Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Nachruf auf Dopingexperte Werner Franke: Professor und Aktivist
> Der Biologe Werner Franke hat als leidenschaftlicher Aufklärer im Kampf
> gegen Doping vieles bewirkt. Nun ist er im Alter von 82 Jahren gestorben.
Bild: Werner Franke, ehemaliger Biologe und Anti-Doping-Experte
Der weltweit renommierte Krebsforscher und Anti-Doping-Experte Werner
Franke aus Heidelberg ist am 14. November im Alter von 82 Jahren
verstorben. Bis zum Jahr 2021 war der Wissenschaftler noch oft im Deutschen
Krebsforschungszentrum (DKFZ) in seinem Labor anzutreffen. Mehr als fünf
Jahrzehnte hatte sich der mit vielen Wissenschaftspreisen ausgezeichnete
Professor für Zell- und Molekularbiologie [1][mit seiner Frau, Brigitte
Berendonk,] der Doping-Aufklärung im Sport gewidmet.
Berendonk nahm als Diskuswerferin 1968 und 1972 für die Bundesrepublik an
den Olympischen Spielen teil und sah, wie sich dort ihre Konkurrentinnen
durch enormen Muskelzuwachs, verursacht durch Anabolika, verändert hatten.
Seither warnten beide in der Öffentlichkeit vor der Doping-Seuche, doch die
Funktionäre und Politiker ignorierten größtenteils die Mahnungen.
1991 veröffentlichten beide das Buch „Doping-Dokumente. Von der Forschung
zum Betrug“, worin sie das systematische Doping in der DDR, aber auch im
Westen aufdeckten. In der einstigen Militärmedizinischen Akademie der DDR
in Bad Saarow gelang es dem Ehepaar nach dem Mauerfall, streng geheime
Dopingakten vor der Vernichtung zu bewahren und öffentlich zu machen.
Besonders die Vergabe von männlichen Sexualhormonen an Mädchen und junge
Frauen kritisierte Franke „als menschenverachtend und schweres Verbrechen“.
Auch die Mitverantwortung des Anabolika-Herstellers „VEB Jenapharm“ in Jena
sowie beteiligter Wissenschaftler am kriminellen DDR-Staatsdopingsystem
hatte er offengelegt. 2004 wurden Franke und Berendonk mit dem
Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Franke hatte wegen seiner
Aufklärungsarbeit in den Reihen der Sportfunktionäre, Ärzte und Politiker
viele Gegner, wurde oft verklagt, konnte jedoch die Verfahren meist
gewinnen.
## Strafanzeige gegen DDR-Sportfunktionäre
Franke war es auch, der bereits 1991 Strafanzeige gegen Verantwortliche des
DDR-Staatsdopings stellte, woraufhin viele Täter bis hin zum langjährigen
DDR-Sportchef Manfred Ewald und dem leitenden Mediziner Manfred Höppner
verurteilt wurden. Aber er brachte auch mehrere West-Doper wie den
einstigen Leichtathletik-Bundestrainer Heinz-Jochen Spilker vor Gericht.
Franke war als ein Mann der klaren Worte bekannt: Das Ende 2015 in Kraft
getretene Anti-Doping-Gesetz hielt er für „eine lügenhafte Verarschung des
Volkes“. Er hatte lange zuvor darauf hingewiesen, dass in Deutschland die
Schweigepflicht, auf die sich Doping-Ärzte gern beriefen, ein Unding sei.
Selbst das für den Sport zuständige Bundesinnenministerium habe seit den
siebziger Jahren Doping-Mediziner geschützt.
Insbesondere hatte Franke darauf aufmerksam gemacht, dass es schwere
Erkrankungen und Todesfälle bei Sportlern geben muss, die genetisch
veranlagt sind. Wobei der überwiegende Teil solcher Gene in Frankes Labor
im DKFZ entdeckt und diagnostizierbar gemacht worden war. So hatte der
frühere hochgedopte DDR-Kugelstoßer Gerd Jacobs aus Berlin eine Mutation,
die bekannt dafür ist, dass sie zu Herzschäden führen kann. Was bei Jacobs
zu einer Herztransplantation führte. Er verstarb aber doch 15 Jahre später,
im Dezember 2015.
Franke beklagte den geringen Wissensstand der Sportärzte, auch von
einstigen Doping-Professoren wie Armin Klümper und Joseph Keul der Uni
Freiburg. Die Dopingvergehen beim deutschen Rad-Team Telekom von Jan
Ullrich und Kollegen [2][wies er vor Gericht nach.]
Zu den mit Anabolika zustande gekommenen Leichtathletik-Rekorden von
DDR-Stars wie Marlies Göhr, Marita Koch, Heike Drechsler, Ulf Timmermann
und weiteren sagte Franke: „Das ist alles eine Farce und keine Orientierung
für die heutige Sportjugend.“ [3][Zudem kritisierte er den
Doping-Opfer-Hilfe-Verein], den er einst mitbegründete. Dieser würde
unwissenschaftlich arbeiten.
Die Nationale Anti-Doping-Agentur hielt Franke für einen „zahnlosen Tiger“,
deren fachliche Kompetenz er in Frage stellte. Aber auch die Zunft der
Sportjournalisten kritisierte er öfters heftig. Etliche von ihnen hätten
durch übertriebene Jubel-Berichte und Wegschauen „Betrug am Volk“ begangen.
Sein jahrelanges Wirken bilanzierte er so: „Als Wissenschaftler ist es
meine Pflicht, auf Missstände hinzuweisen.“ Zum Doping erklärte er im Jahr
2020: „Heute wird aufgrund der etwas verbesserten Kontrollen zwar weniger
und teils versteckter gedopt. Aber das Betrugspotenzial ist immer noch
gewaltig.“ Seine kritische Stimme wird nun fehlen.
16 Nov 2022
## LINKS
[1] /Anti-Doping-Kaempferin-Berendonk-wird-80/!5847595
[2] /Ex-Radprofi-Ullrich-scheitert-mit-Klage/!5137415
[3] /Streit-im-Doping-Opfer-Hilfeverein/!5542572
## AUTOREN
Thomas Purschke
## TAGS
Doping im Spitzensport
DDR
Radsport
Doping im Spitzensport
Doping im Spitzensport
Doping
Dopingopfer
## ARTIKEL ZUM THEMA
Nachruf auf DDR-Dopingmediziner: Das Erbe von IM „Technik“
Wie erst jetzt bekannt wurde: DDR-Chefdoper Manfred Höppner ist im Alter
von 89 Jahren im Oktober 2023 in Grünheide verstorben.
Anti-Doping-Kämpferin Berendonk wird 80: Die Aufklärerin
Die einstige Leichtathletin und Anti-Doping-Pionierin Brigitte Berendonk
feiert 80. Geburtstag. An den „sauberen Sport“ glaubt sie nach wie vor
nicht.
Aufarbeitung der DDR-Sportgeschichte: Ringen um die Wahrheit
Der juristische Zwist zwischen Ex-Mitstreitern des
Doping-Opfer-Hilfe-Vereins geht weiter. Im Raum steht der Vorwurf einer
maßlosen Opferdarstellung.
Streit im Doping-Opfer-Hilfeverein: Hilfe, Opfer!
Ines Geipel steht an der Spitze des Doping-Opfer-Hilfevereins. Mit Erfolg.
Doch einige Ex-Mitstreiter*innen wenden sich von ihr ab.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.