| # taz.de -- Kritik vor der Fußballweltmeisterschaft: Ein Punkt für Katar | |
| > Kann eine von redlichen Motiven geleitete Kritik am Gastgeberland der WM | |
| > 2022 zugleich rassistisch sein? So manches spricht dafür. | |
| Bild: Katars Außenminister Mohammed bin Abdulrahman Al Thani findet die Kritik… | |
| Einfach mal ganz einfach gefragt: Kann, wer für die Rechte von | |
| LGBTQ+-Personen eintritt und zudem arbeitsrechtliche Mindeststandards auf | |
| Baustellen verlangt, zugleich rassistisch sein? Die meisten werden die | |
| Frage empört zurückweisen. Der Außenminister des WM-Ausrichters Katar, | |
| Mohammed bin Abdulrahman Al Thani, hat sie hingegen bejaht. Europäische | |
| Kritik an seinem Land sei „sehr arrogant und sehr rassistisch“, sagte er, | |
| die deutsche Regierung etwa habe „kein Problem mit uns, wenn es um | |
| Energiepartnerschaften geht oder um Investitionen“. | |
| Niemand muss das Emirat Katar gut finden, um anzuerkennen, dass Al Thani | |
| hier einen Punkt gemacht hat. Aber genau betrachtet, sollte der | |
| Außenminister auch zugeben, dass es zwar viel Kritik gibt, all das aber | |
| ohne Folgen bleibt. Auf der ganz großen Bühne gibt es keinen Boykott. | |
| Und zum Rassismusvorwurf: [1][Nicht Innenministerin Nancy Faeser], die | |
| Missstände anspricht, wird des Rassismus bezichtigt, sondern „die | |
| Europäer“, die ja bekanntlich das stärkste Gewicht im Weltfußball | |
| darstellen. Schaut man auf die WM-Geschichte, fällt auf, dass 2022 bei | |
| diesem Turnier, das doch vorgibt, die Welt abzubilden, erstmals immerhin 6 | |
| asiatische Länder antreten; insgesamt sind es 13 europäische und 19 | |
| nichteuropäische Teilnehmer. Bei der WM 1974 in Deutschland, die hiesige | |
| Weltoffenheit symbolisieren sollte, waren es 9 europäische Teams, 4 aus | |
| Südamerika, 1 aus Nord-/Mittelamerika/Karibik (Haiti), 1 aus Afrika | |
| (Zaire), 1 aus Ozeanien (Australien). Und aus Asien? 0, in Worten: null. | |
| Die Welt des Fußballs war lange eine rein europäisch-lateinamerikanische. | |
| Asien und Afrika waren schlicht nicht existent. Über barfuß kickende Inder | |
| wurde gespottet, und die Afrikaner, so plusterte sich angeblicher | |
| Fußballsachverstand auf, können am Ball zwar alles, aber bestimmt nicht | |
| diszipliniert ein Turnier spielen. Nun mal ehrlich: Ist da der Vorwurf des | |
| Rassismus so falsch? | |
| ## Nur der Westen kann es stemmen | |
| Eine Weile wurde behauptet, [2][sportliche Megaevents könnten wohl nur noch | |
| in Diktaturen stattfinden]. Katar ist das jüngste Beispiel, davor | |
| illustrierten China und Russland diese These. 2024 aber finden die | |
| Olympische Spiele in Paris statt, 2024 die Fußball-EM in Deutschland, 2026 | |
| die Fußball-WM in Nordamerika. Football’s coming home into democracy, | |
| könnten die Ausrichter sagen. Gewiss, die Gastgeber sind alle liberale | |
| Demokratien, aber schwingt da nicht die Botschaft mit, dass nur der Westen | |
| mit seinen liberalen Werten so etwas stemmen kann? Ist da nicht sehr wohl | |
| Rassismus im Spiel? | |
| Viel zu lange haben demokratische Bewegungen sich nicht um den Sport | |
| gekümmert. Wenn es um nicht übersehbare Skandale geht, wurde die | |
| Zuständigkeit an Organisationen delegiert, die kein bisschen demokratisch | |
| kontrolliert, sehr wohl aber machtvolle Player mit eigenen Interessen sind. | |
| Die Fifa hätte die WM nicht an Katar vergeben dürfen, heißt es, aber: | |
| Kritisiert man dann nicht die Mafia, sie sei zu sehr auf die Camorra | |
| zugegangen? Appelliert man [3][nicht an das Gute in der Fifa], obwohl man | |
| wissen müsste, dass die für jahrzehntelangen rassistischen Ausschluss im | |
| Fußball steht? | |
| Notwendig ist, wofür sich die Linke stets zu fein dünkelte: eine | |
| unabhängige Sportkritik, die Katar so scharf in den Blick nimmt wie die | |
| Fifa. Nur politische Autonomie sorgt dafür, dass man sich nicht zwischen | |
| LGBTQ+-Rechten, Arbeiterrechten und Antirassismus entscheiden muss. | |
| 11 Nov 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Martin Krauss | |
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