| # taz.de -- Eiskunstlauf: Berliner Glücksfall | |
| > Weil die Konkurrenz im russischen Eiskunstlauf so groß ist, laufen zwei | |
| > Paare für Georgien. Seit der Teilmobilmachung trainieren sie nun in | |
| > Berlin. | |
| Bild: Weltspitze: Anastasia Metelkina und Daniil Parkman | |
| Berlin taz | So recht will die Todesspirale nicht gelingen. Dabei sind | |
| Anastasia Metelkina (17) und ihr Eispartner Daniil Parkman eigentlich ein | |
| Weltklassepaar auf dem Eis, das Element sollte für sie keine | |
| Herausforderung sein. Doch Metelkina hat Schmerzen in der linken Schulter. | |
| Darum soll ihr Partner sie an der rechten Hand fassen, während sie über das | |
| Eis gleitet. Das sind die beiden GeorgierInnen nicht gewohnt. Ihr Trainer | |
| Alexander König gibt an der Bande im Sportforum Berlin Tipps. | |
| Metelkina und Parkman trainieren gemeinsam mit ihren Landsleuten Karina | |
| Safina/Luka Berulava seit Oktober in Berlin. Beide gehören zu den besten | |
| Eiskunstlaufpaaren der Welt. Safina (18) und Berulava (19), die beim | |
| heutigen Trainingstag wegen eines Infekts fehlen, sind amtierende | |
| Juniorenweltmeister. Bei der letzten Europameisterschaft waren sie Vierte. | |
| Hinter drei russischen Paaren. Und da die Russen bei den | |
| Europameisterschaften im Januar in Finnland nicht dabei sein werden, sind | |
| die Neuberliner Topfavoriten auf den Europameistertitel. Theoretisch. Denn | |
| in diesem Jahr läuft es bei ihnen nicht ganz so gut wie im letzten. | |
| Alexander König erklärt den „Hänger“, wie er es nennt, mit normalen | |
| Wachstumsproblemen in der Pubertät: Der Körper bekommt andere Formen. Da | |
| ändern sich bei Sprüngen und Pirouetten die Drehmomente. Die SportlerInnen | |
| müssen diese Elemente neu lernen und, so König, „im Kopf diese | |
| Veränderungen auch akzeptieren. Das braucht Zeit.“ Bis Januar könnte es | |
| vielleicht klappen. | |
| Dass die Paare in Berlin trainieren, hängt mit der politischen Situation in | |
| Osteuropa zusammen. Alle vier GeorgierInnen sind in Russland geboren und | |
| aufgewachsen. Sie laufen seit Jahren für den georgischen Verband, weil sie | |
| sich davon [1][wegen der großen Konkurrenz in Russland] um Startplätze für | |
| internationale Meisterschaften bessere Möglichkeiten erhoffen. Ihre | |
| verwandtschaftlichen Bande nach Georgien sind eher weitläufig. Bis | |
| September trainierten sie in Russland. | |
| ## Russische Staatsangehörigkeit behalten | |
| Seit etwa einem Jahr haben sie die georgische Staatsangehörigkeit | |
| angenommen, um bei den Olympischen Spielen für ihre sportliche Wahlheimat | |
| starten zu können. Die russische Staatsangehörigkeit haben sie allerdings | |
| nicht abgelegt. Zu den Gründen will Daniil Parkman nicht sprechen. „Bitte | |
| stellen Sie keine politischen Fragen“, sagt er zur taz. Doch die russische | |
| Staatsangehörigkeit wurde zu einem Problem, als Russlands Präsident | |
| Wladimir Putin Ende September [2][die Teilmobilmachung verkündete]. Beide | |
| Männer mussten ihre Einberufung in die russische Armee befürchten, sagt | |
| König. | |
| Petelkina und Parkman nahmen zu diesem Zeitpunkt im bayerischen Oberstdorf | |
| an der Nebelhorn-Trophy teil, einem traditionellen Eislaufwettbewerb. „Da | |
| hat die Präsidentin des georgischen Verbandes mich über einen Mittelsmann | |
| kontaktiert“, erinnert sich Alexander König. „Sie fragte, ob ich die beiden | |
| in Berlin trainieren kann.“ Die Präsidentin versuchte damals, alle | |
| georgischen EisläuferInnen aus Russland herauszuholen, erinnert sich der | |
| Coach. Georgien habe aber, so König, keine Eishalle. Für Petelkina und | |
| Parkman war der Berliner, der die deutschen Olympiasieger [3][Aljona | |
| Savchenko] und Bruno Massot trainiert hatte, der Wunschtrainer. | |
| ## Das Herz mäandert | |
| Für König kam die Anfrage ungelegen. Vor einem Jahr kam es zum Bruch | |
| [4][mit der Deutschen Eislauf-Union DEU]. Die verkündete dem damaligen | |
| Bundestrainer, seine Dienste nicht mehr zu benötigen. Es dauerte nicht | |
| lange, bis die Eisschnelllauf-Gemeinschaft König einen Vertrag als | |
| Bundestrainer anbot. In der ihm fremden Sportart steht er allerdings nicht | |
| hinter der Bande, sondern sitzt am Schreibtisch, kümmert sich um Aus- und | |
| Fortbildung von Trainern und wissenschaftliche Projekte. | |
| Seitdem mäandert Königs Herz zwischen beiden Eissportarten. „Der | |
| Eiskunstlauf ist mir ja seit Jahren ans Herz gewachsen, aber für den | |
| Eisschnelllauf beginnt ein kleines Herz auch zu wachsen.“ Er wollte den | |
| Georgiern helfen, zu denen sich eine Woche später das andere Paar gesellte, | |
| das auf abenteuerlichen Wegen aus Perm über Lettland nach Deutschland | |
| reiste. | |
| ## Nach der eigenen Meinung gefragt | |
| Für seine georgischen Schützlinge, die König liebevoll „Kinder“ nennt, i… | |
| er weit mehr als nur Trainer. Er hat ihnen trotz angespannter Wohnungslage | |
| eine Wohnung in Berlin besorgen können, in der sie zu viert wohnen. Er ist | |
| neben anderen Trainern und Sportlern eine wichtige soziale Bezugsperson der | |
| noch jungen Sportler, die gerade lernen, in einem fremden Land ohne | |
| deutsche Sprachkenntnisse erstmals einen eigenen Haushalt zu führen und mit | |
| dem neuen Trainingsstil klarzukommen. | |
| Den loben die Georgier aber. „In Russland hieß es immer nur: Weiter, | |
| weiter, weiter“, sagt Anastasia Metelkina. Dass sie von ihrem deutschen | |
| Trainer nach der eigenen Meinung gefragt wird, eigene Vorstellungen in ihre | |
| Programme einbringen kann, sei eine Erfahrung, die sie schätzt. Die | |
| Trainingsbedingungen in Berlin sind top. Fünf Stunden pro Tag ist Training: | |
| Eis, Fitness, Ballett und – was König, der auch ausgebildeter Mediator ist, | |
| besonders wichtig ist – gemeinsame Gespräche über den Trainingsalltag. | |
| ## Auch eine Gemeinschaft | |
| Die Konkurrenzsituation der beiden Paare spüre man, sagt der Trainer. Aber | |
| sie sind auch eine Gemeinschaft. Freunde außerhalb der Eishalle haben sie | |
| in Berlin noch nicht gefunden und so erkunden sie die Stadt gemeinsam, wenn | |
| Zeit dazu bleibt. Sie lieben den Alexanderplatz und den Berliner Dom. | |
| Daniil Parkman, der älteste der vier, spricht hervorragend Englisch und | |
| muss im Training und im Alltag für die anderen drei übersetzen. | |
| Beide Paare wollen diese Saison an Europa- und Weltmeisterschaften | |
| teilnehmen, wo Georgien zwei Startplätze hat. Ihre Ziele formuliert Parkman | |
| bescheiden: „Wir wollen dort gute persönliche Leistungen zeigen und eine | |
| gute Verbindung zum Publikum aufbauen.“ | |
| Für Berlin sind die georgischen Weltklasseläufer ein Glücksfall. Denn im | |
| nacholympischen Jahr sind in Berlin hauptsächlich Juniorenpaare übrig | |
| geblieben, die den Anschluss an die Weltspitze erst noch finden müssen. | |
| „Mit ihrem Ehrgeiz, ihrem Fleiß und ihrem technischen Knowhow haben die | |
| Georgier eine Sogwirkung“, sagt König. Auch Sportdirektorin Claudia Pfeifer | |
| sieht das so. | |
| Ihr Verband sei „grundsätzlich daran interessiert, zur Förderung ihrer | |
| Sportler leistungsstarke Trainingsgruppen zu bilden“, sagt sie. | |
| 1 Dec 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Marina Mai | |
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