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# taz.de -- Radsportfreunde am Golf: Mit Regenbogentrikot durch Katar
> Die Golfstaaten und gerade Katar investieren viel Geld in den Radsport.
> Über die Menschenrechtslage dort wird beim Weltverband kaum gesprochen.
Bild: Ungewöhnliche Bilder in Katar: Frauen, die in Doha Leistungssport betrei…
Sportfunktionäre neigen zur Geschichtsvergessenheit. Die [1][Aufregung um
die „One Love“-Binde] hätte mit einem Blättern in den
Sportinvestmentannalen Katars schnell gedämpft werden können.
Regenbogensymbolik gab es dort bereits – ohne zu Eklats zu führen. 2016
fand in Katar die Straßenrad-WM der UCI statt. Die kürt ihre Sieger
traditionsgemäß mit dem Regenbogentrikot. Das gibt es bereits seit 1927.
Seit der Gay Freedom Day Parade im San Francisco des Jahres 1978 ist die –
mit einem Farbband mehr versehene – Regenbogenfahne auch das Symbol der
LGBT-Community.
Die nichtbinäre Logik des Regenbogens war 2016 also wohlbekannt. Aufruhr
stiftete dies keinesfalls. Das ist bedauerlich. Schon damals wäre
Gelegenheit gewesen, die schwulen- und lesbenfeindliche Gesetzgebung
aufzuheben.
Der Druck aufs Emirat war auch nicht sonderlich hoch damals. Die Rad-WM
fand im Schatten der Aufregungen um die damals bereits an Katar vergebene
Fußball-WM statt. Das Los der migrantischen Bauarbeiter wurde nur am Rande
thematisiert; schließlich mussten für die Wettbewerbe auf der Straße keine
neuen Stadien aus dem Wüstensand gestampft werden.
Ein Blick zurück ist dennoch sinnvoll. Denn die Rad-WM stellte den
Höhepunkt des dortigen Investments in den Radsport dar. Das Land war damals
ein echter Innovator in Sachen Sportsponsoring, noch vor den benachbarten
Regionalmächten wie den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain und
Saudi-Arabien. Die VAE richten seit 2015 Radrennen im UCI-Kalender aus,
Saudi-Arabien folgte 2020 mit der Saudi Tour. Die Emirate und Bahrain
unterhalten seit 2017 eigene Profirennställe mit Namen, Flaggen und vor
allem Finanzen des Staates.
## Starkes Feld, schwaches Publikum
Katar aber war Vorreiter, hob bereits 2002 mit der Radsportlegende Eddy
Merckx sowie dem Tour-de-France-Ausrichter ASO die Katarrundfahrt aus der
Taufe. Anlass war, dass der damalige Emir, Vater des jetzigen
Staatsoberhaupts, bei einem Frankreichbesuch in einen durch die Tour
verursachten Stau geriet und angesichts der Begeisterung der Massen für den
Radsport sofort dachte: „Das will ich auch bei mir zu Hause.“ Nun, mit der
Begeisterung wurde es nichts.
Die Katarrundfahrt wurde legendär wegen ihrer Diskrepanz aus starker
sportlicher Besetzung, dem Luxus der Herbergen und der frappanten
Abwesenheit von Zuschauern. Pionierleistung war aber auch, dass die
Katarrundfahrt bereits 2009 ein Frauenrennen auf Weltklasseniveau
ausrichtete. Das war bei den Profifrauen schwer beliebt, vor allem, weil es
einen [2][Schub an Emanzipation darstellte]: Es gab Fernsehbilder, damals
alles andere als selbstverständlich. Natürlich haftete dieser Emanzipation
im Radsport auch eine paradoxe Note an: Im Ausrichterland hatten – und
haben – Frauen nicht die gleichen Rechte.
2016, nach der WM, war ohnehin Schluss mit all der Radsportherrlichkeit.
Eine dürre Mitteilung vom Radsportweltverband UCI, dass es Probleme bei der
Sponsorensuche gäbe, verkündete die Absage für das Jahr 2017. Der neue
Emir, Sohn des alten, hatte offenbar die Lust am Spielzeug des Vaters
verloren. Das ist die Kehrseite an Interessen autokratischer Regimes. „Das
ist völlig unberechenbar. Ob etwas passiert, geschieht oftmals aus einer
Laune eines Betreibers“, erklärt Ronny Lauke, Chef des Rennstalls Canyon
SRAM. Beim Fußball ist dies nicht unbedingt zu erwarten. Die WM 2022 gilt
als Teil der Bewerbungskür [3][für die Olympischen Spiele 2026], für die
sich der Wüstenstaat warmläuft. Da heißt es, am Ball bleiben.
Das bedeutet aber auch, dass die internationale Sportöffentlichkeit
dranbleiben sollte. Denn die Menschenrechtsbilanzen in den Golfstaaten sind
weiter verheerend. Sylvia Schenk, einstige Präsidentin des Bundes deutscher
Radfahrer und Leiterin der Arbeitsgruppe Sport von Transparency
International Deutschland, forderte in einem Mailaustausch mit der taz
„eine Verpflichtung von Verbänden und Veranstaltern, die UN Leitprinzipien
für Wirtschaft und Menschenrechte (UNLP) anzuwenden und ein
Menschenrechtskonzept zu entwickeln“. Die UN-Leitprinzipien gelten seit
2011 und sind auch Grundlage des deutschen Lieferketten-Gesetzes. Laut
Schenk haben einzelne Sportverbände wie die Uefa – in Bezug auf die Euro
2024 –, die Fifa – für die WM 2026 – und auch das IOC – für die Vertr…
mit den Gastgebern ab 2024 – diese Prinzipien bereits in ihre
Vergabekriterien integriert. Was dies in der Praxis bedeutet, wird man
sehen.
Im Radsport gibt es noch andere Probleme, die durch die Geldschwemme aus
der Golfregion verursacht werden. „Man muss aufpassen, dass es bei uns in
der World Tour keine Zweiklassengesellschaft gibt. Denn das würde bedeuten,
dass 70 Prozent der Rennställe kaum noch gewinnen können und nur die
restlichen 30 Prozent die Siege unter sich ausmachen“, warnt Ralph Denk,
Teamchef von Bora hansgrohe. Die zwölf Rundfahrten im World-Tour-Kalender
machten Jumbo-Visma (3), Ineos (3), Bora hansgrohe (3), UAE (2) und Quick
Step (1) unter sich aus. UAE war mit 35 Millionen Euro Jahresetat Zweiter
hinter Ineos (50 Millionen Euro). Seit dem Einstieg von UAE beobachtet
Lauke bei den Frauen ähnliche Tendenzen. Als Gegenmittel schlägt er
Budgetobergrenzen bei den Rennställen vor.
Die UN-Leitprinzipien für Menschenrechte in Unternehmen hat die UCI im
Gegensatz zu Fifa bislang noch nicht in ihre Kriterienkataloge übernommen.
Der Regenbogen auf dem Weltmeistertrikot müsste sich vor Scham krümmen.
12 Dec 2022
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## AUTOREN
Tom Mustroph
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