# taz.de -- Anschlag auf kurdisches Kulturzentrum: Hoch angesehen | |
> Kämpferin gegen den IS, politischer Flüchtling aus der Türkei: Die | |
> Todesopfer des Anschlags in Paris waren geschätzte Teile der kurdischen | |
> Gemeinde. | |
Bild: Demonstration am 26. Dezember in Paris mit den Porträts der Ermordeten | |
Paris taz | Der 69-jährige William M. wählte seine Opfer zumindest nicht | |
komplett zufällig, als er am Freitag in [1][Paris bei der Rue d’Enghien auf | |
Kurd*Innen schoss], dabei drei Menschen tötete und drei andere schwer | |
verletzte. Das hat er inzwischen in den ersten Befragungen auch zugegeben. | |
Er hat auch gesagt, er hasse in „pathologischer Weise“ generell die | |
„Ausländer“. Die Psychiatrie soll nun prüfen, ob und inwieweit er trotz | |
eines „krankhaften“ Fremdenhasses strafrechtlich für seine Tat | |
verantwortbar und urteilsfähig ist. Die Staatsanwaltschaft hat ein | |
Strafverfahren wegen Mord, Mordversuchs aus rassistischen Motiven und | |
illegalem Waffenbesitz eingeleitet. | |
Insbesondere die kurdische Gemeinschaft in Frankreich ist empört, dass sich | |
die Antiterrorbehörde nicht in die Ermittlungen eingeschaltet hat. Bei | |
Kundgebungen am Samstag und einem Marsch für die Opfer am Montag wurde | |
verlangt, dass die französische Justiz diesen mörderischen Anschlag auf die | |
Exilkurden als terroristisches Attentat einstuft. Ihnen genügt es nicht, | |
dass das xenophobe Motiv als erschwerender Umstand gilt, der bei einem | |
Schuldspruch eine Folge für das Strafmaß hätte. | |
Die Identität der Opfer legte zunächst nah, dass William M., der wegen | |
fremdenfeindlicher Gewalt bereits polizeilich bekannt und erstinstanzlich | |
verurteilt worden war, gezielt gegen das Zentrum Ahmet Kaya vorgegangen | |
ist. Die Opfer sind keine Unbekannten, die sich zufällig an diesem | |
Treffpunkt aufhielten: Emine Kara war seit dreißig Jahren im Kampf für ein | |
unabhängiges Kurdistan engagiert, sie hatte in Syrien, im Irak und in der | |
Türkei gekämpft, auch gegen den IS. | |
Laut Angaben des Kurdischen Demokratischen Zentrums CDKF hatte sie unter | |
ihrem Kriegsnamen Evin Goyi in den kurdischen Streitkräften an der | |
Befreiung von Raqqa durch die internationale Koalition teilgenommen. Sie | |
war verletzt nach Frankreich gekommen, wo ihr Asylgesuch abgelehnt worden | |
war. Sie hatte kürzlich bei der zuständigen Behörde OFPRA einen neuen | |
Antrag gestellt. In Frankreich leitete sie die kurdische Organisation der | |
Frauen. Eine kurdische Demonstrantin sagte der Zeitung Libération, von Kara | |
stamme der Slogan „Frau, Leben, Freiheit“, der auch im Iran zum Kampfruf | |
der Frauen und der Opposition geworden ist. | |
## Beteiligt an Befreiung von Raqqa | |
Miran Perwer war ein in der kurdischen Gemeinschaft bekannter junger Sänger | |
und Komponist, der in Frankreich als Flüchtling anerkannt worden war, weil | |
er laut CDKF in der Türkei wegen „politischer Aktivitäten“, namentlich der | |
Unterstützung der Oppositionspartei HDP, verfolgt wurde. Laut dem | |
CDKF-Sprecher saß er im kurdischen Restaurant neben dem Zentrum Ahmet Kaya, | |
als er vom pensionierten Lokomotivführer William M. angegriffen wurde. | |
Beim dritten Todesopfer handelt es sich um einen älteren Kurden, | |
Abdurrahman Kizil, der fast täglich in diesen Treffpunkt kam und dort sehr | |
beliebt war. | |
Zudem ereignete sich der Anschlag gegen die Kurden in Paris fast zehn Jahre | |
nach dem Attentat vom 9. Januar 2013, bei dem drei Kurdinnen, darunter | |
führende Mitglieder der PKK, von einem Türken im selben Quartier ermordet | |
worden waren. Die Ermittlungen zu den Auftraggebern verliefen im Sande. | |
Darum steht es für die Kurden in Frankreich fest, dass es sich beim Angriff | |
am Freitag um ein politisches und terroristisches Attentat handelt und in | |
dieser Weise von der französischen Justiz behandelt werden muss. | |
27 Dec 2022 | |
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## AUTOREN | |
Rudolf Balmer | |
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