# taz.de -- Partei „Die Urbane“ im Wahlkampf: „Das Frustrationslevel ist … | |
> „Die Urbane. Eine HipHop Partei“ will sich für marginalisierte Gruppen | |
> einsetzen. Sie fordert ein radikales Umdenken statt sanfter | |
> Veränderungen. | |
Bild: Werben für die Urbanen: Ed Greve und Betül Torlak | |
taz: Frau Torlak, Herr Greve, wer ist „Die Urbane, eine HipHop-Partei“, und | |
was will die Partei? | |
Betül Torlak: Wir stehen für einen [1][machtkritischen Diskurs um Themen | |
wie Queerfeminismus, Antikapitalismus, Antirassismus, Dekoloniale | |
Strukturen] – also all diese Dinge, die wir seit Jahrzehnten in Communities | |
und selbstorganisierten Gruppen besprechen. Diese Forderungen | |
marginalisierter Gruppen wollen wir in die Politik bringen. | |
Das wollen andere Parteien auch. Was unterscheidet Sie? | |
Ed Greve: Was uns von etablierteren Parteien unterscheidet, ist, dass wir | |
relativ wenig von Reformen halten, wenn es um so grundsätzliche Fragen wie | |
soziale Gerechtigkeit geht. Wir versuchen schon in dem, was wir uns | |
überlegen, revolutionäre Ideen zu verfolgen. Zum Beispiel, dass wir | |
Strukturen, die so viele Menschen systematisch benachteiligen, nicht | |
ändern, sondern abschaffen. | |
Was bedeutet das konkret für Berlin? | |
Greve: Wir fordern kostenlosen Öffentlichen Nahverkehr. Da wollen wir keine | |
Ausreden mehr hören. Es ist völlig klar, dass wir das nicht von heute auf | |
morgen machen, aber wir müssen das Ziel konsequent verfolgen. Außerdem | |
fordern wir ein klares Bleiberecht und dass Berlin alle Abschiebungen | |
beendet. Wir müssen die Residenzpflicht abschaffen. | |
Torlak: Der Volksentscheid Deutsche Wohnen & Co Enteignen muss umgesetzt | |
werden. Außerdem braucht es nicht nur kostenlosen, sondern vor allem | |
sicheren Nahverkehr. Wir wollen nicht, dass Kontrolleur:innen netter | |
sind, sondern dass der Kontrollgedanke aus den Öffentlichen verschwindet | |
und durch einen Unterstützungsgedanken ersetzt wird. Es braucht Menschen, | |
die ansprechbar sind bei Gewalt, die unterstützen, anstatt Menschen zu | |
kontrollieren und zu sanktionieren. | |
Ist das auch der Grund, warum Ihre Partei die umstrittene Polizeiwache, die | |
am 15. Februar am Kottbusser Tor eröffnet, ablehnt? | |
Torlak: Der Kotti ist ein so genannter kriminalitätsbelasteter Ort. Das | |
bedeutet, dass Menschen ohne Anlass kontrolliert werden dürfen. Tatsächlich | |
wird dort regelmäßig Racial Profiling betrieben. [2][Es ist auch kein | |
Geheimnis, dass es am Kotti viel Polizeigewalt gibt.] Beratungsstellen vor | |
Ort sind sich einig, dass der Großteil der Betroffenen Menschen sind, die | |
obdachlos oder suchterkrankt sind oder illegalisiert hier leben. Sie haben | |
ohnehin schon durch die massive Ausgrenzung eine aussichtsschwache | |
Startposition in unserer Gesellschaft. Sie erleben jetzt noch mehr | |
Kontrolle und Verdrängung statt Angebote, sie zu unterstützen. Den | |
vermeintlichen Nutzen der Wache, ein Sicherheitsgefühl aller Menschen, | |
sehen wir nicht, sondern eher, dass die betroffenen Menschen verschwinden. | |
Das klingt alles schön und gut. Aber wie wollen Sie die Forderungen | |
umsetzen? | |
Torlak: Es erfordert immer eine Mehrheit, um Veränderungen durchzusetzen. | |
Unser Ziel ist auch nicht unbedingt sofort ins Parlament einzuziehen, | |
sondern eine Parteienfinanzierung zu bekommen. Damit können wir nachhaltige | |
Strukturen aufbauen; Strukturen, die etablierte Parteien schon haben. So | |
können wir beispielsweise eine bezahlte Stelle schaffen, die sich unter | |
anderem um die Koordination der Arbeitsabläufe kümmert. | |
Greve: Wenn man sich in der Bevölkerung umhört, dann gibt es bestimmt eine | |
Mehrheit für – beispielsweise – einen kostenlosen ÖPNV. Es scheitert dara… | |
dass die bisherigen Regierungen sagen, das würde nicht gehen. Wir glauben | |
das nicht, das Geld an sich ist da. Die Frage ist: Sind wir mutig genug, | |
das Geld so umzulegen, dass wir alle Menschen versorgen? | |
Bei der vergangenen Wahl haben Sie 0,2 Prozent der Zweitstimmen geholt. Für | |
die Parteienfinanzierung fehlen da also noch einige Stimmen. | |
Greve: Für die 1 Prozent müssten uns 20.000 Berliner:innen ihre Stimme | |
geben. Ich glaube, das ist schon jetzt ein vorzeigbares Ergebnis. In meinem | |
Bezirk in Neukölln 1 hatte ich 1,8 Prozent bei den Erststimmen. Früher oder | |
später werden wir die 1 Prozent schaffen. | |
Gibt es eine bestimmte Zielgruppe, die Sie erreichen wollen? | |
Greve: Wir sehen unsere Zielgruppe nicht demografisch. Das ist ein Fehler, | |
den die Politik gerne macht. Wahlberechtigte allein sind auch nicht die | |
Zielgruppe unserer Inhalte. Es gibt etwa eine Millionen Personen, die nicht | |
wahlberechtigt sind, weil sie keinen deutschen Pass haben. Darum stehen wir | |
für ein universelles Wahlrecht für alle Berliner:innen. Außerdem fordern | |
wir ein Wahlrecht ab 14 Jahren – analog zur Strafmündigkeit. Wer die | |
Gesetze kennen und befolgen soll, muss auch das Recht haben, auf diese | |
Gesetze einwirken zu können. | |
Und wie wollen Sie diese Menschen für sich gewinnen? | |
Torlak: Was uns grundsätzlich von anderen unterscheidet ist, dass wir eine | |
Partei der Bewegung sind und Bewegung in Communities, aber auch in unserer | |
Partei fördern. Das ist der Grund, warum ich nicht auf etablierte Parteien | |
setzen würde, die starre Strukturen haben und schon in der Regierung waren | |
oder sind. Mit ihnen verändert sich nichts. Es passieren Volksentscheide, | |
wie Deutsche Wohnen & Co Enteignen, die einfach nicht umgesetzt werden. Das | |
Frustrationslevel ist gerade bei jungen Menschen groß. | |
9 Feb 2023 | |
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## AUTOREN | |
Laura Mielke | |
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