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# taz.de -- Antizyklische Wirtschaftswissenschaften: Hart am Wind gilt Lee vor …
> Wirtschaftswissenschaftler sind stolz auf ihr antizyklisches Ding. Doch
> auf dem Land ist das überhaupt nichts Neues.
Bild: Eissegeln ist kein Hexenwerk, aber doch komplizierter als zum Beispiel ei…
Es gibt Wissenschaften – besonders jene über Volkswirtschaften und/oder
Gehirne – die in einem ganz eigenwilligen Mix aus Abzählerei,
Alltagsverstand und Spökenkieken ständig wieder irgendwelches Zeug zur
jeweils neuesten Erkenntnis hochjazzen, das meine Oma schon wusste. Und
das, obwohl Oma zwar superlieb war, unterm Strich aber ehrlich gesagt
insgesamt eher wenig wusste. Na ja. Ich komme gerade drauf, weil ich
neulich hinter zwei Nachwuchsvolkswirten in der Tram Richtung Uni saß und
ihrem kruden Allerlei folgen musste.
## Spontane Eingebungen
Sie tauschten Allgemeinplätze zu antizyklischer Fiskalpolitik aus, die nun
auch nicht neu ist, aber offenbar auch heute noch Erstsemester bewegt und
irgendwie halt auch mich. Vielleicht, weil sie so lustig kontraintuitiv ist
und man gerade in der Branche ja sonst gut damit fährt, spontane
Eingebungen als krisenfeste Programme zu verkaufen.
Interessant wird es, wenn das Begriff gewordene Gequatsche von Ökonomen und
Ökonominnen erst in den Alltag einzieht: „Antizyklisch“ hört man ja doch
öfter mal. Manchmal sogar in Witzen. Der Sohn einer Freundin wollte mal
mitten im Sommer mit schicker, aber auch viel zu dicker Jacke raus und
konterte alle freundlichen Hinweise mit dem Satz, man müsse sich
„antizyklisch kleiden, Mama!“
[1][Hier draußen auf dem Land] handelt man sogar antizyklisch. Ab Mai wird
in der Schonung der Weihnachtsbaum vorgemerkt – und erblickt irgendwo auf
der Weide ein süßes Kälbchen sein erstes Sonnenlicht, kann man den
Tafelspitz schon vorbestellen. Apropos Fortpflanzung: Selbst in der
Großstadt soll es ja Menschen geben, die sich paaren, vorsätzlich zu
Zeiten, in denen es zyklisch gesehen überhaupt gar keinen Sinn macht.
## Kontrolle über den Kalender
Man muss die Dinge planen, wenn sie gerade nicht akut sind, sonst bringt
man es nicht weit im Leben. Mich jedenfalls wundert überhaupt nicht, dass
die religiösen Führer und Führerinnen der Vorzeit sich lange vor
Speisegeboten und Geburtenkontrolle erst einmal der Kalender bemächtigten.
Stichwort Gebote: Vor zwei Wochen habe ich einen Schein [2][fürs Eissegeln]
gemacht, um nun also auch legal mit hundert Sachen auf einen Holzkanten
geschnallt übers Eis zu brettern und (vor allem bei mir selbst) Angst und
Schrecken zu verbreiten. Da fiel gleich zweimal der Hinweis, meine
Bemühungen seien „antizyklisch“, weil erstens ja bald schon wieder Sommer
und zweitens ja Klimakatastrophe wär.
Aber selbst wenn. Ich bin überzeugt, dass es viel wichtiger ist, ab und an
etwas zu lernen – als die Frage, was genau man nun lernt. Ich weiß nun
jedenfalls eine Menge über das Hartwassersegeln, insbesondere über die
Vorfahrtsregeln. Die haben es in sich, zumal auf Regatta andere
Vorschriften gelten als im Normalbetrieb. Das ist selbst für
Segelverhältnisse kurios, aber eben auch interessant.
Falls Sie [3][mal mitreden oder gar steuern müssen]: Wer in der Regatta „am
Wind“ fährt, hat Vorfahrt von denen, die „im Wind“ segeln und sich
dementsprechend „freihalten müssen“. Haben inzwischen aber beide
größtenteils Rückenwind und fahren zudem den gleichen Kurs, dann gilt Lee
vor Luv – in der Gegenrichtung Luv vor Lee. Und wenn Sie selbst diese
Grundbegriffe gerade zum ersten Mal hören, dann geht es Ihnen exakt so wie
mir zehn Stunden vor dieser Prüfung.
Es ist wirklich gar nicht so einfach, wie man meinen sollte, und gerade für
Landratten und Nichtsegler:innen erheblich komplizierter als – sagen
wir beispielsweise Volkswirtschaftslehre. Nur, dass Sie mehr davon haben.
Selbst, wenn weit und breit kein Eis in Sicht ist. Außerdem gilt jetzt:
Wenn das Wetter bereit ist, bin ich es auch.
1 Feb 2023
## LINKS
[1] /Umzug-von-der-Stadt-aufs-Land/!5803934
[2] /Sotschi-2014--Vermisste-Sportarten/!5048299
[3] http://idniyra.eu/?page_id=1157
## AUTOREN
Jan-Paul Koopmann
## TAGS
Volkswirtschaft
Wintersport
Kolumne Speckgürtelpunks
Segeln
Schwerpunkt Stadtland
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Stadt-Land-Gefälle
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