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# taz.de -- Doku über Terroranschläge in Paris: Vor und nach dem 13. November
> „Terror in Paris: Chronik einer Fahndung“ arbeitet auf, weshalb die
> Attentate in Paris 2015 nicht verhindert werden konnten.
Bild: Auf der Ehrentribüne wird Präsident Hollande informiert, dass es Tote g…
Der Franzose Christophe Cotteret hatte bereits vielbeachtete
Dokumentarfilme über den Arabischen Frühling in Tunesien („Ennahdha, une
histoire tunisienne“) und über den ruandischen Präsidenten Paul Kagame auf
seiner Werkliste. Für seine Analyse der polizeilichen und gerichtlichen
Ermittlungen nach den Pariser Attentaten vom 13. November 2015 konnte er
sich auf Archivmaterial und Aussagen aus erster Hand hochrangiger Politiker
wie Ex-Präsident François Hollande, von Staatsanwälten und
Geheimdienstleuten mehrerer Staaten stützen.
Ausgangspunkt des Films, [1][der in der Arte-Mediathek zu sehen ist]: die
Attentate konnten wegen des eklatanten Mangels an Kooperation in der
Terrorbekämpfung nicht verhindert werden. Die Fahndung nach den Tätern und
Hintermännern danach führte zu einer engen Zusammenarbeit im Rahmen von
Europol und Eurojust und zu einem Informationsaustausch mit den USA.
Inwieweit diese verstärkte Überwachung wegen der Bedrohung durch den IS im
Nachhinein aber auch zu einem Problem für demokratische Freiheiten werden
kann, wird nur zum Schluss des Films kurz angesprochen.
Der Film beginnt zwangsläufig mit den Attentaten: Am Abend des 13. November
2015 spielte Deutschlands Fußballmannschaft im Stade de France von
Saint-Denis gegen das französische Nationalteam. Während der
Live-Übertragung ist eine erste Detonation zu hören, die ohne Reaktion
bleibt, dann eine zweite. Die Spieler bleiben stehen, auf der Ehrentribüne
wird Präsident Hollande informiert, dass es bei terroristischen Explosionen
Tote gegeben habe. Eine Serie von mörderischen Anschlägen hat begonnen. Bei
den Angriffen auf die Terrassen von Cafés im Pariser Zentrum und auf den
Konzertsaal Bataclan werden 129 Menschen getötet, Hunderte verletzt, 99 von
ihnen sehr schwer.
Ein paar Szenen mit Rettungsmannschaften, Sirenen von Ambulanzen genügen,
um in Erinnerung zu rufen, was für einen Schock dieser Angriff ausgelöst
hat. Cotteret appelliert nicht mit besonders schrecklichen Aufnahmen von
den Tatorten an die Sensationslust des Fernsehpublikums. Von den
Archivbildern der ersten Stunden dieser Terrornacht wählte er die kurze
Rede des Staatspräsidenten, der die Nation am Fernsehen informierte, dass
Attacken mit Dutzenden von Todesopfern noch im Gange waren, sowie eine
Stellungnahme des damaligen Staatsanwalts François Molins, der nach der
Erstürmung des Bataclan durch die Polizei als einer der Ersten das
grauenvolle Ausmaß des Blutbads konstatierte.
## Wendepunkt der europäischen Antiterror-Kooperation
Gleich zu Beginn des 90-Minuten-Films fragt Cotteret also: Wäre das nicht
zu vermeiden gewesen? Und wer trägt eine Verantwortung für Versäumnisse?
Der französische Dokumentarfilmer zeigt in seiner Chronologie, wie es
beispielsweise dazu kommen konnte, dass acht Mitglieder dschihadistischer
Mordkommandos im Auftrag des IS unbehelligt einreisen und ihre Aktionen
vorbereiten konnten.
Seit 2013 wusste Präsident Hollande dank Geheimdienstinformationen, dass
die Dschihadisten in Syrien Angriffe gegen Frankreich planten. Doch: Wann,
wie und wo? Das konnte ihm niemand sagen. Spätestens nach dem mörderischen
[2][Attentat gegen „Charlie Hebdo“ im Januar 2015] war klar, dass die Angst
in Paris mehr als begründet war. Bei Fluchtbewegungen aus Syrien waren
zudem vermutlich auch Terroristen unerkannt eingereist.
Der damalige Innenminister Bernard Cazeneuve bedauert verbittert, dass
seinen Diensten wichtige Informationen von anderen Ländern vorenthalten
wurden – bis es zu spät war. Das betrifft die Kooperation mit Belgien, von
wo die Mehrzahl der Täter gekommen war. „Europa war für die IS-Terroristen
wie ein großer Spielplatz“, meint verbittert Didier Le Bret, der damals den
französischen Nachrichtendienst koordinierte. Die Lehren wurden im
Nachhinein gezogen: „Es gibt im Kampf gegen den Terrorismus seit dem 13.
November klar ein Vorher und Nachher.“
Die Pariser Attentate wurden a posteriori zu einem Wendepunkt der
europäischen Antiterror-Kooperation. Zu spät für die Opfer im Bataclan,
aber wenigstens in der Fahndung nach den Auftraggebern und Komplizen
schließlich effizient. Die Täter und Hintermänner wurden identifiziert,
[3][sechs Jahre später konnte der Prozess] gegen den einzigen Überlebenden
der Mordkommandos, Salah Abdeslam, und eine Reihe von Komplizen beginnen.
16 Nov 2022
## LINKS
[1] https://www.arte.tv/de/videos/101353-000-A/terror-in-paris-chronik-einer-fa…
[2] /Prozess-um-Anschlag-auf-Charlie-Hebdo/!5739403
[3] /Terror-Prozess-um-Bataclan/!5810899
## AUTOREN
Rudolf Balmer
## TAGS
Islamismus
Schwerpunkt Islamistischer Terror
Schwerpunkt Frankreich
Bataclan
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Belgien
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Bataclan
Schwerpunkt Frankreich
Charlie Hebdo
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