# taz.de -- Kieler Staatsanwaltschaft verklagt: Datenschützerin will Schmerzen… | |
> Die Landes-Datenschutzbeauftragte Marit Hansen verklagt die Kieler | |
> Staatsanwaltschaft wegen Verstößen gegen die Strafprozessordnung und den | |
> Datenschutz. | |
Bild: Will mit dem Prozess auch ein Licht auf das Verhalten der Staatsanwaltsch… | |
Kiel taz | Normalerweise klagt die Staatsanwaltschaft andere an, jetzt | |
steht sie selbst vor Gericht: [1][Schleswig-Holsteins | |
Datenschutzbeauftragte Marit Hansen] will Schmerzensgeld von der Behörde in | |
Kiel, weil die in einem Rechtsstreit [2][der Gegenpartei zu viele | |
Informationen gegeben] habe. | |
Der Termin vor dem Landgericht dauerte kaum eine Stunde, der Vorlauf ist | |
umso länger. Er reicht bis ins Jahr 2015 zurück. Damals warf ein ehemaliger | |
Mitarbeiter des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz (ULD) Hansen | |
vor, sie habe Geld veruntreut, indem sie EU-Fördermittel falsch verwendete. | |
Die Staatsanwaltschaft ließ öffentlichkeitswirksam Räume durchsuchen. Volle | |
drei Jahre lastete der Verdacht auf Hansen und schädigte damit auch den Ruf | |
des ULD. Schließlich [3][stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein]: | |
Geringe Schuld und kein öffentliches Interesse, heißt es im entsprechenden | |
Paragraphen 153 der Strafprozessordnung. | |
Im Jahr 2020, als Hansens erste Amtszeit endete, bewarb sich der | |
Ex-Mitarbeiter als ULD-Chef. Er schickte dafür an alle Landtagsfraktionen | |
Unterlagen, die aus dem bereits abgeschlossenen Verfahren stammten und die | |
Hansen in schlechtes Licht rückten. Dass der Mann Zugriff auf diese | |
Unterlagen hatte, liegt in der Natur der Sache, schließlich durfte er als | |
Beteiligter, gegen den zwischenzeitlich selbst wegen falscher | |
Verdächtigungen ermittelt wurde, die Akten einsehen. | |
Aber die Datenschutzbeauftragte und ihr Anwalt Jens Eckhardt bezichtigen | |
die Staatsanwaltschaft, dem Ex-Mitarbeiter weit mehr Informationen gegeben | |
zu haben, als ihm zustand. Es geht um Verstöße gegen mehrere Paragraphen | |
der Strafprozessordnung und gegen das Bundesdatenschutzgesetz, für die sie | |
5.500 Euro Schmerzensgeld haben möchte. „Wir sehen kein Fehlverhalten“, | |
sagt dagegen Oberstaatsanwaltschaft Sören Pansa als Vertreter seiner | |
Behörde. Er und der vom Land beauftragte Anwalt Oliver Buss fordern, die | |
Klage abzuweisen. | |
## Öffentliches Getöse gegen Politiker*innen | |
Richterin Katrin Seidel und ihre Kammer haben nun mit Fragen zu tun, die | |
„nicht unser tägliches Brot sind – aber wir werden uns einarbeiten“, so | |
Seidel. In einem Monat wird voraussichtlich ein Urteil fallen. | |
Schon einmal hatte Hansen gegen die Staatsanwaltschaft gewonnen. Sie klagte | |
wegen der ungebührlichen Länge des ersten Verfahrens vor dem | |
Oberlandesgericht in Schleswig, das 2021 eine Rüge aussprach. | |
Hansen geht es auch darum, ein Licht auf die Kieler Staatsanwaltschaft zu | |
werfen, die in einer Reihe von Fällen mit großem öffentlichen Getöse | |
Verfahren gegen Politiker*innen – viele weiblich und der SPD nahe – | |
begonnen und später lautlos eingestellt hat. Darunter waren die ehemalige | |
Bildungsministerin Waltraud „Wara“ Wende, die ehemalige Kieler | |
Oberbürgermeisterin Susanne Gaschke und [4][die Polizei- und | |
Bürgerbeauftragte Samiah El Samadoni]. Berichte der Staatsanwaltschaft über | |
den früheren Landesinnenminister Hans-Joachim Grote (CDU) führten am Ende | |
zu dessen Entlassung. | |
Aus Sicht der Staatsanwaltschaft gibt es keinen Fehler, aber eben diese | |
Haltung sorgt sogar in Justizkreisen für Stirnrunzeln: Die Neue | |
Richtervereinigung in Schleswig-Holstein nannte die „pauschale Abwehr von | |
Kritik nicht zielführend“ und führte aus: „Eine moderne Staatsanwaltschaft | |
ist kein Staat im Staate, sondern muss ihr Vorgehen der Öffentlichkeit und | |
der Presse erklären.“ | |
## Zivilverfahren um Schmerzensgeld | |
Nach dem Verfahren in Schleswig hatte Hansen angekündigt, ein | |
Zivilverfahren um Schmerzensgeld anzustrengen. „Wobei das Monitäre dabei | |
nicht im Mittelpunkt steht“, sagte Anwalt Eckhard am Rand der Verhandlung. | |
Hansen gehe es darum festzustellen, dass die Akten damals nicht hätten | |
herausgegeben werden dürfen. | |
Die Diplom-Informatikerin trat 2015 die Nachfolge von [5][Thilo Weichert] | |
an, deren Stellvertreterin sie seit 2008 war. Weichert hatte die Behörde | |
seit 2004 geführt und in seiner Amtszeit [6][weit über die Landesgrenzen | |
hinaus agiert.] So strengte er von Kiel aus [7][Prozesse gegen Facebook] | |
und Google an. Um ihm eine weitere Amtszeit zu ermöglichen, änderte der | |
Landtag eigens die Regeln. Doch bei der Wahl erhielt Weichert keine | |
Mehrheit, zur Freude der CDU: Die „Kampagnen“ Weicherts hätten „kleinen … | |
mittleren Unternehmen im Land das Leben schwer gemacht“, so der frühere | |
CDU-Abgeordnete Hans Jörn Arp. | |
Die damaligen Regierungsparteien SPD, Grüne und die Minderheitenvertretung | |
SSW schlugen dann die parteilose Marit Hansen vor. Unter ihr ist es um die | |
Behörde ruhiger geworden: Statt gegen weltweite Datenkraken zu kämpfen, | |
kümmert sich das ULD um die Einhaltung des Datenschutzrechts bei | |
Landesbehörden und privaten Stellen in Schleswig-Holstein. | |
24 Jan 2023 | |
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## AUTOREN | |
Esther Geißlinger | |
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