# taz.de -- Russischer Sport im Abseits: Zickerei in der Loipe | |
> Russlands Langläufer sind vom Weltcup ausgeschlossen. Bei einer Rennserie | |
> in Russland wird die große Langlaufwelt ein wenig nachgespielt. | |
Bild: Vorneweg in Russland: Alexander Bolschunow bei einem Rennen in der Nähe … | |
Johannes Høsflot Klæbo hat es einmal mehr allen gezeigt. Der Langläufer aus | |
Norwegen hat bereits zum dritten Mal die Tour de Ski gewonnen, jenes | |
Mehretappenrennen um den Jahreswechsel, dessen Gewinner sich als der beste | |
Allrounder der Szene bezeichnen kann. Fünf der sechs Etappen hat Klæbo | |
gewonnen. Ob klassisch oder in der Skating-Technik, der Norweger hat die | |
Konkurrenz beherrscht. | |
Nur einmal war er nicht ganz vorne, bei der Schlussetappe hinauf auf die | |
Alpe Cermis über dem Val die Fiemme ist er nur Fünfter geworden. Die | |
Langlaufwelt verbeugt sich vor dem Dominator. Nur aus Russland kommen | |
missgünstige Kommentare. | |
Dmitri Swischtschew, der Vorsitzende des Staatsduma-Ausschusses für | |
Körperkultur und Sport, meinte: „Klæbo hat in Abwesenheit unserer Stars | |
gewonnen und weiß, dass er einer der Stärksten ist, aber nicht der | |
Stärkste. Wie ist es wohl, den Titel zu bekommen, wenn man das weiß? Du | |
gewinnst, aber du spürst, dass es Leute gibt, die stärker sind als du.“ | |
Damit spielte er vor allem auf den dreifachen Olympiasieger von Peking | |
2022, Alexander Bolschunow, an. Der ist, [1][wie alle russischen Athleten], | |
wegen des Angriffskriegs ihres Heimatlands gegen die Ukraine [2][von | |
Wettbewerben des internationalen Skiverbands ausgeschlossen]. | |
Und während man sich im Weltcup längst an die Abwesenheit der russischen | |
Konkurrenten gewöhnt hat, werden [3][die Scharmützel, die sich Klæbo und | |
Bolschunow] in den vergangenen Jahren auf und abseits der Loipen geliefert | |
haben, in Russland vermisst. Auf irre Wettkämpfe waren Anspielungen Klæbos | |
auf das russische Staatsdopingsystem gefolgt, woraufhin von russischer | |
Seite verbal zurückgeschossen wurde. Vorbei. Klæbo läuft im Weltcup und | |
Bloschunow im Russland-Cup. | |
## Russland-Cup statt Weltcup | |
Bei der Wettkampfserie in Russland wird der Weltcup nachgespielt. So darf | |
der Führende in der Gesamtwertung ein gelbes Trikot tragen. Das präsentiert | |
Alexander Bolschunow dieser Tage stolz auf seinen Social-Media-Kanälen und | |
fast sieht das so aus, als sei er immer noch der Beste der Welt. Bolschunow | |
ist einer der sportlichen Hauptdarsteller des russischen Propagandaapparats | |
und weiß, was von ihm verlangt wird. Ein Einsatz an der Heimatfront. | |
Noch während der Spiele von Peking Anfang Februar 2022 war der Sportsoldat | |
wegen seiner großen Erfolge befördert worden. Er ist nun Hauptmann der | |
Nationalgarde der Russischen Föderation. Nach Beginn der russischen | |
Angriffe auf die Ukraine trat er bei den Feierlichkeiten zum Jahrestag der | |
Annexion der Halbinsel Krim mit Russlands Staatspräsidenten Waldimir Putin | |
im Moskauer Luschniki-Stadion auf. Nun tourt er auf seinen Langlaufbrettern | |
durch die winterlichen russischen Provinzen. | |
Doch so richtig Begeisterung mag darüber nicht aufkommen. Wenn da nicht der | |
Kleinkrieg wäre, den Bolschunow gegen einen seiner Konkurrenten austrägt, | |
es würde sich wohl kaum jemand für den Russland-Cup interessieren. | |
Bolschunow zofft sich schon die ganze Saison über mit Sergej Ustjugow, | |
einem anderen mehrfachen Olympiasieger und Tour-de-Ski-Gewinner aus | |
Russland. Der hatte sich zu Beginn der Saison aus der Nationalmannschaft | |
verabschiedet und trainiert seitdem eigenverantwortlich. | |
## Der Sieg des alten Sacks | |
Und doch hat er, als er in die Rennserie eingestiegen ist, gleich den | |
Sprint gewonnen. Er als alter Sack habe die Nationalmannschaftsfahrer wie | |
alte Säcke aussehen lassen. Mit solcherart Neckerei begann, was sich längst | |
zu einer großen Zickerei ausgewachsen hat. Mal will der eine dem anderen | |
die Hand nicht reichen, weil er der Meinung ist, der habe ihn geschnitten. | |
Dann verhaken sich wirklich die Skier der Konkurrenten. Es kommt zum Sturz. | |
Ein wenig Blut fließt und sogar von einem Schlag ins Gesicht wird | |
berichtet. | |
Geht doch. Mit einem Mal wird doch über Langlaufen gesprochen in Russland. | |
Die anderen Läufer bitten die beiden Streithähne um Mäßigung und hoffen | |
vielleicht doch, dass sich die Streithähne noch möglichst oft bekämpfen in | |
dieser Saison. Am Donnerstag steht wieder ein Sprint im Russland-Cup an. | |
Alexander Bolschunow, der fast noch kein Rennen ausgelassen hat in diesem | |
Winter, wird in jedem Fall an den Start gehen. Ustjugows Start in | |
Syktywkar, einer Provinzhauptstadt 1.000 Kilometer nordöstlich von Moskau, | |
ist noch ungewiss. Er will nach Tagesform entscheiden, ob er antritt. | |
Bis April läuft die Rennserie noch. Mal sehen, ob der Streit von Bolschunow | |
und Ustjugow so lange trägt. Die WM im nordischen Skisport ist dann längst | |
gelaufen. Sie findet vom 21. Februar bis zum 5. März 2023 in Planica statt. | |
Ohne Russland, aber ganz gewiss mit Johannes Høsflot Klæbo. | |
10 Jan 2023 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
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