| # taz.de -- Friedrich über Bahnradsport: „Ich bin nicht mehr so entspannt“ | |
| > Weltmeisterin Lea Sophie Friedrich erzählt, warum sie sich auf die | |
| > Champions League freut. Der bisherige Erfolg sei allerdings auch | |
| > herausfordernd. | |
| Bild: Lea Sophie Friedrich bei der Bahnrad-WM im französischen in Saint Quenti… | |
| wochentaz: Frau Friedrich, wie groß ist die Vorfreude auf die Track | |
| Champions League? | |
| Lea Friedrich: Sehr groß. Ich freue mich einfach darauf, wieder Rad zu | |
| fahren. Ich bin gespannt, wie es diesmal so läuft, auch im Vergleich zum | |
| letzten Jahr. | |
| Im letzten Jahr waren Sie in der Sprintwertung Zweite, [1][hinter Emma | |
| Hinze], die jetzt das Rennen auslässt. Sind Sie damit automatisch | |
| Favoritin? | |
| Ja, das haben schon viele gesagt. Aber deswegen mache ich mir keinen | |
| Stress. Ich will geben, was ich kann, und dann werde ich schon sehen, was | |
| dabei herauskommt. Aber klar, es wäre cool, zu gewinnen. | |
| Sie lassen sich nicht von der Favoritinnenrolle erdrücken? | |
| Gar nicht. Das wäre auch eine falsche Heransgehensweise. Die Konkurrenz ist | |
| auch eine andere als letztes Jahr. Darauf muss man sich einstellen. Die | |
| Gegner kennen die Stärken der deutschen Fahrerinnen und auch, was unsere | |
| Schwächen sind. Das werden sie versuchen auszunutzen. Es ist einfach ein | |
| ganz neues Spiel. Und man muss schauen, wie sich das entwickelt und wie die | |
| Ergebnisse sein werden. Aber Stress mache ich mir da nicht. Ich freue mich | |
| einfach darauf, so ein Rennen zu fahren, und will dabei mein Bestes geben. | |
| Sie sagten, die anderen wissen, was die deutschen Fahrerinnen können und | |
| was sie nicht können. Was denken Sie, was Sie nicht können? | |
| Oh, schwierige Frage. Das würde den Rahmen sprengen, das detailliert zu | |
| beantworten. Aber im Sprint und im Keirin geht es sehr viel um Taktik. Und | |
| unsere Gegner sehen schon, wie unser Fahrstil ist, und versuchen dann | |
| herauszubekommen, wie dieser Fahrstil schlagbar ist. Natürlich bleiben wir | |
| selbst auch nicht immer bei diesem Fahrstil. Aber wir nutzen unsere guten | |
| Eigenschaften. Ich zum Beispiel habe extreme Kondition, ich kann sehr, sehr | |
| lange schnell fahren und das wissen die Gegner ja auch. Und da schauen die | |
| natürlich, dass sie mein Hinterrad ausnutzen oder in meinem Windschatten | |
| fahren. | |
| Wie gefällt Ihnen der Modus und die Atmosphäre [2][bei der Champions | |
| League], auch im Vergleich zu den üblichen Bahnwettkämpfen? | |
| Ich fand es letztes Jahr schon ganz schön hart, weil wir viele Läufe und | |
| wenig Pausen dazwischen haben. Das habe ich auch kritisiert und hoffe, dass | |
| davon etwas umgesetzt wird. Richtig gut ist, dass die Sprecher den | |
| Wettkampf gut und anschaulich erklären, was gerade passiert auf der Bahn. | |
| Da verstehen auch Menschen, die sich sonst nicht so gut mit Bahnradsport | |
| auskennen, worum es geht. Auch die Musik, die gespielt wird, ist cool. Ja, | |
| es macht viel Spaß da zu fahren. | |
| Spielt das Preisgeld, immerhin 25.000 Euro pro Kategorie, auch eine | |
| stimulierende Rolle? | |
| Das Preisgeld ist natürlich schön. Aber als Sportler wollen wir immer | |
| gewinnen, das gehört einfach dazu. | |
| Wie sind Sie zum Bahnradsport gekommen? | |
| Ich habe mit 10 Jahren begonnen. Ich habe davor auch anderen Sport | |
| getrieben, ich war im Laufen und im Weitsprung richtig gut. Ich bin auch | |
| geritten. Aber dort hat man dieses Katz-und-Maus-Spiel der Taktik nicht so | |
| wie im Radsport. Beim Reiten kommt es auch mehr auf das Pferd an. Das macht | |
| nicht immer das, was ich möchte, ein Fahrrad aber schon. Und dann hat man | |
| mir gesagt, dass ich auf dem Rad viel Talent habe. Deshalb bin ich dabei | |
| geblieben, habe viel auf der Betonbahn in Rostock trainiert. | |
| Die wurde in den 1980er Jahren auf Initiative von Peter Sager, dem | |
| Jugendtrainer von Jan Ullrich, gebaut, damit Talente aus dem hohen Norden | |
| Trainingsmöglichkeiten auf der Bahn haben. Neben Ullrich haben andere | |
| Straßenstars wie André Greipel dort ihre ersten Runden gedreht. Sie aber | |
| sind dem Bahnradsport treu geblieben. Was fasziniert Sie daran? | |
| Ich finde es reizvoll, weil es einerseits um Schnelligkeit geht. Aber man | |
| muss auch clever sein, muss kämpfen, eine gute Taktik haben und ein Gespür | |
| für die Situation. Und dann kommt hinzu, dass man zwar oft gegeneinander | |
| fährt, im Teamsprint arbeitet man aber zusammen, [3][ist eine | |
| Gemeinschaft]. Das gefällt mir. | |
| Was fahren Sie lieber: Sprint oder Keirin? | |
| Oh, das ist schwer zu beantworten. Im Keirin bin ich zwar erfolgreicher … | |
| … Sie sind zweifache Weltmeisterin und Europameisterin … | |
| … aber ich mag beide Disziplinen sehr. Ich kann mich nicht gegen eine von | |
| ihnen entscheiden. Beide Disziplinen haben ihre Eigenarten und schönen | |
| Seiten. | |
| Wie sehr wurmt Sie das, im Sprint noch nicht das Regenbogentrikot erobert | |
| zu haben? | |
| Ja, irgendwann will ich das schon erreichen, aber ich bin da ja mit zwei | |
| Silbermedaillen auch erfolgreich und vorn dabei. | |
| Die letzten zwei Jahre waren für sie extrem erfolgreich. Wie gehen Sie | |
| damit um? Wie viel Schub gibt das? Und haben Sie auch gemerkt, dass Sie | |
| sich verändert haben durch die Erfolge? | |
| Ja, ich habe mich schon verändert, glaube ich. Ich bin nicht mehr so | |
| entspannt, wie ich es mal war. Ich bin ein bisschen angespannter, denn es | |
| lastet natürlich Druck auf einem, gerade wenn man Titel zu verteidigen hat. | |
| Das ist immer nicht leicht. Man ist die Gejagte, jeder schaut auf einen. | |
| Man muss versuchen, einen Weg zu finden, damit umzugehen. Ich muss jetzt | |
| schauen, dass ich eine gewisse Gelassenheit beibehalte. | |
| Hat sich im Alltag für Sie etwas verändert? | |
| Ich werde schon viel angesprochen. „Sie sind doch die aus dem Fernsehen und | |
| fahren so schnell Rad?“ Und in dem Haus, in dem ich wohne, wissen natürlich | |
| alle, wer ich bin und was ich mache. Die freuen sich aber auch riesig | |
| darüber, eine erfolgreiche Sportlerin in ihrem Haus zu haben. | |
| Wo bewahren Sie eigentlich Ihre vielen Trikots von WM- und EM-Erfolgen auf? | |
| Sie hängen schön gerahmt an der Wand. Und ich erfreue mich an ihrem | |
| Anblick, daran, was ich schon erreicht habe. Das ist so cool, das zu sehen. | |
| Und es gibt mir auch Motivation für das harte Training, das dazugehört, und | |
| die Zeit, die man opfert. Das sehen ja viele nicht, aber das ist auch | |
| nötig. Die Beine brennen dir vom Laktat. Oder du musst dich übergeben auf | |
| dem Rad. Das ist nicht immer angenehm. Aber ich weiß zumindest, dass es | |
| mich härter und besser macht. Und wenn ich dann vor den Trikots stehe, sehe | |
| ich eben auch, dass sich das auszahlt. | |
| Wie schlägt das etwas veränderte Training an, das mit dem Umzug von | |
| Schwerin nach Cottbus verbunden war? | |
| Ich finde, dass Veränderungen gut tun, man kann nicht immer dasselbe | |
| machen. Gemeinsam mit meinem Trainer versuchen wir, da immer etwas Neues | |
| einzubauen. | |
| Wie ist Ihr Verhältnis zu Emma Hinze? Sie ist ja die größte Rivalin. Jetzt | |
| wohnen Sie mit ihr in derselben Stadt, trainieren auf derselben Bahn, in | |
| derselben Trainingsgruppe. | |
| Im Privaten wie im Sportlichen kommen wir gut miteinander klar. Wir sind | |
| aber nicht in derselben Trainingsgruppe. Jede von uns hat ihren eigenen | |
| Trainer, der als Ansprechpartner da ist. Ich finde das auch gut so. | |
| Miteinander verstehen wir uns gut, wir fahren ja auch gemeinsam im | |
| Teamwettbewerb. Aber klar, wenn wir auf der Bahn gegeneinander starten, | |
| sind wir Kontrahentinnen, da will jede gewinnen, da gibt es keine | |
| Freundschaft. | |
| Von den vier Bahnen, auf denen die Champions League ausgetragen wird, | |
| welche gefällt Ihnen da am besten: Mallorca, Berlin, Paris oder London? | |
| Auf Mallorca ist das Wetter am besten, die Bahn in Paris gefällt mir auch | |
| gut. Berlin mag ich aber sehr, das ist schon meine Lieblingsbahn. London | |
| hingegen ist nicht so mein favorisierter Ort, muss ich ehrlich sagen. In | |
| Berlin ist natürlich auch die Atmosphäre besonders. Allein, wenn ich an die | |
| Weltmeisterschaft 2020 zurückdenke: Das war schon richtig cool, als da so | |
| viele gejubelt haben. | |
| Sie waren früher auch mal Fußballerin, korrekt? | |
| Ja. | |
| Es wird jetzt die WM in Katar ausgetragen. Werden Sie die Spiele anschauen? | |
| Nein, Fußball interessiert mich nicht mehr. Obwohl, Frauenfußball schon, | |
| die letzte EM zum Beispiel hat mich sehr interessiert. Aber der Rest ist | |
| nicht so meins. | |
| 20 Nov 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Tom Mustroph | |
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