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# taz.de -- Folgen von Twitter-Kauf: Nix wie raus hier?
> Kaum gehört Twitter Elon Musk, wird das Debattenklima dort messbar
> schlechter. Nutzer*innen fragen sich: Zeit zum Absprung?
Bild: Schreit gerne seine Meinung ins Netz: ein Twitter-Vogel äh Nutzer
Viele haben es kommen sehen und davor gewarnt, jetzt passiert es: Mit dem
Twitter-Kauf durch den Superreichen Elon Musk hat sich das Gesprächsklima
auf der Plattform enorm verschlechtert. Die Gruppe Network Contagion
Research Institute hat Millionen von Nachrichten analysiert: In den 12
Stunden nach dem Kauf stieg die Nutzung des N-Worts um beinahe 500 Prozent.
Warum, das ist recht klar – rechte Trolle wollen testen, wie weit sie gehen
können, jetzt wo Mr. „Free Speech“ Elon Musk definiert, was auf Twitter
geschrieben werden darf. Auf anderen einschlägigen Plattformen war genau zu
so einem „Testlauf“ aufgerufen wurde.
Derweil verlor Musk selbst keine Zeit, mit schlechtem Beispiel
voranzugehen. Am Samstag beteiligte sich Musk an unbelegten und weit
hergeholten Spekulationen üder den Ehemann der demokratischen
US-Politikerin [1][Nancy Pelosi], Paul Pelosi. Dieser war im eigenen Haus
niedergeschlagen worden, worauf viele im Netz neben Genesungswünschen auch
Desinformation posteten. Etwa, dass Paul Pelosi von einem Sexarbeiter
angegriffen worden sei. Musk teilte dies zunächst, löschte den Tweet dann
wieder. Solches Verhalten seitens Prominenter, egal ob bewusst oder
fahrlässig, macht die sozialen Medien zu Nährböden für Falschinformation.
Dazu kommt die ganz reale, ganz alltäglich Bedrohung von followerstarken
Nutzer*innen durch Rechte, die nun zunehmen könnte, sollten etwa Aufrufe
zur Gewalt wieder verstärkt als „freie Rede“ gebilligt werden. Grund für
viele Menschen, sich zu fragen: Zeit, Twitter zu verlassen?
## Alternativen diskutieren
Wer will schon in einem faulenden Sumpf Unterhaltungen führen? Medien und
User diskutieren derzeit zahlreiche Alternativen – wie [2][der Konkurrent
Mastodon]. Andererseits: Wie viel Geländegewinn seitens der Trolle,
Rechtspopulisten und Hater will man durch Rückzug verantworten?
Eine pauschale Antwort fällt schwer. Sie hängt stark damit zusammen, wer
man ist. Viele Netzwerke auf Twitter plaudern sicher nach wie vor
unbehelligt von rechten Störfaktoren oder Shitstorms. Das mag etwa für
wissenschaftliche Fachkreise gelten, deren Austausch zu komplex ist für
eine Erregungswelle. Jedenfalls solange niemand versehentlich über Corona
postet oder in ein sonstiges Hashtag-Fettnäpfchen tritt.
Denn sobald ein Thema im Mainstream-Diskurs halbwegs kontrovers ist
(Gender, Klimawandel, …) werden Argumente, Standpunkte und Erfahrungen
erstickt. Populist*innen ersetzen sie durch Beleidigung,
Einschüchterung und Realitätsverzerrung.
## Erkämpfte Sichtbarkeit
Falls unter Musk die Moderationsteams zurückgepfiffen würden, die alledem
bisher zumindest noch ein wenig Einhalt gebieten, wäre auf Twitter
endgültig die Zeit der Populist*innen gekommen.
Das betrifft alle. Denn entgegen der landläufigen Meinung bewegen sich
Menschen eben nicht in bloßen „Echokammern“. Auch, aber nicht nur. Jede und
jeder kann in bedrohliche Situationen geraten. Manchmal reicht es, eine
Serie zu empfehlen, die irgendwem da draußen zu „woke“ ist. Dann drohen
lawinenhafte Beleidungen, die Veröffentlichung privater Daten, manchmal der
Aufruf, die Person gezielt und immer wieder zu attackieren, um sie zu
zermürben. Solche Kampagnen richten sich in vielen Fällen gegen Menschen,
die marginalisiert sind oder als marginalisiert wahrgenommen werden. Gegen
BIPoC, gegen Arme, gegen Frauen, gegen Queers, gegen Menschen mit
Behinderung, gegen Opfer von Gewalttaten und gegen so viele mehr, die auf
Twitter in den Jahren zuvor die Chance genutzt haben, sich Sichtbarkeit zu
verschaffen.
Twitter sollte mal ein Ort des Austausches sein, teilweise auch ein Ort, an
dem Banden gebildet werden konnten, sich Horizonte weiten. Das hat nicht
immer funktioniert, manchmal passierte das Gegenteil. Und doch: Es war
nicht zuletzt Twitter, wo Menschen Hashtags verbreiteten wie #MeToo,
#IchBinHannah, #IchBinArmutsbetroffen.
Was, wenn diese Menschen verschwinden? Ein kaum zu ersetzender Verlust.
Moralisch zum Dableiben zu appellieren wird dennoch schwerfallen.
31 Oct 2022
## LINKS
[1] /Prominente-US-Demokratin-als-Angriffsziel/!5891377
[2] /Kurznachrichtendienst-Mastodon/!5847663
## AUTOREN
Johannes Drosdowski
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Kolumne Flimmern und Rauschen
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