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# taz.de -- Streiks in Großbritannien: Im Kittel auf die Straße
> In Großbritannien streiken 100.000 Pflegekräfte für höhere Gehälter.
> Konservative haben das Gesundheitssystem lange vernachlässigt.
Bild: Streik der Pflegekräfte vor dem St Thomas' Krankenhaus am 15. Dezember i…
London taz | Bei Temperaturen von unter 5 Grad Celsius haben am Donnerstag
rund 100.000 Menschen mit Schürzen, Kitteln und Wollmützen bekleidet und
mit Protestschildern in den Händen vor den Krankenhäusern Großbritanniens
gestanden. Die britischen Krankenpfleger:innen in England, Wales und
Nordirland haben zum ersten Mal in der Geschichte des Landes einen
zwölfstündigen Streik organisiert. Gleichzeitig war es der größte Streik in
der Geschichte des 1948 gegründeten [1][britischen Gesundheitssystems
(NHS)].
Die Pflegekräfte fordern eine Gehaltserhöhung von 19 Prozent, nicht nur
wegen der gestiegenen Lebenshaltungskosten, sondern auch, um damit nicht
vorgenommene Gehaltserhöhungen des letzten Jahrzehnts auszugleichen, so Pat
Cullen, die Vorsitzende des Royal College of Nursing (RCN), der
Gewerkschaft der britischen Krankenpfleger:innen.
[2][Schottische] Krankenpfleger:innen fehlen beim Streik, weil sie
eine Gehaltserhöhung von 7,5 Prozent akzeptiert hatten. Diejenigen, die in
dem Sektor am schlechtesten verdienten, erhalten 11,24 Prozent mehr. Auch
eine Reduzierung der Arbeitszeit von 37,5 Stunden auf 36 Stunden wurde
vereinbart.
Die britische Gesundheitsministerin Maria Caufield sagte, es gäbe keinen
realistischen Weg, den Forderungen der Krankenpfleger:innen
nachzukommen. Die [3][britische Regierung] hatte nur eine Erhöhung von 3
Prozent genehmigt. Diese wurde vom NHSPRB empfohlen, ein Gremium, das über
die Gehälter der NHS-Mitarbeiter berät. Caufield wies darauf hin, dass
andere Angestellte des öffentlichen Dienstes gar keine Gehaltserhöhung
bekämen.
Doch bei einer Inflationsrate von 10,7 Prozent würden
Krankenpfleger:innen selbst mit einer Gehaltserhöhung von 3 Prozent
weniger als noch vor einem Jahr verdienen. Ein ehemaliger Vorsitzender des
NHSPRB gab inzwischen an, dass die Empfehlungen von Juli 2022 nicht mehr
korrekt seien und eine Neuberechnung gerechtfertigt sei.
## Rekord-Wartezeiten in der Notaufnahme
Das britische Gesundheitssystem wurde über die Jahre der konservativen
Austeritätspolitik stark vernachlässigt, dazu gehören auch Gehälter. Erst
Ex-Premier Boris Johnson änderte das. Während es Pflegekräften am
Verdienst mangelt, verbucht das NHS nicht zuletzt wegen der Pandemie einen
Rückstau von 7 Millionen ausstehenden ärztlichen Behandlungen und lange
Wartezeiten bei Notdiensten und in der Notaufnahme.
Um den Streik durchzuführen, wurden spezielle Vereinbarungen getroffen,
damit trotz laut Regierungsangaben 70.000 nicht stattfindender Termine
wenigstens die Krebsbehandlung, die Intensivpflege und Notfallbehandlung
durchgeführt werden konnten.
Krankenpfleger:innen sind aber nicht die Einzigen, die derzeit
streiken. Unter ihnen befinden sich Postangestellte der Royal Mail,
Angestellte in den Not- und Rettungsdiensten, der Bahnunternehmen und des
Grenzschutzes sowie Rechtsanwälte. Zuletzt schlossen sich auch Angestellte
von Arbeitsämtern und Fahrschullehrer:innen an. Die Streiks führen
schon jetzt zu Verkehrschaos und fehlenden Lieferungen mitten in der
Weihnachtszeit. Die Situation wird im Dezember anhalten.
Nun wird allerdings die bisher geschlossene Front innerhalb der
konservativen Fraktion porös. Bis zum frühen Nachmittag hatten sich zwei
Abgeordnete für mehr Geld für Krankenpfleger:innen ausgesprochen,
darunter auch der ehemalige Parteivorsitzende Jake Berry.
Streiks dieser Dimensionen erinnern an den „Winter of Discontent“ 1979, als
James Callaghan von der Labourpartei Verdienstgrenzen setzte, was zum
Sturz seiner Regierung führte, und an die berühmten Streiks der
Kohlegrubenarbeiter unter Ex-Premier Margaret Thatcher in den Jahren 1984
und 1985.
15 Dec 2022
## LINKS
[1] /Mythos-des-britischen-NHS/!5679246
[2] /Schottland-unterliegt-am-Supreme-Court/!5897647
[3] /Grossbritanniens-neuer-Premierminister/!5887053
## AUTOREN
Daniel Zylbersztajn-Lewandowski
## TAGS
Krankenpflege
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Inflation
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Schwerpunkt Flucht
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