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# taz.de -- Syrisch-russische Beziehungen: Mehrzweckkrieg im Nahen Osten
> Russland führt seit 2015 Krieg gegen Aufständische in Syrien. Die
> wichtigsten Ziele sind erreicht. Nun kann sich Moskau auf die Ukraine
> konzentrieren.
Bild: Der russische und der syrische Präsident besuchen den Luftwaffenstützpu…
Fragil, aber weitgehend ruhig: So lässt sich die Lage in Syrien
beschreiben, über die [1][vor dem Hintergrund des Kriegs in der Ukraine]
weniger Nachrichten zu vernehmen sind als zuvor. Der Grund für die Ruhe:
Der russische Präsident Putin, der sein Militär 2015 nach Syrien schickte
und es bis heute nicht vollständig abgezogen hat, hat seine wichtigsten
Ziele erreicht. Das Assad-Regime hat mit russischer Unterstützung weite
Teile des Landes wieder unter seine Kontrolle gebracht. Moskau konnte also
den Schwerpunkt seiner militärischen Aktivitäten in die Ukraine verlegen.
Die dortige Konfrontation beansprucht aktuell den Löwenanteil der
russischen Militärkapazitäten.
Ein Teil des russischen Truppenkontingents und Militärgeräts wurde
vergangenes Jahr aus Syrien abgezogen, insbesondere die
S-300-Flugabwehrraketensysteme. Diese wurden bereits in der Ukraine für
Bodenangriffe eingesetzt. Mehrere Tausend russische Soldaten stabilisieren
aber weiterhin die Lage in Syrien. Offizielle Angaben, wie viele Soldaten
in Syrien geblieben sind, gibt es nicht. Im Herbst sprach Oleksiy
Orestowitsch, Berater des ukrainischen Präsidenten, unter Berufung auf den
ukrainischen Geheimdienst von 6.000 bis 11.000 Soldaten. Der russische
Militärexperte Kirill Michailow geht von 3.000 bis 4.000 Soldaten aus.
Michailow zufolge spielt das russische Kontingent aktuell keine große
Rolle. „Sie patrouillieren in Regimegebieten, aber auch im Nordosten des
Landes.“ Dort haben größtenteils kurdische Kräfte die Kontrolle, aber auch
Assads Streitkräfte sowie die Türkei oder protürkische Kräfte kontrollieren
Teile des Gebiets. Da die Gebiete nur schwer abgrenzbar sind, tauchen die
Russen manchmal auch in kurdisch kontrollierten Zonen auf, was der
Kurdenführung missfällt, ihr aber lieber ist als türkische Truppen. „Die
Einheimischen sind von den russischen Patrouillen nicht begeistert“, sagt
Michailow. „Kürzlich ist [2][ein Video] aufgetaucht, in dem gepanzerte
Fahrzeuge mit einem Z, dem inoffiziellen Symbol der ‚Sonderoperation‘ in
der Ukraine, mit Steinen beworfen werden.“
Dutzende russische Kampfflugzeuge sind weiter in Syrien stationiert. Die
meiste Zeit patrouillieren sie am syrischen Himmel. Mehrmals im Monat
fliegen russische Flugzeuge außerdem Luftangriffe [3][in der
nordwestsyrischen Rebellenhochburg Idlib]: entweder auf dortige
Streitkräfte oder auf zivile Objekte.
Darüber hinaus unterhalten die Russen im syrischen Tartus einen
Marinestützpunkt, der als Reparaturstelle der Flotte und als Hafen für
zivile Schiffe dient. Vor Kurzem lief dort aus der Ukraine gestohlenes
Getreide ein. „Russische Marinesoldaten bewachen Stützpunkte in Syrien und
sind froh, dass sie nicht in die Ukraine geschickt wurden“, sagt Michailow.
## Die sieben Ziele Russlands im Syrien-Krieg
Mit seinem kostspieligen Einsatz in Syrien hat Russland mehrere Ziele
verfolgt. In erster Linie wollte der Kreml einen weiteren Regimesturz
infolge des Arabischen Frühlings verhindern. Aus Sicht Moskaus hätte ein
Sturz des Assad-Regimes eine weitere Farbrevolution dargestellt, die im
Falle Syriens auf dem Territorium eines langjährigen Verbündeten
ausgebrochen war.
Das zweite Ziel bestand darin, einen Kriegsschauplatz zu schaffen und so
die EU und die Nato durch den Zustrom muslimischer Migranten zu schwächen.
Russland zerbombte deshalb absichtlich Krankenhäuser, Schulen und
Wasserleitungen.
Drittens ist der Syrienkrieg für Russland ein Instrument, um Druck auf
Israel auszuüben. Nicht nur offene Unterstützung, sondern bereits Russlands
Nachsicht mit Iran und der libanesischen Hisbollah sind ein Albtraum für
den jüdischen Staat. Der Druck trägt Früchte: Israel hat seit dem Angriff
Russlands auf die Ukraine bis heute keine Waffen an die Ukraine geliefert.
Das vierte Ziel ist innenpolitisch: Die Gräueltaten der russischen Armee
sowie von Angehörigen [4][der Wagner-Organisation] in Syrien –
einschließlich eines Videos über einen Mord mit Vorschlaghammern sowie
einer Zerstückelung und Verbrennung eines Deserteurs – sind für die
liberale Minderheit in Russland ein Hinweis, was passieren würde, sollten
die Bürger sich gegen Putin erheben.
Das fünfte Ziel ist auf einen anderen, den reaktionären Teil der russischen
Bevölkerung gerichtet: Der Syrieneinsatz ist eine Art blutige Show. Je
weniger Brot der chauvinistische Teil der russischen Gesellschaft hat,
desto mehr füttert Putin ihn mit brutalen „Zirkusspielen“.
Das 6. Ziel bestand darin, Waffen zu testen. Analytikern in der Ukraine war
schon seit Beginn der russischen Intervention in Syrien 2015 klar, dass die
Waffen später Tod und Verwüstung auch in der Ukraine bringen würden. Ein
Beispiel sind die „Kalibr“-Raketen, die oftmals von denselben Schiffen im
Kaspischen Meer abgeschossen werden – früher in Richtung Syrien, heute in
Richtung Ukraine.
Russlands siebtes Ziel war es, sich militärische Präsenz in Syrien zu
sichern. Während des Kriegs erhielten die russischen Luftstreitkräfte von
Damaskus die Erlaubnis, die Hmeimim-Basis im Westen Syriens neben dem
Mittelmeerhafen von Latakia auf unbestimmte Zeit zu nutzen. Der
Militärflugplatz dient heute als wichtiger Transitpunkt für russische
Militäroperationen in Afrika. Trotz der riesigen Verluste für Russland in
der Ukraine reicht der bewaffnete Arm des Kreml in fast alle Teile der
Welt.
Aus dem Russischen Barbara Oertel
26 Jan 2023
## LINKS
[1] /Schwerpunkt-Krieg-in-der-Ukraine/!t5008150
[2] https://www.youtube.com/watch?v=PW3o0Gti4zg
[3] /Winter-in-Syrien/!5904846
[4] /Wagner-Soeldnertruppe-in-der-Ukraine/!5908629
## AUTOREN
Alexander Gogun
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bekomme.
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