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# taz.de -- Wolfsdebatte in Niedersachsen: Geheul aus allen Richtungen
> In der Samtgemeinde Rosche tötete ein Wolf einen Hund. Zugleich will
> Niedersachsens Umweltminister Meyer Abschussgenehmigungen vorab
> veröffentlichen.
Bild: Wenn in ihr Revier ein Hund eindringt, geht das nicht gut für den Hund a…
Hannover taz | Das ist der Albtraum vieler Hundebesitzer: In der
Samtgemeinde Rosche im Landkreis Uelzen ist ein Foxterrier von einem Wolf
so schwer verletzt worden, dass er eingeschläfert werden musste. Der Hund
war schon am 17. November beim Spaziergang im Morgengrauen ausgebüxt und in
ein Feld gelaufen. Seine Besitzerin hörte ihn jaulen und fand ihn wenig
später mit zahlreichen Bisswunden. Im Maul des Hundes fanden sich
Haarbüschel, Ende vergangener Woche bestätigte das Umweltministerium, dass
eine Genanalyse des Senckenberg-Instituts ergeben habe, dass es sich
zweifelsfrei um einen Wolfsrüden gehandelt haben muss, wie [1][der NDR
zuerst berichtete]. Das Tier gehört zu einem Rudel in der Göhrde.
Nun ist die Gemeinde einigermaßen in Aufruhr und ihr Bürgermeister Michael
Widdecke gleich mit. Immerhin geschah der Vorfall in unmittelbarer Nähe zu
einem Wohngebiet. Widdecke schrieb daraufhin das niedersächsische
Umweltministerium und die örtlichen EU-, Bundes- und Landtagsabgeordneten
an mit der Bitte, man möge ihm sagen, wie sich solche Vorfälle in Zukunft
verhindern ließen, wie die Lokalredaktion der Allgemeinen Zeitung (AZ)
berichtet.
Denn auch Experten wie der zuständige Wolfsberater Raoul Reding sagen, dass
dieses Verhalten relativ normal sei: Der Wolf reagiere schlicht auf das
Eindringen in sein Revier. Problematisch sei allerdings, dass der Wolf nun
gelernt habe, dass er kleine Hunde töten könne, sagte Reding dem NDR.
Es ist der erste nachgewiesene Vorfall mit einem Hund in Niedersachsen und
er platzt mitten in eine Debatte darum, wie Niedersachsens Wolfspolitik
künftig aussehen könnte. Denn Niedersachsens neuer Umweltminister Christian
Meyer (Grüne) setzt sich beim Umgang mit Wölfen klar von seinem Vorgänger
Olaf Lies (SPD) ab – und stößt damit beim Landvolk und anderen
Institutionen erwartungsgemäß auf scharfe Kritik. So sollen in dem
Bundesland Ausnahmegenehmigungen zum Abschuss sogenannter Problemwölfe
künftig vorab angekündigt werden. Die Genehmigungen würden eine Woche vor
ihrem Erlass öffentlich einsehbar sein, sagte Meyer.
„Damit schaffen wir mehr Transparenz bei notwendigen Entnahmen und sorgen
für eine Versachlichung der Diskussion. Spekulationen, ob – und wenn ja –
wie viele Abschussgenehmigungen auf welcher fachlichen Grundlage erteilt
werden, wird damit ein Ende bereitet.“ Die vorherige Landesregierung hatte
mehrmals Ausnahmegenehmigungen für Wolfsabschüsse erteilt, das aber erst im
Nachhinein mitgeteilt. Umweltorganisationen und die Grünen hatten gegen
dieses Vorgehen protestiert und auch [2][erfolgreich vor Gericht geklagt.]
Mit der Neuregelung sei „kein genereller Stopp“ von artenschutzrechtlichen
Abschussgenehmigungen für Problemwölfe verbunden, betonte Meyer. Auch
künftig könnten Problemwölfe entnommen werden, wenn die Voraussetzungen des
Bundesnaturschutzgesetzes erfüllt seien.
Personenbezogene Daten würden bei der Veröffentlichung der
Ausnahmegenehmigungen unkenntlich gemacht oder geschwärzt, erläuterte der
Minister: „Mir ist besonders wichtig, die mit der Umsetzung rechtmäßiger
Genehmigungen betrauten Jägerinnen und Jäger vor Anfeindungen und
Repressalien zu schützen. Der Schutz derjenigen, die für uns staatliches
Handeln umsetzen, muss auch weiterhin gewährleistet sein.“
Der Naturschutz Nabu zeigt sich über den Schritt hoch erfreut. „Bisher war
unklar, welche Wölfe mit welcher Begründung zum Abschuss freigegeben worden
sind“, so Nabu-Landeschef Holger Buschmann. „Es konnte keine unabhängige
Prüfung der Fälle erfolgen, was Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit schürte.“
Dieser Kritik werde nun zurecht begegnet.“
Scharfer Widerspruch kommt dagegen vom Landvolk Niedersachsen. Mit seinem
Erlass torpediere Meyer die bisherige Politik der SPD, sagte Landvolk-Vize
Jörn Ehlers am Montag. Er stehe „in völligem Widerspruch zur bisherigen
Wolfspolitik“ und verärgere Niedersachsens Weidetierhalter.
Umweltminister Meyer mache damit „faktisch eine Entnahme so bürokratisch
und schwer, dass sie nicht vernünftig durchzuführen ist“. Das Landvolk
befürchte, dass die Jägerschaft unter solchen Umständen eine Mitwirkung an
angeordneten Entnahmen ablehnen werde, da die Sicherheit der beteiligten
Jäger und Tierhalter gegenüber den „radikalen Wolfsfans nicht
gewährleistet“ sei: „Das karikiert die bisherige Wolfspolitik.“
Zudem bemängelt Ehlers, dass Meyer gleich zu Beginn seiner Amtszeit die von
seinem Amtsvorgänger Olaf Lies (SPD) auf den Weg gebrachte Beschwerde gegen
ein Urteil des Oldenburger Verwaltungsgerichts zurückgenommen habe. Das
Gericht hatte zuvor dem Land den Abschuss eines Wolfes aus dem Kreis
Friesland untersagt und damit dem Antrag des „Freundeskreises freilebender
Wölfe“ stattgegeben.
„Die Wolfspolitik in Niedersachsen scheint sich innerhalb kürzester Zeit um
180 Grad zu drehen und besteht in Zukunft nur noch aus beschwichtigenden
Gesprächsrunden für die Tierhalter“, mosert Ehlers. Das Landvolk werde sich
„nicht mit den angekündigten Dialogrunden zum Thema Wolf abspeisen lassen,
wenn daraus nicht in kürzester Zeit Aktivitäten entstehen.“ Dass sein
Verband auch die Politik der vorherigen Landesregierung immer wieder als zu
„wolfsfreundlich“ gegeißelt hatte, verschwieg Ehlers.
Ähnlich schrill äußerte sich der Präsident der Region Hannover, Steffen
Krach (SPD). Wie Meyers Erlass zur Versachlichung der Diskussion beitragen
solle, sei ihm ein Rätsel: „Wir stoßen vielmehr damit an, dass die
Diskussion befeuert wird. Dieser Erlass trägt zur Eskalation bei.“
Das betrifft Krach nicht nur theoretisch: Die ihm unterstellte Untere
Naturschutzbehörde der Region Hannover hat gerade erst selbst eine
Abschussgenehmigung erteilt. Sie betrifft einen Wolf, der mehrere Nutztiere
gerissen haben soll. Darunter war auch das Pony „Dolly“, das der Familie
von EU-Ratspräsidentin Ursula von der Leyen gehört.
Auch auf EU-Ebene steht der Schutzstatus des Wolfes mal wieder zur Debatte:
Die konservativen Fraktionen des Parlament haben die Kommission zur
Überprüfung aufgefordert. Nach dem [3][Dolly-Vorfall] spekuliert mancher,
von der Leyen könnte nicht abgeneigt sein. Noch hat die Kommission damit
gar nicht angefangen, da nutzt die AfD die Gelegenheit schon einmal, die
niedersächsische Landesregierung zu fragen, wie sie sich denn dazu
verhalten möchte. Am heutigen Mittwoch gibt es dazu eine dringliche Anfrage
im Landtag. Die Antwort lässt sich schon erahnen: Erst mal abwarten.
14 Dec 2022
## LINKS
[1] https://www.ndr.de/nachrichten/info/Angst-unter-Hundehaltern-nach-Wolfsangr…
[2] /Urteil-zu-Infos-ueber-Wolfsabschuesse/!5831828
[3] /Wolf-riss-Pferd-von-Ursula-von-der-Leyen/!5898585
## AUTOREN
Reimar Paul
Nadine Conti
## TAGS
Niedersachsen
Christian Meyer
Wölfe
Abschuss
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Tierschutz
Landwirtschaft
Bundesamt für Naturschutz
Niederlande
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