeinsam mit den vernünftigen Kräften in den | |
| USA wird Europa seine Vorstellung einer halbwegs freiheitlichen und | |
| gerechten Gesellschaft mit halbwegs sauberem Wohlstand umsetzen können. | |
| Russland mit seiner fossilen Kriegswirtschaft hat daran wenig Interesse. | |
| ## Hand in Hand für grünen Wohlstand | |
| Deshalb sollte die EU nicht nach einem WTO-Verfahren schreien, sondern zäh | |
| und selbstbewusst über Ausnahmen und günstige Auslegungen verhandeln. Beide | |
| Seiten haben großes Interesse, dass sich IRA und Green Deal ergänzen; und | |
| dass sich eine zukunftsfähige Industrie mit einem grünen | |
| Wohlstandsversprechen in Europa und den USA durchsetzt, um eine | |
| klimagerechtere Wirtschaftsordnung zu installieren und vorzuleben. So | |
| müssten die EU und die USA ihr bisheriges Wirtschaftsmodell korrigieren und | |
| dafür werben. | |
| Das wäre für die wichtigen Schwellenländer wie Indien, Mexiko, Brasilien, | |
| Indonesien oder Südafrika (und für die Mittelschicht in Russland und China) | |
| auch attraktiver als der russische oder chinesische Weg. Der IRA muss auch | |
| deshalb erfolgreich sein, um in der immer noch wichtigsten Volkswirtschaft | |
| der Welt, den USA, nachhaltiges Wirtschaften tief zu verwurzeln – auch als | |
| Widerstand gegen die nächste ökologische und ökonomische Katastrophe made | |
| in USA: [6][eine Rückkehr der Republikaner] ins Weiße Haus. | |
| 10 Feb 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Bernhard Pötter | |
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