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# taz.de -- WM-Ekstase in Marokko: Kitsch und Kraft
> Der unverhoffte Sieg Marokkos zeigt: Fußball kann noch immer die Menschen
> vereinen – aber er kann auch desintegrierend wirken.
Bild: Freude über den marokkanischen Sieg: Autokorso in Dortmund
Wann werden schon einmal zu Beginn von TV-Nachrichtensendungen Bilder
reinen Glücks gezeigt? Wann werden dort schon Erdbeben der Freude prioritär
behandelt? Wann sieht man schon einmal vor allen anderen Miseren in dieser
Welt so viele glückliche Menschen auf einen Schlag? Na klar, wenn ein
Fußballteam bei Abpfiff ein Tor mehr als das andere geschossen hat, und das
auch noch als Außenseiter wie [1][Marokko] bei dieser
Fußballweltmeisterschaft.
Es läuft wieder einmal wie am Schnürchen für die Fifa, könnte man denken.
Auf die Emotionen, die dieses Spiel im globalen Wettbewerb auszulösen
vermag, ist Verlass, auch wenn es in einem schlecht beleumundeten
[2][Wüstenstaat] ausgetragen wird. „Football Unites the World“, das soll
auf den von der Fifa gestalteten Kapitänsbinden im WM-Finale stehen, dort,
wo die Deutschen gern ihre politischen Wertebekenntnisse hinterlegt hätten.
Das mag sich wie Kitsch anhören. Die Bilder der jubelnden [3][Menschen in
Marokko], die nicht nur so ergriffen sind, weil das völlig
Unwahrscheinliche so nah zu sein scheint, sondern auch weil sie die
kollektive Unterstützung in der arabischen und afrikanischen Welt spüren,
sind aber real. Und in Europa, wo die marokkanische Community sich per
Autokorso durch Bielefeld, Brüssel und Rotterdam hupt, drücken zudem viele
aus einem klassischen Fußballreflex, der Liebe zum Außenseiter, dem
nordafrikanischen Team die Daumen.
Wären da nur nicht wieder die palästinensischen Fahnen, mit denen die
marokkanischen Fußballer auch politische Zeichen der Parteinahme in die
Welt hinausfunken. Im selben Maße wie Fußball integrierend wirkt, wirkt er
eben auch desintegrierend, weil er nicht losgelöst von gesellschaftlichen
Verhältnissen gespielt wird. Man muss der Fifa und ihrem Präsidenten Gianni
Infantino vorhalten, dass sie eine Seite des Fußballs aus Geschäftsgründen
einseitig verkitschen. Wer aber umgekehrt nur die andere Seite im Blick
hat, unterschätzt die autonome Kraft dieses Spiels, die unabhängig vom
Gebaren der Fifa Menschen miteinander glücklich macht.
11 Dec 2022
## LINKS
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## AUTOREN
Johannes Kopp
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