# taz.de -- Buch über Rassismus und Antisemitismus: Keine neuen Grenzen ziehen | |
> Im Fokus in „Frenemies“: die Beziehung zwischen Antisemitismus und | |
> Rassismus. Der Sammelband erlaubt das Herantasten an unbequeme Haltungen. | |
Bild: Die Mauer zwischen Betlehem und Ost-Jerusalem im August 2021 | |
Am Anfang steht das Scheitern. In der Einleitung ihres Sammelbands gewähren | |
die Herausgeber*innen Saba-Nur Cheema, Sina Arnold und [1][Meron | |
Mendel] einen Einblick in den Entstehungsprozess von „Frenemies. | |
Antisemitismus, Rassismus und ihre Kritiker*innen“. Als die Namen zweier | |
Autoren bekannt wurden, die im Buch vertreten sein sollten, wollten andere | |
ihre Texte zurückziehen. | |
Am Ende landeten einige geplante Texte nicht im Band. Arnold, Cheema und | |
Mendel schreiben: „Damit sind wir unserem eigenen Anspruch nicht | |
nachgekommen, auch palästinensischen Stimmen mehr Gehör zu verschaffen. | |
Außerdem ist unser Versuch, die gängige Praxis der Kontaktschuld mit diesem | |
Sammelband zu kritisieren, an dieser Stelle gescheitert.“ | |
„Frenemies“ soll Konflikte abbilden, die in der Beziehung zwischen | |
Antisemitismus und Rassismus auftreten, um konstruktiven Streit zu | |
ermöglichen. Texte von über 50 Autor*innen aus den Bereichen | |
Wissenschaft, politischer (Bildungs-)Arbeit, Medien und dem Kunstbetrieb | |
sind versammelt. | |
Angeordnet sind sie durch kurze Fragen wie: „Ist Antisemitismus eine Form | |
von Rassismus?“ „Ist Kritik am Islam rassistisch?“ „Gibt es Konkurrenz … | |
der Erinnerung an den Holocaust und Kolonialismus?“ | |
## Antisemitismuskritik und Postkolonialismus | |
Vor allem Antisemitismuskritik und Postkolonialismus stehen im Konflikt | |
zueinander, [2][der immer wieder in einer Diskussion über die Haltung zu | |
Israel mündet.] Viel zu oft entsteht dabei der Eindruck, es gebe zwei klar | |
abgegrenzte, konkurrierende Gruppen. Ja, es gebe Grenzen, schreiben die | |
Herausgeber*innen, aber auch über diese müsse gestritten werden. | |
So verschieden die Positionen, so vielstimmig der Klang der Texte: | |
Überwiegend ist man bemüht um Sachlichkeit, manche Autor*innen schreiben | |
jedoch nachdrücklich parteilich, hin und wieder emotional persönlich. | |
Leser*innen können wählen, mit welchen Argumenten sie sich | |
auseinandersetzen wollen. Hilfreich sind dabei kontextualisierende Texte zu | |
Beginn des Sammelbands, in denen Antisemitismus und Rassismus in ihren | |
Gemeinsamkeiten und Unterschieden, historisch und in ihren Ausdrucksformen | |
betrachtet werden. | |
Der Sammelband erlaubt das Herantasten an Haltungen, die der eigenen | |
unbequem sind. Ein Appell taucht dabei in den Texten immer wieder auf: Bei | |
allen Schwierigkeiten müssten Menschen, die Antisemitismus und die, die | |
Rassismus entgegentreten, zusammenarbeiten, um die Gesellschaft besser zu | |
machen. | |
Wenn Interessierte, die sich als Gegenspieler*innen verstehen, diesen | |
Appell vernehmen und das gleiche Buch in die Hand nehmen, ist das Scheitern | |
am Ende vielleicht ein Schritt hin zum besseren, streitenden Gespräch. | |
1 Nov 2022 | |
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## AUTOREN | |
Philipp Weichenrieder | |
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