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# taz.de -- Strom in Baden-Württemberg: Private sollen ans Netz
> Baden-Württemberg will das Stromnetz zum Teil an private Investoren
> geben. Und das, obwohl wirtschaftliche und politische Gründe dagegen
> sprechen.
Bild: Wem gehören die Hochspannungsleitungen? Angesichts der Debatte um kritis…
Karlsruhe und Wendlingen taz | Die Schaltzentrale von transnetbw am
Stadtrand der Kleinstadt Wendlingen sieht ein bisschen aus wie das
[1][Krisenzentrum] in einem Endzeit-Thriller. Auf einem hauswandgroßen
Bildschirm blinken die Stromleitungen auf einer Europakarte in
unterschiedlichen Farben. Von hier verwaltet das Unternehmen auch die
eigenen Stromautobahnen, die entscheidend sind, um den Offshore-Strom nach
Süden zu transportieren.
Seit dem umstrittenen Rückkauf des Energieversorgers EnBW im Jahr 2010
durch das Land gehören auch das Tochterunternehmen transnetbw und ihr über
3.000 Kilometer langes Hochspannungsnetz dem Staat. Das soll sich nach dem
Willen der EnBW, aber auch der baden-württembergischen Landesregierung nun
zumindest teilweise ändern. Die EnBW wird zwei Anteile an transnetbw zu je
24,95 Prozent verkaufen. Seit vergangenem Jahr läuft ein Bieterverfahren.
Nach Presseberichten haben schon Investoren wie die Allianz oder der
Finanzinvestor Blackrock Interesse bekundet. Ziel ist es, frisches Kapital
von über einer Milliarde ins Unternehmen zu bringen. Geld, das für den
Netzausbau und die noch immer defizitäre EnBW dringend notwendig sei.
## Attraktiv für Privatinvestoren
Die Investition ist für Private attraktiv, weil die Netzentgelte, an denen
sie beteiligt sind, garantiert sind. So attraktiv, dass Finanzexperten sich
fragen, warum der Staat die risikolose Rendite nicht selbst einstreichen
will. Das Land könnte die Anteile direkt übernehmen. [2][Investitionen ins
Stromnetz] würden nicht unter die Schuldenbremse fallen. Nach einem
Gutachten des Lehrstuhls für Infrastruktur der Bauhaus-Universität Weimar
würden die langfristigen Einnahmen die Investitionen eindeutig übersteigen.
Dazu kommt ein politisches Argument: „Gerade in Krisen- und Kriegszeiten
ist es keine gute Idee, kritische Infrastruktur nicht mehr komplett in
staatlicher Hand zu haben“, sagt etwa die Energieexpertin des Deutschen
Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Claudia Kemfert. Und die Grünen
formulieren in ihrem Bundestagswahlprogramm selbst das Ziel:
Übertragungsnetze seien „natürliche Monopole“, „wir wollen den öffentl…
Einfluss darauf stärken“. Die staatlichen Anteile an den vier
Übertragungsnetzbetreibern in Deutschland sollten insgesamt erhöht und in
eine Bundesnetzgesellschaft überführt werden.
In Finanzministerium von Baden-Württemberg, das der Grüne Danyal Bayaz
führt, sieht man das nicht ganz so eng. Ein Sprecher weist darauf hin, dass
die transnetbw auch mit der privaten Beteiligung der einzige der vier
Übertragungsnetzbetreiber in Deutschland bleibt, bei dem ein Bundesland die
Mehrheit hält. Von einem Investor erwarte man zudem neben dem Kaufpreis
auch weitere Investitionen in den Netzausbau. Ein Investor also, der Geld
gibt, aber weiter keinen Einfluss hat.
## Interessenten im Bieterverfahren ausgewählt
Tatsächlich ist der Fall transnetbw wohl nicht vergleichbar mit dem Verkauf
eines Terminals im Hamburger Hafen an ein chinesisches Staatsunternehmen im
vergangenen Jahr. Fragwürdige Investoren aus China und anderen Diktaturen
seien von vornherein ausgeschlossen, erklärt das Finanzministerium in
Stuttgart. Ob es aber so ein vergleichsweise pflegeleichter Partner wie die
Sparkassen des Südwestens werden, wie sich das der Koalitionspartner CDU
wünscht, könne man natürlich auch nicht versprechen. Denn ein
Bieterverfahren müsse nun einmal nach fairen Kriterien ablaufen. Immerhin
kann die Bundesregierung dabei eine Chance wahrnehmen, um den Staat bei
transnetbw stärker im Spiel zu halten. Die bundeseigene KfW-Bank hat ein
Vorkaufsrecht für einen der 24,95-Prozent-Anteile, und in Stuttgart rechnet
man stark damit, dass Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) diese
Option nutzt.
Die Diskussion über den Teilverkauf der kritischen Infrastruktur hatte kurz
vor Weihnachten begonnen, als das Bieterverfahren schon fast abgeschlossen
war. CDU-Fraktionschef Manuel Hagel hatte ausgerechnet BlackRock als
Investor ausgeschlossen. Jenes US-Unternehmen, bei dem sein eigener
Parteivorsitzender jahrelang in maßgeblicher Position gearbeitet hatte.
Kritik an der Teilprivatisierung kommt aber auch aus der grünen Partei. Bei
der Abstimmung einer Resolution gegen die Teilprivatisierung, den die SPD
im Landtag eingebracht hatte, hatten drei grüne Landtagsabgeordnete mit der
Opposition gestimmt.
2 Feb 2023
## LINKS
[1] /Rekommunalisierung-des-Stromnetzes/!5545897
[2] /Preise-fuer-Strom-und-Gas/!5893298
## AUTOREN
Benno Stieber
## TAGS
Strom
Privatisierung
Versorgung
Netzausbau
Stromausfall
Energiekrise
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