# taz.de -- Nachruf auf Ski-Ikone Rosi Mittermaier: Jeder Tag ein Geburtstag | |
> Rosi Mittermaier wurde nach ihrem Olympia-Triumph 1976 zur „Gold-Rosi“ | |
> der Nation. Zum Erfolg fand sie auch, weil sie ihn nicht verbissen | |
> suchte. | |
Bild: Rosi Mittermaier mit ihren drei olympischen Medaillen nach den Winterspie… | |
Der erste Termin hat sich fast angefühlt wie ein Besuch bei Freunden. Rosi | |
Mittermaier bat ins Esszimmer an den Tisch mit der Eckbank. Der Anlass war | |
ein Jubiläum. 20 Jahre davor hatte sie bei den Olympischen Winterspielen in | |
Innsbruck die Abfahrt und den Slalom gewonnen, war zur „Gold-Rosi“ geworden | |
für eine ganze Nation. Sie fand eigentlich nicht, dass dieser Jahrestag | |
eine größere Erwähnung verdienen würde. | |
Aber sie erzählte dann doch von damals, kam von einem zum nächsten, und was | |
ihr nicht einfiel, fügte ihre [1][Ehemann Christian Neureuther] hinzu. Es | |
war mehr Unterhaltung als Interview, und die Zeit verging. Irgendwann war | |
Mittagszeit, die Kinder kamen von der Schule. Wie selbstverständlich wurde | |
man gebeten, zum Essen zu bleiben. Dass es nur kalten Schweinebraten gab, | |
war Rosi Mittermaier auch Jahre danach noch peinlich. | |
Am Mittagstisch saß ein fröhlicher Junge von knapp zwölf Jahren, der | |
versuchte, eine mittelprächtige Schulaufgabennote dem Papa als Erfolg zu | |
verkaufen. Es gelang ihm nicht ganz. Die Mama musste er nicht überzeugen. | |
Die fand sowieso, es sei viel wichtiger, dass es Felix gut ginge, dass er | |
gesund und glücklich sei. | |
Das war Rosi Mittermaier. Kein getriebener Mensch, der sich über Medaillen | |
definierte. Sie suchte nicht den Erfolg, aber vielleicht gerade deshalb | |
fand der Erfolg sie. [2][Als Felix Neureuther] 2010 in Kitzbühel sein | |
erstes Weltcuprennen gewann, sorgte sie sich zuerst um dessen Gesundheit, | |
weil er in dünnen Turnschuhen im Schnee stehen musste. Sie sah in erster | |
Linie den Menschen [3][und dann erst den Sportler.] | |
## Vorbild mit ihrer Bescheidenheit | |
Freundlich, offen, bescheiden, ehrlich – so haben sie ihre Kolleginnen im | |
Ski-Zirkus kennengelernt – und so ist sie all die Jahre geblieben. Neid war | |
ihr fremd, früher freute sie sich über Erfolge der Konkurrentinnen wie über | |
die eigenen. Wenn es ging, mied Mittermaier das Rampenlicht, wenn nicht, | |
nahm sie es hin – und machte das Beste daraus, nutzte es zum Beispiel, um | |
anderen Menschen, die nicht so viel Glück hatten, zu helfen. Mittermaier | |
nahm sich nie wichtig. Und war gerade deshalb für viele ein Vorbild. | |
Geboren am 5. August 1950 in München, aufgewachsen oberhalb des | |
Wintersportortes Reit im Winkl auf der Winklmoosalm, spielten Bewegung, | |
Natur und Sport früh eine Rolle in ihrem Leben. Wenn sie mit den | |
Schwestern, der zehn Jahre älteren Heidi und der knapp drei Jahre jüngeren | |
Evi, über die Hügel sauste, empfand sie das als „totale Freiheit“. Dass s… | |
die später, als sie in den Ski-Kader aufgenommen wurde, nicht mehr so | |
hatte, nahm sie hin. Mit 15 Jahren lernte sie Christian Neureuther kennen, | |
ebenfalls ein Ski-Talent. Als er „dieses Mäderl am Pistenrand mit den zwei | |
Zöpfchen und zwei Grübchen“ gesehen habe, sei es um ihn geschehen gewesen, | |
erzählte Neureuther später. 1980 heiratete er „dieses Mäderl“, das läng… | |
keine Zöpfe mehr trug. Sie führten eine glückliche Ehe. | |
Als Rosi Mittermaier in Innsbruck innerhalb von drei Tagen zwei | |
Goldmedaillen gewann und anschießend noch Silber im Riesenslalom, war das | |
beschauliche Leben vorbei. Der Rummel, gab sie zu, „war schon krass“. Sie | |
erzählte: „Ich dachte, nach drei Wochen ist alles vorbei.“ Aber Fans | |
belagerten ihr Haus noch Monate danach. Leute stiegen einfach über den Zaun | |
und starrten ungeniert in die Fenster und der Familie auf den Esstisch. | |
Knapp vier Monate später beendete sie ihre Karriere, nach 10 Weltcup-Siegen | |
und drei olympischen Medaillen. Sie ist dann viel gereist, hat Dinge | |
ausprobiert, die es in der Idylle hoch über Reit im Winkl nicht gab. | |
Motorradfahren, Surfen, Fallschirmspringen. | |
Die Medaillen haben ihr Leben verändert, aber nicht sie selbst. Als | |
anlässlich ihres 70. Geburtstags Verwandte und Freunde eine kleine Party | |
feiern wollten, lehnte sie ab, fuhr mit ihrem Christian lieber in die | |
Berge. Der Jubeltag war ihr nicht so wichtig. Rosi Mittermaier sagte | |
damals, sie habe doch jeden Tag Geburtstag, „weil es mir gut geht“. Immer | |
das Positive zu sehen, ist auch etwas, das bleibt von Rosi Mittermaier. | |
5 Jan 2023 | |
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## AUTOREN | |
Elisabeth Schlammerl | |
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