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# taz.de -- WM schlägt Staatspropaganda: Chinesisches Eigentor
> Durch die WM sieht das TV-Publikum in China, dass man im Ausland mit
> Corona zu leben weiß. Der Unmut über die eigene Lockdown-Strategie
> wächst.
Bild: Chinas einziger WM-Teilnehmer: Schiedsrichter Ma Ning (Mitte) in Katar
Ein Fest der Freude hatten die chinesischen Fußballfans bei dieser
Weltmeisterschaft in Katar eh nicht zu erwarten. Das stand bereits nach der
haushoch verpassten Qualifikation der Nationalmannschaft fest. Doch der
tatsächliche Grund für den massiven Frust vieler Fernsehzuschauer im Reich
der Mitte ist kein sportlicher: Angesichts voller Stadien und jubelnder
Fans stellen nicht wenige von ihnen plötzlich die Coronamaßnahmen ihrer
eigenen Regierung infrage. „Ich kann es nicht fassen: So viele Menschen auf
einem Haufen ohne Maske?“, schreibt ein User auf der Smartphone-App Wechat.
Tatsächlich ist das Schauen der Weltmeisterschaft eine geradezu surreale
Erfahrung: Während Millionen Chinesen [1][im Lockdown sitzen] und
vorsorglich Nahrungsvorräte angelegt haben, feiern in Katar zehntausende
Fußballbegeisterte ausgelassen im Stadion. „Meine größte Erkenntnis aus der
WM: Niemand trägt eine Maske, und niemand hat Angst vor der Pandemie!“,
postet ein weiterer Nutzer.
Ein Video wurde auf den sozialen Medien ganz besonders häufig geteilt: Es
zeigt japanische Fans im Shibuya-Viertel von Tokio, die euphorisch den Sieg
gegen Deutschland feierten. „Leben die auf derselben Welt wie wir?“, fragt
ein Nutzer auf der Onlineplattform Weibo, offensichtlich verdutzt über den
Alltag im Nachbarland.
Die Realität innerhalb Chinas könnte unterschiedlicher nicht sein: Nachdem
am Donnerstag mit über 31.000 Infektionsfällen der höchste Wert seit Beginn
der Pandemie registriert wurde, sind unzählige Städte wieder in einen
strikten Lockdown versetzt worden. Und bereits seit vielen Monaten wird der
Alltag der Bevölkerung von nahezu täglichen PCR-Tests und [2][erratischen
Einschränkungen] dominiert. Reisen in benachbarte Provinzen sind seit
Jahresbeginn nahezu unmöglich, an Ferien im Ausland ist nicht einmal zu
denken.
## Behauptetes Chaos im Ausland
Doch gleichzeitig ist es für viele Chinesen schwer, sich ein Bild vom
weltweiten Pandemiegeschehen zu machen. Die Propaganda der Staatsmedien
behauptet nach wie vor, dass das Ausland im Covid-Chaos versinkt, während
die Volksrepublik als einziger Staat der Welt die Menschenleben vor dem
Virus schützen kann. Sämtliche Schattenseiten der eigenen
Lockdown-Strategie werden aus dem Internet gelöscht. Und dass weite Teile
der Welt mit dem Virus zu leben gelernt haben, wird ebenfalls verschwiegen.
Die Fußball-WM wird hingegen im Staatssender CCTV übertragen. Dort wird
stolz betont, dass chinesische Firmen das Turnier durch den Bau des
Lusail-Stadions, gelieferte Elektro-Busse und [3][großzügige Sponsorings]
erst möglich gemacht haben. Doch letztlich konnten die Behörden nicht damit
rechnen, dass die Wirkung eines harmlosen Fußballturniers auf die eigene
Bevölkerung zum Propaganda-Eigentor ausarten würde.
Denn in Peking ist es derzeit nicht einmal möglich, die Spiele in einer
Kneipe zu schauen. Geschäfte, Schulen und Parks sind seit dieser Woche
geschlossen. Jeden Tag werden hunderte Wohngebäude abgeriegelt. Wer noch
auf die Straße darf, sieht eine zutiefst deprimierte Stadt: Die wenigen
Passanten draußen stehen meist in riesigen Schlangen vor den
PCR-Teststationen an.
Und da am Donnerstagabend erneut Lockdown-Gerüchte die Runde machten, sieht
man wieder Pekinger mit riesigen Plastiktüten voller Gemüse und Reis durch
die Straßen ziehen, um sich für den Notfall zu wappnen. Fußball ist
angesichts solcher Probleme schlussendlich ein Luxusproblem.
24 Nov 2022
## LINKS
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[3] /Politische-Haltung-im-US-Basketball/!5628498
## AUTOREN
Fabian Kretschmer
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Olympische Winterspiele 2022
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