Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Weltmeisterschaften im Turnen: Der vierte Merksatz
> Lukas Dauser ist der einzige aus der deutschen Männer-Riege mit
> Medaillenchancen bei der WM. Das weiß er und tut alles, um nicht daran zu
> denken.
Bild: Am Barren einer der besten: Lukas Dauser
Liverpool taz | [1][So eine Turn-WM] zieht sich über viele lange Tage mit
vielen Wettbewerben. Im schlechtesten Fall bestreitet ein Athlet nur einen
einzigen Wettkampf, die Qualifikation, und schaut dann eine Woche lang den
anderen zu. Im besten Fall folgen Finalentscheidungen, erst mit der
Mannschaft, dann im Einzelmehrkampf und schließlich an jedem einzelnen
Gerät. Lukas Dauser darf in Liverpool am Freitag beim Mehrkampf und am
Sonntag im Barrenfinale zeigen, was er kann.
Dauser schätzt sich so ein: Im Mehrkampf seien „Topturner mit dabei, wo ich
sicher keine Chance habe, die zu schlagen“, wobei „Am Ende zählt für mich
gar nicht irgendwie die Platzierung, sondern meine Leistung.“
In der Qualifikation war er von Reck und Pauschenpferd gefallen, das soll
sich nicht wiederholen, heißt auch: „Wenn ich meine Leistung abrufen kann,
dann bin ich auch besser als Platz 18.“ Vielleicht ist eine Platzierung
unter den Top Ten der Welt Dausers Ziel, aber das sagt er nicht. Denn was
der 29-Jährige auch weiß: „Im Mehrkampf ist schwer zu sagen, was da
rauskommt.“ Favoriten sind auf jeden Fall andere, der Olympiasieger von
Tokio Daiki Hashimoto aus Japan oder Boheng Zhang aus China.
Auch im Barrenfinale am Sonntag ist schwer zu sagen, was da rauskommt.
Jeder Turner, der hier antritt, kann Weltmeister werden. Aber in diesem
Finale gehört Lukas Dauser zu den Favoriten, im Qualifikationsranking
belegt er mit der zweitschwierigsten Übung Rang 3. Es ist sein drittes
WM-Finale, 2017 hatte er EM-Silber gewonnen, im vergangenen Jahr erst
EM-Bronze, dann Silber bei den Olympischen Spielen in Tokio. Lukas Dauser
ist aktuell der einzige deutsche Turner, der bei einer Weltmeisterschaft
überhaupt mit dem Gedanken an eine Medaille spielen kann.
## Reine Kopfsache
Genau das will er aber nicht tun. Er mache, das hat er schon häufig
formuliert, sich selbst am meisten Druck. Den gilt es irgendwie abzulenken,
aus dem Kopf zu bekommen, zumindest in dieser entscheidenden Minute des
Finals. Zu diesem Zweck hat er sich ein Konstrukt zurechtgelegt, das er
bisweilen mantramäßig wiederholt.
Erstens: Ich kann meinen Gegner nicht besiegen wie ein Boxer. Ich kann nur
meine beste Übung turnen und den Rest entscheiden die Kampfrichter.
Zweitens: Ich habe am Barren eine gute Übung und ich weiß, dass ich sie
drauf habe. Drittens: Jeder Wettkampf geht bei null los. So ähnlich hatte
Lukas Dauser seine Sicht auf die Dinge auch vor dem EM-Finale im August in
München beschrieben.
Doch er turnte nicht seine beste Übung, fiel vom Gerät, ausgerechnet in
seiner Heimatstadt. Dauser hat dieses Finale dann nicht einfach abgehakt,
wozu ihm viele rieten. Er hat analysiert, was da im Kopf falsch gelaufen
sein könnte. Er habe die silberne Olympiamedaille „irgendwie mit in den
Wettkampf genommen“, erklärte er zuletzt, zu viel Druck also. Dabei ist es
ja eigentlich so klar: Jeder Wettkampf geht bei null los. Nun also
viertens, eine Präzisierung von Merksatz drei: „Ich habe bei keinem
Wettkampf was zu verlieren.“
Lukas Dauser, der nach seinem turnerischen Beginn in Unterhaching und
Jahren in Berlin mittlerweile [2][in Halle bei Hubert Brylok] trainiert,
sagt von sich selbst, er mache sich „viele Gedanken“, habe „immer einen
genauen Plan“ und schätze „ein Grundgerüst, an dem man sich langhangeln
kann“. Als Athletensprecher setzt er sich mit Fragen auseinander, die weit
über seine Barrenübung hinausgehen. Im eigenen Verband finde er in dieser
Funktion Gehör, mehr als noch vor Jahren: „Das finde ich auch ganz gut, wir
sitzen alle im gleichen Boot.“
Aber Lukas Dauser merkt auch, wenn es zu viel wird. „Zwei Wochen nur an
Turnen zu denken, das tut keinem gut“, sagt er mit Blick auf diese Tage in
Liverpool, wo Hotel, Trainings- und Wettkampfhalle direkt nebeneinander
liegen und um einen herum permanent nur andere Turner sind. So gab es einen
trainingsfreien Tag mit Spaziergang, Riesenradfahren, Beatles-Museum und
Anfield Road. Den Kopf kurz freikriegen, bevor er wieder vom Turnen
eingenommen wird. Nun also zur Strategie für den Sonntagnachmittag: „Ich
muss versuchen, mit Feuer und Spaß ranzugehen, dass ich einfach gallig bin
sagt man in Bayern.“
3 Nov 2022
## LINKS
[1] /Der-Sport-und-der-Globale-Sueden/!5888591
[2] /Dominante-Turner-aus-Halle/!5772990
## AUTOREN
Sandra Schmidt
## TAGS
Turnen
Liverpool
Leistungsdruck
Turnen
Turnen
Turnen
Turnen
Deutsche Meisterschaft
## ARTIKEL ZUM THEMA
Barren-Weltmeister Lukas Dauser hört auf: „Turnen lieben gelernt“
Beim Swiss Cup gibt Lukas Dauser, der erfolgreichste deutsche Turner der
letzten Dekade, seinen Abschied. Er erinnert sich an Spaß und Entbehrungen.
Turnen im Umbruch: Attraktion auf der Matte
Heath Thorpe gehört zu den besten 50 Turnern der Welt. Er mischt die Szene
auf, weil er anders turnt als die Konkurrenz – und weil er schwul ist.
Der Sport und der Globale Süden: Die Welt sind nur wir
Bei der Turn-WM in Liverpool ist nur ein einziges Team aus Afrika
vertreten. Europa durfte mit 13 Equipes anreisen. Der Weltverband will das
so.
Historische Medaille im Turnen: Solo für das Team
In der deutschen Riege werden die Turnerinnen an allen Entscheidungen
beteiligt. Der Lohn für diese Praxis der Mitbestimmung ist Bronze bei der
EM.
Spätstarter überzeugt bei Turn-DM: Es geht auch ganz anders
Bei den Finals 2022 gewinnt Glenn Trebing die erste Mehrkampfmedaille. Sein
Erfolg trotz späten Einstiegs ins Turnen widerspricht allen Lehrmeinungen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.