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# taz.de -- Experte zu ukrainischen Getreideexporten: „Moskau schafft künstl…
> Der Getreidekorridor läuft nicht so effizient, wie er sollte, sagt
> Wirtschaftsexperte Dmytro Barinov. Einige Schiffe warteten seit Monaten
> auf Ausfuhr.
Bild: Brot für die Welt: An einem westukrainischen Hafen werden im November Sc…
taz: Mit Beginn des Krieges am 24. Februar blockierte Russland den Hafen
von Odessa. Wie kann man sich das vorstellen?
Dmytro Barinov: Russland hat schon vor dem illegalen Einmarsch auf
ukrainisches Gebiet die Seehäfen teilweise blockiert. Anfang Februar führte
Russland Militärmanöver im Schwarzen Meer (der nordwestliche Teil des
Schwarzen Meeres war gesperrt) und im Asowschen Meer durch. Als dann am 24.
2. die groß angelegte Invasion begann, brachte Russland Kriegsschiffe in
das Schwarze Meer ein und verminte das Gebiet. Deswegen war es auch für die
Schifffahrt gesperrt.
Wie viele ukrainische Häfen gibt es insgesamt am Schwarzen Meer?
Vor 2014 gab es in der Ukraine insgesamt 18 Häfen. Aufgrund der Annexion
der Krim 2014 verblieben 5 Häfen in dem momentan besetzten Gebiet. Seit
2022 befinden sich aufgrund der militärischen Aggression der Russischen
Föderation drei weitere Häfen in vorübergehend besetzten Gebieten –
Berdjansk, Mariupol und Skadowsk. Als die Ukraine Cherson zurückeroberte,
stellten wir fest, dass der Feind einen Teil der Infrastruktur zerstört
hatte. Wie groß der Schaden ist, ist aktuell noch gar nicht abzusehen. Aber
unsere Fachleute werden da ziemlich zeitnah mit der Arbeit beginnen.
Es arbeiten derzeit also nur die Flusshäfen im Normalbetrieb?
Ja. Die Flusshäfen haben jedoch noch nie landwirtschaftliche Erzeugnisse
geladen. Traditionell wird Getreide über Tiefseehäfen wie Odessa,
Mykolajiw, Pivdennyi und Tschornomorsk verschifft. Da diese Häfen nach dem
24. Februar blockiert waren, begannen die Unternehmen, ihre Ladungen auf
Flusshäfen wie Izmail, Reni und Ust-Dunaysk umzuleiten. Und das Volumen der
Ladung nahm zu. Im März wurden null Tonnen landwirtschaftlicher Produkte
über die [1][Liegeplätze der Donauhäfen] umgeschlagen, im April waren es
schon 400.000 Tonnen, im Mai 800.000 Tonnen und im Juni 1.300.000 Tonnen.
Um die Tonnage der Flotte zu erhöhen, haben wir mit dem Ausbaggern
begonnen. Zurzeit sind die Baggerarbeiten im Hafen von Izmail vollständig
abgeschlossen, in Reni gehen die Baggerarbeiten weiter. Erschwert wird
alles durch den Umstand, dass Russland die Brücken, die Bessarabien mit
Odessa verbinden, mit Raketen beschossen hat.
Können die Flusshäfen die Seehäfen für den Export von Getreide und
Düngemittel ersetzen?
Nein. Zwar konnten wir den Export von landwirtschaftlichen Erzeugnissen
über die Donau steigern. Das Gleiche gilt für den Schienen- und
Straßenverkehr. Doch ist all das natürlich nicht mit den Möglichkeiten von
großen Häfen, wie Odessa zum Beispiel zu vergleichen. Über diesen hatten
wir vor dem Krieg monatlich etwa fünf Millionen Tonnen landwirtschaftlicher
Erzeugnisse umgeschlagen.
Will die Ukraine die Getreideexporte in den nächsten Monaten erhöhen?
Ja, natürlich. Aber wir können nicht in vollem Umfang arbeiten, weil
[2][Russland nicht tut, was es tun sollte]. Die Russische Föderation
fordert, dass es acht statt vier Inspektoren geben sollte. Warum zwei
Personen von jeder Seite, wenn eine Person ausreicht? Dies zeigt einmal
mehr, dass sie Probleme künstlich schaffen. Die Russische Föderation
besteht auf einer vollständigen Inspektion aller Schiffe. Also auch zum
Beispiel Tanker mit Sonnenblumenöl. Nur, was kann schon in diesem Öl drin
sein? Warum müssen sie es überprüfen? Als Folge dieser destruktiven
Vorgehensweise befinden sich nun mehr als 80 Schiffe in der Warteschlange.
Einige dieser Schiffe warten schon seit Monaten. Dies ist ein großer
Verlust für den, der das Schiff betreibt. Der Getreidekorridor arbeitet
nicht so effizient, wie er sollte.
Gibt es eine Möglichkeit, den Getreidedeal auf weitere Häfen auszuweiten?
Leider noch nicht. Die Ukraine arbeitet jedoch intensiv daran, die Liste
der Häfen um den Hafen von Mykolajiw zu erweitern.
Gibt es wegen des Getreidekorridors weniger Luftangriffe auf Odessa?
Ich habe darüber nachgedacht, aber ich glaube nicht, dass der Getreidedeal
einen großen Unterschied macht. Sie schießen auf Kindergärten,
Geschäftszentren, Einkaufszentren. Sie können überall und jederzeit
schießen. Das ist nur eine Illusion. Der einzige Schutz, der sowohl für
Odessa als auch für all unsere anderen Städte infrage käme, sind gute
Waffen.
Russland beschießt derzeit [3][vermehrt Infrastruktur] in der Ukraine. Was
bedeutet das für die Häfen?
Das merkt man natürlich im Hafen. Als der erste Stromausfall eintrat, waren
alle Häfen geschlossen. Auch bei Luftalarmen wird die Arbeit unterbrochen.
Dann gehen alle Mitarbeiter auf einem speziell genehmigten Weg in den
Luftschutzkeller und bleiben dort bis zum Ende des Alarms. An manchen Tagen
hatten wir fünf oder mehr solcher Alarme pro Tag.
3 Jan 2023
## LINKS
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[3] /Ukraine-zur-Jahreswende/!5897516
## AUTOREN
Bernhard Clasen
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Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
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Russland
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