# taz.de -- Mehr Schutz für unrentable Küken: Schredderstop ist auch keine L�… | |
> Die Rettung für nicht benötigte Lebewesen – oder ein weiterer deutscher | |
> Alleingang? Seit einem Jahr dürfen männliche Haushuhn-Küken am Leben | |
> bleiben. | |
Bild: Das grüne darf leben, das rote nicht? Ein Straßenhändler in Bangladesc… | |
HAMBURG taz | [1][Seit einem Jahr] ist das Töten männlicher Küken in | |
Deutschland verboten. Bis zur damaligen Änderung des Tierschutzgesetzes | |
wurden männliche Küken der Gattung „Haushuhn“ üblicherweise vergast oder | |
geschreddert. Denn sie legen weder Eier noch setzen sie viel Fleisch an – | |
Tod wegen Unwirtschaftlichkeit. Das Verbot haben indes nicht nur | |
Landwirt*innen kritisiert: Auch Vertreter*innen des Tierschutzes | |
äußerten sich dazu schon skeptisch. Dieser Tage wird eine erste Bilanz | |
gezogen. Sterben durch die neue Rechtslage tatsächlich weniger Küken? | |
„Mitnichten“, sagt Carsten Bauck vom [2][Bauckhof im niedersächsischen | |
Klein-Süstedt]. Er ist Mitbegründer der „Brudertier“-, ehemals | |
„Bruderhahn“-Initiative. Bruderhähne werden die männlichen Küken genannt, | |
von denen in Deutschland im Jahr 2019 rund 45 Millionen getötet wurden. Die | |
Initiative [3][gründete sich 2013] mit dem Vorhaben, das zu beenden. Durch | |
einen Aufschlag von vier Cent pro Ei wird die vergleichsweise | |
unwirtschaftliche Aufzucht der Hähne finanziert – eine der Alternativen zu | |
Gaskammer und Schredder. | |
[4][Eine weitere Möglichkeit] ist laut Bundesministerium für Ernährung und | |
Landwirtschaft (BMEL), das Geschlecht der Küken noch vor dem Schlüpfen zu | |
bestimmen: Männliche Küken sollen erst gar nicht ausgebrütet werden, die | |
entsprechenden Eier verfüttert. Ein Verfahren zur Geschlechtsbestimmung ist | |
ein Lichttest, bei dem die Eier nach drei Tagen Brutzeit [5][durch ein | |
kleines Loch in der Schale bestrahlt] werden. Ein anderes Verfahren setzt | |
auf einen Hormontest an Tag neun. | |
Bauck bezeichnet das als „grobe Täuschung“ der Verbraucher*innen – | |
„weil wir das Tier so einfach in einem anderen Zustand töten“. Das Sterben | |
werde so nicht verhindert. Es wird also nur vorverlegt – aber auch räumlich | |
verlagert: Der [6][Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft (ZDG)] | |
vermeldete im Juni 2022 per Pressemitteilung den „Exportschlager | |
Kükentöten“. Nach Angaben des Verbands haben in Folge des Tötungsverbots | |
zahlreiche Brütereien aufgegeben, von Januar bis März 2022 wurde demnach | |
rund ein Drittel weniger Küken in Deutschland ausgebrütet als im | |
Vergleichsquartal des Vorjahres. Deutsche Legehennen-Halter*innen seien | |
dadurch auf den Import von Junghennen angewiesen – aus Herkunftsländern | |
ohne Tötungsverbot. | |
Neben solchen Junghennen sind außerdem Eier aus dem Ausland gefragt: Die | |
Deutsche Presseagentur berichtete dieser Tage über Mehrkosten von 2,5 Cent | |
pro deutschem Ei und berief sich dabei auf Aussagen von Dietmar Tepe vom | |
Verein für kontrollierte alternative Tierhaltungsformen. Insbesondere in | |
verarbeiteten Produkten, sprich: Nudeln, aber etwa auch Backwaren, würden | |
Eier aus Produktionen mit Kükentöten verwendet. | |
## Verbands-Präsident warnt vor Alleingang | |
Aus Sicht des ZDG dringend erforderlich ist daher ein europaweites Verbot | |
der Tötung männlicher Küken. Auf einer Pressekonferenz anlässlich der | |
Grünen Woche in Berlin, der weltweit größten Agrarmesse, kritisierte | |
Verbandspräsident Friedrich Otto Ripke, im Alltag auch niedersächsischer | |
CDU-Politiker, am vergangenen Donnerstag den deutschen Alleingang. Der | |
Tierhaltungsstandort Deutschland, so Ripke gar, stehe vor einer | |
Zerschlagung durch die Politik. Dazu trage auch die bevorstehende Umsetzung | |
weiterer Hühnerei-Verbote bei. So sollen ab Anfang 2024 Verfahren zur | |
Geschlechtsbestimmung der Küken nur noch bis zum siebten Bruttag erlaubt | |
sein. Die dann noch erlaubten Methoden, beispielsweise der Lichttest nach | |
drei Bruttagen, bezeichnete Ripke als noch nicht marktreif. Damit verbliebe | |
als einzige Option, um männliche Küken nicht zu töten, ihre Aufzucht. Das | |
aber ist für Ripke keine sinnvolle Alternative, weder ökologisch noch | |
ökonomisch. | |
Bei einem [7][„Fachgespräch Legehenne“] sagte Karen Schemmann von der | |
ausrichtenden Landwirtschaftskammer Niedersachsen im Mai vergangenen | |
Jahres, die Aufzucht der Bruderhähne sei im Vergleich zu Mastzuchten sogar | |
eine Umweltbelastung, da jene Tiere weniger schnell wüchsen und somit in | |
der Summe mehr CO2 ausstießen. | |
Eine Ausdehnung des Kükentötungsverbots fordert Öko-Landwirt Bauck, dessen | |
„Brudertier“-Initiative rund 30.000 Hähne pro Jahr aufzieht: „Wir müssen | |
unbedingt vermeiden“, sagt er, „den in Deutschland besseren Zuständen | |
zugunsten von günstiger Tierhaltung im Ausland den Garaus zu machen.“ Dass | |
die Politik überhaupt Schritte hin zu mehr Tierwohl geht, findet er gut. | |
Wie auch seine konventionell arbeitenden Kolleg*innen appelliert Bauck | |
für mehr Transparenz und eine Veränderung der Kommunikation: Die | |
Konsument*innen müssten darüber informiert werden, welche Verfahren der | |
Geschlechtsbestimmung Anwendung erführen. | |
23 Jan 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Toetungs-Verbot-in-Huehnerstaellen/!5905791 | |
[2] https://www.bauckhof.de/ | |
[3] /Landwirte-lassen-maennliche-Kueken-leben/!5049356 | |
[4] https://www.bmel.de/SharedDocs/FAQs/DE/faq-kuekentoeten-beenden/FAQList.htm… | |
[5] /Umgang-mit-maennlichen-Kueken/!5886286 | |
[6] https://zdg-online.de/ | |
[7] https://www.lwk-niedersachsen.de/lwk/news/39319_Fachgespraech_Legehenne_seh… | |
## AUTOREN | |
Ann-Christin Dieker | |
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